Normen
B-VG Art119a Abs1;
B-VG Art132;
B-VG Art144;
B-VG Art18 Abs1;
GdO Tir 1966 §11;
GdO Tir 1966 §114 Abs2;
GdO Tir 1966 §53 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art119a Abs1;
B-VG Art132;
B-VG Art144;
B-VG Art18 Abs1;
GdO Tir 1966 §11;
GdO Tir 1966 §114 Abs2;
GdO Tir 1966 §53 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Mitglied des Gemeinderates der Stadt Hall in Tirol. In der Sitzung vom 7. Oktober 1992 hat der Gemeinderat der Stadt Hall in Tirol eine Geschäftsordnung für den Gemeinderat, den Stadtrat und die Ausschüsse beschlossen, die im Sinne des § 53 Abs. 1 Tiroler Gemeindeordnung, LGBl. für Tirol Nr. 4/1966 (TGO), die eine an die Allgemeinheit gerichtete Mitteilung enthält und daher am 12. Oktober 1992 durch öffentlichen Anschlag an der Amtsstafel der Stadtgemeinde Hall in Tirol kundgemacht wurde. § 3 Abs. 3 dieser Geschäftsordnung sieht vor, daß Gegenstände, die in der bekanntgegebenen Tagesordnung nicht aufscheinen, nur dann verhandelt und zur Abstimmung gebracht werden dürfen, wenn es der Gemeinderat mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschließt. Derartige Anträge auf dringliche Behandlung (Dringlichkeitsanträge) können von jedem Mitglied des Gemeinderates gestellt werden und müssen mindestens 24 Stunden vor dem angesetzten Sitzungstermin schriftlich bei der Einlaufstelle des Stadtamtes eingebracht und mit der Bezeichnung "Dringlichkeitsantrag" versehen sein. Entspricht ein Antrag diesen Erfordernissen, so ist er nach Erledigung der sonstigen Tagesordnung zu verhandeln. Entspricht ein Antrag diesen Erfordernissen nicht, so ist er nicht als Dringlichkeitsantrag im Sinne des § 29 Abs. 3 TGO, sondern als gewöhnlicher Antrag zu behandeln.
Mit Eingabe vom 21. Oktober 1992 (eingelangt beim Stadtamt Hall in Tirol am 22. Oktober 1992) erhob der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 53 Abs. 2 TGO (im Wege der Vorlage an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck) Aufsichtsbeschwerde an die Tiroler Landesregierung und begründete diese im wesentlichen damit, § 36 TGO enthalte einen erschöpfenden Katalog jener Bereiche, die mit einer Geschäftsordnung geregelt werden könnten. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei die Bestimmung des § 36 TGO einschränkend auszulegen, sodaß keine Möglichkeit gegeben sei, im Rahmen einer Geschäftsordnung über den § 36 TGO hinausgehende Regelungen zu treffen. Insbesondere könnten im Rahmen einer Geschäftsordnung keine Regelungen getroffen werden, die den Bestimmungen der TGO widersprächen. § 36 TGO räume der Gemeinde insbesondere nicht die Befugnis ein, die nur von einer qualifizierten Mehrheit abhängige, sonst aber formlose Möglichkeit, außerhalb der bekanntgegebenen Tagesordnung Beschlüsse zu fassen, einzuschränken. Es sei davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber für die Gemeindeebene bewußt ein vergleichsweise formloses Verfahren eingerichtet habe, um Beschlußfassungen auch außerhalb der bekanntgegebenen Tagesordnung zu ermöglichen. Die einzige Voraussetzung, die für eine solche Beschlußfassung vorzuliegen habe, sei eine Zweidrittelmehrheit. Ansonsten sei jedoch nicht die Einhaltung einer bestimmten Form (z.B. Schriftform) oder Frist und auch nicht der materielle Tatbestand einer Dringlichkeit, wie etwa Gefahr in Verzug oder Abwehr unwiederbringlichen Schadens, gefordert, sodaß also dann, wenn sich zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Gemeinderates in der Lage sehen, über einen Gegenstand, der auf der bekanntgegebenen Tagesordnung nicht aufscheine, abzustimmen, dies auch tun könnten. Eine Formalisierung dieses Verfahrens wie dies in der bekämpften Bestimmung des § 3 Abs. 3 der am 7. Oktober 1992 beschlossenen Geschäftsordnung vorgesehen sei, widerspreche dem § 29 Abs. 3 TGO und sei darüberhinaus auf Gemeindeebene auch nicht notwendig. Der Beschwerdeführer beantragte daher die Verordnungsprüfung gemäß § 114 Abs. 1 TGO und Aufhebung der genannten Bestimmung der am 7. Oktober 1992 beschlossenen Geschäftsordnung als gesetzwidrig.
Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend. Dadurch, daß die belangte Behörde über seine Aufsichtsbeschwerde vom 21. Oktober 1992 nicht entschieden habe, erachtet er sich in dem ihm gemäß § 53 Abs. 2 TGO zustehenden subjektiven Recht auf Entscheidung verletzt. Er beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und § 3 Abs. 3 der am 7. Oktober 1992 beschlossenen Geschäftsordnung für den Gemeinderat, den Stadtrat und die Ausschüsse der Stadt Hall in Tirol als gesetzwidrig aufheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt, und legte den Verwaltungsakt vor.
Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, denen der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Die Säumnisbeschwerde setzt daher - wie auch die Bescheidbeschwerde - eine qualifizierte Rechtswidrigkeit voraus, nämlich die Verletzung eines subjektiven Rechtes des Beschwerdeführers (im Fall der Säumnisbeschwerde seines Anspruches auf eine Sachentscheidung), um ihn zur Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zu legitimieren; eine nur objektive Rechtswidrigkeit reicht nicht. Nicht jeder, der eine Verwaltungsbehörde auf einen vermeintlichen rechtswidrigen Vorgang oder Zustand aufmerksam macht, den die Behörde bei richtiger Auffassung ihrer Pflicht nach Meinung des Einschreiters abstellen sollte, kann daher ein Tätigwerden der Behörde erzwingen (vgl. hg. Beschluß vom 26. April 1973, VwSlg. N.F. 8404/A). Daher wird begrifflich bereits die Geltendmachung der Verletzung der Entscheidungspflicht dort ausgeschlossen, wo ein Rechtsanspruch auf Handhabung des Aufsichtsrechtes nicht besteht. Es war daher zunächst zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer durch Gesetz ein subjektives Recht auf Entscheidung der Aufsichtsbehörde eingeräumt wurde.
Gemäß § 53 Abs. 2 TGO, kann, wer sich durch Beschlüsse oder Verfügungen der Gemeindeorgane, die Verpflichtungen oder Belastungen der Gemeindebewohner zum Inhalt haben oder einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen oder an die Allgemeinheit gerichtete Mitteilungen enthalten, in seinen Rechten verletzt fühlt, innerhalb der Kundmachungsfrist beim Gemeindeamt (Stadtamt) schriftlich Aufsichtsbeschwerde erheben. Diese ist der Bezirkshauptmannschaft vorzulegen. Gemäß § 114 Abs. 2 TGO hat die Landesregierung gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben. Die Gründe hiefür sind der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen. Die Verordnung der Landesregierung, mit der die Verordnung der Gemeinde aufgehoben wird, ist außerdem vom Bürgermeister unverzüglich und zwar in gleicher Weise wie die aufgehobene Verordnung kundzumachen.
Der Beschwerdeführer leitet die Behauptung eines ihm zustehenden subjektiven Rechtes auf Tätigwerden der Aufsichtsbehörde aus § 53 Abs. 2 TGO ab und vertritt die Auffassung, diese Bestimmung, die dem Einzelnen die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde einräume, statuiere damit auch eo ipso ein subjektives Recht auf Tätigwerden der angerufenen Aufsichtsbehörde.
