VwGH 93/04/0102

VwGH93/04/010222.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der X-AG in Wien, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. Mai 1993, Zl. 300.938/1-III/A/2a/93, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mP: L in Wien, M in Y, O in W und G in W, alle vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §75 Abs2;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §75 Abs2;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. Mai 1993 wurde über Berufung u.a. der Erstmitbeteiligten der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. August 1991, mit dem der Beschwerdeführerin eine Änderung ihrer im Standort Wien V, S-Gasse, bestehenden gewerblichen Betriebsanlage (Tankstelle) genehmigt worden war, behoben und das diesem zugrundeliegende Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 4. Februar 1991 im Grunde des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben sei mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992 die baubehördliche Bewilligung rechtskräftig versagt worden und es stehe daher diesem Vorhaben ein im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 zu beachtendes Verbot entgegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Gegenschrift, in der sie beantragten, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage im Sinne des § 81 GewO insbesondere dadurch verletzt, daß die belangte Behörde unter Überschreitung des dem Nachbarn vorbehaltenen Mitspracherechts-Bereiches und damit der Befugnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG einerseits der Berufung Folge gegeben und andererseits das Ansuchen "im Grunde des § 77 Abs. 1, zweiter Satz, GewO" abgewiesen hat". Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, "Sache" der Berufungsbehörde im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG sei ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zustehe. Stehe daher einer Partei ein bloß eingeschränktes Mitspracherecht zu, so sei es der Berufungsbehörde verwehrt, in ihrer Entscheidung aufgrund der von einer solchen Partei eingebrachten Berufung über den Themenkreis hinauszugehen, auf den sich das Mitspracherecht dieser Partei erstrecke. Sie dürfe lediglich prüfen, ob der Berufungswerber in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sei. Da hinsichtlich der "Standort-Voraussetzungen" des § 77 Abs. 1, zweiter Satz GewO 1973 ein Mitspracherecht von Nachbarn nicht bestehe, sei es der belangten Behörde verwehrt gewesen, Belange dieser Standort-Voraussetzungen aufgrund einer von Nachbarn erhobenen Berufung zu berücksichtigen. Da sie dies dennoch getan habe, habe sie ihre (eingeschränkte) Prüfungsbefugnis überschritten. Hinsichtlich des Zweitmitbeteiligten habe die belangte Behörde des weiteren verkannt, daß dieser subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nicht geltend gemacht habe. Er habe nämlich Gesundheitsgefährdungen und Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973, nicht aber Gefährdungen des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte behauptet. Es sei aber im Bereich der "persönlichen" Gefährdungen und Belästigungen der Z. 1 und 2 des § 74 Abs. 2 GewO 1973 nur derjenige Nachbar, der sich (im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1973) nicht bloß vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalte. Dies treffe aber auf den Zweitmitbeteiligten, der die ihm gehörige Wohnung in der S-Gasse nicht selbst bewohne, sondern diese vermietet habe und in Y wohne, nicht zu. Diesem stünden daher subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, wie er sie in der Berufung behaupte, nicht zu. In der dennoch erfolgten Berücksichtigung auch der Berufung des Zweitmitbeteiligten läge daher neuerlich eine Überschreitung der Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, darüberhinaus aber auch die fälschliche Zuerkennung der Parteistellung durch die belangte Behörde.

Gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 - in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - darf die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.

Daß die durch Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992 erfolgte Versagung der Baubewilligung für das den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens nach § 81 Abs. 1 GewO 1973 bildende Vorhaben der Beschwerdeführerin ein Verbot im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 bedeutet, wird in der Beschwerde nicht bestritten und es besteht nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten auch kein Anhaltspunkt dafür, daß dies nicht der Fall wäre. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es daher ausschließlich darum, ob die belangte Behörde dieses Verbot berücksichtigen durfte.

"Sache" der Berufungsbehörde im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG aufgrund einer zulässigen Berufung ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Unterinstanz gebildet hat.

Eine Trennbarkeit der den Inhalt des Spruches des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 20. August 1991 bildenden Angelegenheit dahin, daß über die Genehmigungsfähigkeit nur unter bestimmten Gesichtspunkten entschieden werden und die Genehmigungsfähigkeit unter anderen Gesichtspunkten ungeprüft bleiben und trotzdem in der Berufungsinstanz eine auf Genehmigung lautende Rechtslage herbeigeführt werden könnte, ist der GewO 1973 - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - freilich nicht zugrundegelegt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0092). Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde aus Anlaß der Berufungen der mitbeteiligten Parteien über den Genehmigungsantrag der Beschwerdeführerin eine auf die "Sache" insgesamt bezogene Entscheidung traf.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zweitmitbeteiligten ist entgegenzuhalten, daß zwar Eigentümer und sonstige dingliche Berechtigte den ihre Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der im § 75 Abs. 2 erster Satz erster Satzteil enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen können, die den Eintritt einer - persönlichen - Gefährdung oder Belästigung in Hinblick auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/04/0193). Selbst wenn dies aber im konkreten Fall nicht gegeben sein sollte, so könnte die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die, durch die Berufungen der übrigen Mitbeteiligten begründete Entscheidungszuständigkeit der belangten Behörde dadurch, daß diese ihren Abspruch auch aufgrund der Berufung des Zweitmitbeteiligten traf, in keinem Recht verletzt werden.

Die sich somit zur Gänze als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien war abzuweisen, da die von ihnen vorgelegten Urkunden zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte