VwGH 93/04/0224

VwGH93/04/022422.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der H in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 10. September 1993, Zl. UVS-4/156/3-1993, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
GewO 1973 §1 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §29;
GewO 1973 §349 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §349 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §349 Abs3;
GewO 1973 §349 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §366 Abs1 Z1 idF 1988/399;
MeisterprüfungsO Friseur;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
AVG §38;
GewO 1973 §1 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §29;
GewO 1973 §349 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §349 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §349 Abs3;
GewO 1973 §349 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §366 Abs1 Z1 idF 1988/399;
MeisterprüfungsO Friseur;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 10. September 1993 wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug schuldig erkannt, am 24. Jänner 1992 am Gewerbestandort F-Straße 44, durch die am straßenseitigen Schaufenster angebrachte Aufschrift "Fußpflege" die Ausübung des Gewerbes an einen größeren Kreis von Personen öffentlich angekündigt zu haben, was der Ausübung des Gewerbes "Fußpfleger" gleichzuhalten sei, ohne im Besitz einer hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen zu sein. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 i. V.m. §§ 5 Z. 1 und 1 Abs. 4 GewO 1973 begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. In der Begründung dieses Bescheides führte der unabhängige Verwaltungssenat im wesentlichen aus, im Rahmen ihrer gewerberechtlichen Ausübungsbefugnisse (Friseur und Perückenmacher) sei die Beschwerdeführerin zur Ausübung der Tätigkeit der Fußpflege nicht berechtigt. Die Frage, inwiefern sie im Rahmen des Friseur- und Perückenmachergewerbes zur Ausübung der Fußpflege im Rahmen der "elementaren Fußpflege" - und nur so weit sei in der Meisterprüfungsordnung der Friseure eine diesbezügliche Erwähnung enthalten und erstrecke sich das rechtfertigende Vorbringen der Beschwerdeführerin - berechtigt gewesen sei, sei im vorliegenden Fall insofern nicht relevant, als seitens der Beschwerdeführerin die Ausübung des Fußpflegegewerbes in seiner Gesamtheit angeboten worden sei. Denn die diesbezügliche Ankündigung habe keinerlei Einschränkung auf elementare Fußpflege oder dergleichen enthalten. Ein differenziertes Eingehen darauf, welche Tätigkeiten von der Beschwerdeführerin konkret ausgeübt worden seien bzw. inwieweit dieser konkrete Umfang im Rahmen der Ausübungsbefugnisse des Friseurgewerbes liege, sei daher nicht erforderlich, weil sie den gesamten Umfang der Fußpflege angekündigt habe und dieser Gesamtumfang jedenfalls nicht im Rahmen des Friseurgewerbes seine Ausübungsberechtigung finde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht wegen unzulässiger Gewerbeausübung bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes erblickt die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 44a Z. 2 VStG, da im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht jene Rechtsvorschrift genannt sei, die das Gewerbe der Fußpflege regle (§ 103 Abs. 1 lit. b Z. 19 GewO 1973 - gemeint offensichtlich in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992). Auch sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, "welche Fassung der Gewerbeordnung als Maßstab heranzuziehen" sei. Im übrigen enthalte die Gewerbeordnung, insbesondere in den im Spruch des angefochtenen Bescheides zitierten Rechtsvorschriften kein Gebot das die Ankündigung eines Gewerbes auf die in der Meisterprüfungsordnung genannten Prüfungsgegenstände beschränke. Die belangte Behörde habe sich auch über die Bestimmung des § 29 GewO 1973 hinweggesetzt, obwohl diese Vorschrift für das Verfahren von zentraler Bedeutung gewesen sei und die Beschwerdeführerin auf die Auslegung des Umfanges der ihr zustehenden Gewerbeberechtigung durch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft sowie das zuständige Bundesministerium als oberste Gewerbebehörde ausführlich hingewiesen habe. Die belangte Behörde verkenne die Rechtslage, wenn sie meine, die Ausübung der Fußpflege durch die Beschwerdeführerin sei nur deshalb rechtswidrig, weil diese Tätigkeit im § 103 Abs. 1 lit. b Z. 19 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992 nicht genannt sei. Eine (im einzelnen dargestellte) historische Betrachtung ergebe vielmehr das Gegenteil.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gemäß § 1 Abs. 4 leg. cit. ist das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen der Ausübung des Gewerbes gleichzuhalten.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

  1. 1.) die als erwiesen angenommene Tat;
  2. 2.) die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

    ...

    Wie der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 31. März 1992, Zl. 91/04/0299, dargelegt hat, ist bei einer Verwaltungsübertretung der vorliegenden Art Strafnorm im Sinne des § 44a Z. 2 VStG § 366 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1973. Hingegen ist jene Norm der Gewerbeordnung, die das vom Beschuldigten rechtswidrigerweise ausgeübte Gewerbe regelt, nicht Strafnorm im Sinne des § 44a Z. 2 VStG, weshalb es auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründet, wenn die entsprechende Bestimmung der Gewerbeordnung dort nicht zitiert wurde.

    Im übrigen ist die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen im Recht.

    Vorweg ist festzuhalten, daß im vorliegenden Fall zu klären ist, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin der im Tatzeitpunkt (24. Jänner 1992) geltenden Rechtslage widersprach. Es ist daher bei Beurteilung des Berechtigungsumfanges des der Beschwerdeführerin zustehenden Gewerbes die Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1992 heranzuziehen, welche dadurch bestimmt ist, daß der Umfang der der Beschwerdeführerin zustehenden Gewerbeberechtigung im Sinne des § 94 Z. 18 (Friseure und Perückenmacher) im Gesetz nicht weiter determiniert ist.

    Gemäß § 29 GewO 1973 ist für den Umfang der Gewerbeberechtigung der Wortlaut des Gewerbescheines (§ 340) - sofern dieser noch nicht ausgestellt worden ist, der Gewerbeanmeldung (§ 339) -, oder bei Gewerben, deren Ausübung an den Nachweis einer Bewilligung gebunden ist, des Bescheides, mit dem die Bewilligung erteilt worden ist, im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen.

    Der Verwaltungsgerichtshof vermag der dem angefochtenen Bescheid offenbar zugrundeliegenden Rechtsansicht der belangten Behörde, als Rechtsvorschrift im Sinne des § 29 erster Satz leg. cit. seien auch die Prüfungsvorschriften zur Erlangung des jeweiligen Befähigungsnachweises heranzuziehen, nicht zu folgen. Der Inhalt dieser Prüfungsvorschriften mag allenfalls für die Beurteilung nach dem zweiten Satz des § 29 GewO 1973 bedeutsam sein. Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde aus dem Umstand, daß in der für das Gewerbe der Friseure und Perückenmacher geltenden Meisterprüfungsordnung, BGBl. Nr. 326/1981, der Prüfungsgegenstand "elementare Fußpflege" vorgesehen ist, ohne Einhaltung des im § 349 Abs. 3 GewO 1973 vorgesehenen Verfahrens die Rechtsfrage nach dem Umfang der der Beschwerdeführerin zustehenden Gewerbeberechtigung selbst zu lösen versuchte.

    Denn im Strafverfahren wegen Überschreitung des Umfanges einer Gewerbeberechtigung bildet die Frage des Berechtigungsumfanges für die Beurteilung des Tatbestandes eine Vorfrage. In einem solchen Fall hat die Behörde nach § 349 Abs. 3 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, den Antrag auf Entscheidung durch den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nach § 349 Abs. 1 leg. cit. zu stellen, wenn die betreffende Frage eine Vorfrage in einem nicht beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängigen Verwaltungsverfahren ist und nicht ohne Bedachtnahme auf die im § 29 zweiter Satz enthaltenen Gesichtspunkte beurteilt werden kann, es sei denn (was hier nicht zutrifft), daß die Voraussetzung für die Zurückweisung des Antrages gemäß Abs. 4 vorliegt.

    Da - wie oben bereits dargelegt - den in bezug auf das Gewerbe der Friseure und Perückenmacher einschlägigen Rechtsvorschriften, bezogen auf den Tatzeitpunkt, eine nähere Abgrenzung gegenüber dem Gewerbe der Fußpflege nicht entnommen werden kann und die Aktenlage auch keine Anhaltspunkte dafür bietet, daß der Wortlaut des Gewerbescheines der Beschwerdeführerin hiefür Anhaltspunkte bietet, liegt somit ein Zweifelsfall im Sinne des § 29 zweiter Satz GewO 1973 vor, weshalb von der belangten Behörde nach § 349 Abs. 3 leg. cit. vorzugehen gewesen wäre.

    Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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