Dieser Auffassung kann sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht anschließen. Der in Art. 18 Abs. 1 B-VG enthaltene Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gewährleistet - wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat - kein subjektives Recht, dessen Verletzung mittels Beschwerde mit Erfolg angefochten werden könnte (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. September 1984, Zl. 82/17/0018 u.a.). Die Bestimmung des § 11 TGO hat zweifellos einen für die Aufsichtsbehörde verpflichtenden Inhalt. Sie entspricht dem in Art. 18 B-VG festgelegten Grundsatz, daß die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf und nach ihren Bestimmungen zu führen ist. Aus diesen in der Verfassung ausgesprochenen allgemeinen Grundsätzen allein kann aber kein subjektiver Anspruch der Partei auf ein der konkreten Norm entsprechendes Verhalten der Behörde abgeleitet werden. Die aufsichtsbehördliche Tätigkeit und die sie regelnden gesetzlichen Vorschriften gehören nicht dem Bereich der Beziehung zwischen der Partei und der Behörde, sondern jenem der Beziehungen zwischen den Organen der unmittelbaren oder auch der mittelbaren staatlichen Verwaltung und den ihnen in der Behördenhierarchie übergeordneten Verwaltungsorganen an. Die aufsichtsbehördliche Tätigkeit liegt also außerhalb des Rahmens eines durch Geltendmachung eines subjektiven öffentlichen Rechtes einer Partei eingeleiteten Verwaltungsverfahrens. Daraus folgt einerseits, daß eine solche Tätigkeit von jedermann, nicht nur von der Partei im Verwaltungsverfahren angeregt werden kann, andererseits, daß die in diesem Bereich der Behörde obliegenden Verpflichtungen keinen subjektiven Anspruch auf ein diesen Verpflichtungen entsprechendes Tätigwerden der zur Aufsicht berufenen Behörde begründen können (vgl. auch hg. Beschluß vom 2. April 1958, Zl. 174/58, VwSlg. 4628/A). Ist aber das Rechtsinstitut der staatlichen Aufsicht grundsätzlich nicht im Interesse der durch die Maßnahmen der beaufsichtigten Organe betroffenen Person, sondern allein im öffentlichen Interesse eingerichtet, besteht kein Rechtsanspruch darauf, daß die Aufsichtsbehörde ihrer Überwachungspflicht auch tatsächlich nachkommt (vgl. auch hg. Beschluß vom 13. Februar 1984, Zl. 84/12/0021; vgl. auch Berchtold, Gemeindeaufsicht, 40 f).
Wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise - wie in der TGO - gegen eine generelle Norm eine Antragstellung an die zuständige Aufsichtsbehörde für zulässig erklärt, so gebietet eine verfassungskonforme Interpretation im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich verankerte Prüfungsmonopol des Verfassungsgerichtshofes betreffend generelle Normen, daß damit nur die Wahrnehmung der Aufsicht wie in anderen Fällen einer Aufsichtsbeschwerde ermöglicht wird, nicht aber ein subjektives Recht begründet werden soll.
Auch ist die Vorschrift des § 53 Abs. 2 TGO, wonach die Aufsichtsbeschwerde innerhalb der Kundmachungsfrist eingebracht werden muß, eine bloße Formvorschrift, die eine rasche Reaktion auf gesetzwidrige Gemeinderatsbeschlüsse ermöglichen soll (vgl. Schumacher-Cornet, TGO 19662, S. 66 f).
Auch ein bloß prozessuales Mitwirkungsrecht oder die Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren für sich allein berechtigen nicht zur Erhebung einer Beschwerde, da auch hier wiederum Voraussetzung für die Beschwerdelegitimation die Möglichkeit der Verletzung eines gesetzlich normierten subjektiven Rechtes ist (vgl. hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1969, VwSlg. Nr. 7618/A und Beschluß vom 10. April 1986, Zl. 84/06/0081).
Aus diesen Gründen kommt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Schluß, daß es dem Beschwerdeführer an der entsprechenden Sachlegitimation mangelt, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 VwGG zurückzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere Art. III.
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