VwGH 84/12/0021

VwGH84/12/002113.2.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Närr und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, in der Beschwerdesache des Dr. MS , Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 3. März 1983, Zl. 900.123/1-III 6/83, betreffend Zurückweisung einer gegen den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland gerichteten Beschwerde (mitbeteiligte Partei: Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien I, Rotenturmstraße 13), den Beschluß gefaßt: Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Normen

B-VG Art130 Abs1;
DSt Rechtsanwälte 1872 §1 Abs1;
DSt Rechtsanwälte 1872 §45;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984120021.X00

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- und an die mitbeteiligte Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. September 1982, mit dem seiner Aufsichtsbeschwerde in einer Disziplinarsache nicht Folge gegeben worden war, Beschwerde an die belangte Behörde. Darin führte er aus, die Zulässigkeit der Beschwerde und die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung darüber ergebe sich aus § 1 Abs. 1 und 2 des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, wonach die Aufsicht über die Rechtsanwälte zunächst vom Kammerausschuß ausgeübt werde, aber der belangten Behörde das oberste Aufsichtsrecht zustehe. Da es sich bei dem in Beschwerde gezogenen Beschluß um die Abweisung einer Aufsichtsbeschwerde handle, sei die belangte Behörde als oberstes Aufsichtsorgan zur Prüfung der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses berufen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. September 1982 zurück. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Beschwerde sei nicht zulässig. Die Rechtsanwaltskammern seien Einrichtungen der beruflichen Selbstverwaltung. Auf dem Gebiete der Selbstverwaltung bedürfe es zur Einräumung eines Rechtsmittels an ein Organ der staatlichen Verwaltung einer ausdrücklichen Bestimmung, die einen solchen Rechtszug vorsehe. Der vom Beschwerdeführer genannte § 1 des Disziplinarstatutes räume der belangten Behörde das oberste Aufsichtsrecht über die in die Rechtsanwaltsliste eingetragenen Rechtsanwälte ein. Dieses oberste Aufsichtsrecht erfahre durch § 45 des Disziplinarstatutes eine nähere Umschreibung. Diese Bestimmung sehe vor, daß der Bundesminister für Justiz in Ausübung des obersten Aufsichtsrechtes über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter berechtigt sei, selbst oder durch die von ihm bestellten Organe von der Geschäftsführung des Disziplinarrates sowie von dem Stand der anhängigen Disziplinaruntersuchungen zu jeder Zeit Einsicht zu nehmen und die Beseitigung der wahrgenommenen Gebrechen anzuordnen. Ein Rechtsmittelzug an den Bundesminister für Justiz gegen Entscheidungen von Kammerorganen werde jedoch durch diese Bestimmung nicht eröffnet. Da auch keine andere Bestimmung einen derartigen Rechtsmittelzug vorsehe, sei die Beschwerde zurückzuweisen gewesen.

Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden, gemäß Art. 131 B-VG erhobenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt dessen Aufhebung, allenfalls die belangte Behörde darauf hinzuweisen, den wahrgenommenen Mangel der Rechtsmeinung des Kammerausschusses über die Nichtnotwendigkeit der Bekanntgabe konkreter Verdachtsgründe an den Beschwerdeführer als Beschuldigten zu beseitigen.

Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung des Hauptantrages sowie die Zurückweisung des Eventualantrages des Beschwerdeführers beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift mit Gegenanträgen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer berief sich zur Zulässigkeit der von ihm an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde auf die folgenden Bestimmungen des Disziplinarstatutes der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Gesetz vom 1. April 1872, RGBl. Nr. 40, betreffend die Handhabung der Disziplinargewalt über Advokaten und Advokaturskandidaten):

"§ 1 Abs. 1: Die Aufsicht über die in die Rechtsanwaltsliste eingetragenen Rechtsanwälte wird zunächst von dem Ausschusse der betreffenden Rechtsanwaltskammer ausgeübt.

Abs. 2: Das oberste Aufsichtsrecht steht dem Bundesminister für Justiz zu.

§ 45 Abs. 1: Der Bundesminister für Justiz ist in Ausübung des obersten Aufsichtsrechtes über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter berechtigt, selbst oder durch die von ihm bestellten Organe von der Geschäftsführung des Disziplinarrates, sowie von dem Stande der anhängigen Disziplinaruntersuchungen zu jeder Zeit Einsicht zu nehmen und die Beseitigung der wahrgenommenen Gebrechen anzuordnen.

Abs. 2: Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer hat zu Ende eines jeden Jahres dem Bundesminister für Justiz ein Verzeichnis der bei dem Disziplinarrate angebrachten Anzeigen, sowie der erledigten und der noch anhängigen Untersuchungen vorzulegen.

Abs. 3: Dem Bundesminister für Justiz steht das Recht zu, den Disziplinarrat einer Rechtsanwaltskammer unter gleichzeitiger Anordnung einer Neuwahl aufzulösen."

Weder aus den genannten Bestimmungen noch aus den übrigen Normen dieses Gesetzes ergibt sich ein individueller Rechtsanspruch auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes. Der Beschwerdeführer konnte schon aus diesem Grund dadurch, daß die Erlassung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung von der belangten Behörde abgelehnt wurde, nicht in seinen Rechten verletzt werden. Der Umstand allein, daß die auf die Anrufung des Aufsichtsrechtes hin tätig gewordenen Behörden die Verständigung des Beschwerdeführers über die Ablehnung der Handhabung des Aufsichtsrechtes irrtümlich in Bescheidform ergehen ließen, vermag die Beschwerdeberechtigung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu begründen (vgl. Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1949, Zl. 1197/49, Slg. N. F. Nr. 919/A, und vom 5. Mai 1953, Zl. 2822/52, Slg. N. F. Nr. 2962/A, sowie Erkenntnis vom 28. April 1954, Zl. 1536/51, Slg. N. F. Nr. 934/F). Nach dieser Rechtsprechung kann in einer Erledigung, in der eine Behörde dem Beschwerdeführer in welcher Form immer mitteilt, daß sie sich nicht veranlaßt sehe, von ihrem Aufsichtsrecht Gebrauch zu machen, kein Bescheid erblickt werden. Daran vermag weder die Bezeichnung als "Bescheid" noch die beigefügte Begründung etwas zu ändern.

Die Beschwerde mußte daher mangels Berechtigung zur Beschwerdeführung ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 als unzulässig zurückgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 13. Februar 1984

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