VwGH 92/18/0514

VwGH92/18/05146.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. Oktober 1992, Zl. Ge-52.486/4-1992/Pan/Ra, betreffend Übertretung des Mutterschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs3;
AZG §26 Abs1;
AZG §26 Abs2;
VStG §21;
VStG §9 Abs4;
VStGNov 1983;
AVG §45 Abs3;
AZG §26 Abs1;
AZG §26 Abs2;
VStG §21;
VStG §9 Abs4;
VStGNov 1983;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (H-Gesellschaft m.b.H.), die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft (H-Kommanditgesellschaft mit Sitz in S) sei, zu verantworten, daß im Dezember 1989 in einer Betriebstätte der Kommanditgesellschaft (U) eine namentlich genannte Beschäftigte als werdende Mutter an 9 Tagen jeweils 10 Stunden zu Arbeitsleistungen herangezogen wurde, obwohl werdende und stillende Mütter über die kollektivvertraglich festgesetzte höchstzulässige tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden hinaus nicht beschäftigt werden dürfen. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 8 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 Mutterschutzgesetz begangen. Wegen dieser Übertretung wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 2.500,-- verhängt. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden wurde festgesetzt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß die objektive Tatseite aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates als erwiesen anzusehen sei. Der Beschwerdeführer sei nachweislich aufgefordert worden, die zutreffenden Arbeitszeitaufzeichnungen vorzulegen. Er sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Dies habe im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis geführt, daß die vom Arbeitsinspektorat angeführten Arbeitszeiten als zutreffend zu erachten seien. Die Einvernahme der werdenden Mutter in diesem Zusammenhang sei entbehrlich gewesen.

Zur subjektiven Tatseite sei festzustellen, daß der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen das zur Vertretung nach außen berufene Organ der Kommanditgesellschaft sei. Zu prüfen bleibe, ob eine Bestellung gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten oder eine Bevollmächtigung gemäß § 37 Abs. 1 Mutterschutzgesetz erfolgt sei. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten bedürfe zu ihrer Rechtswirksamkeit der nachweislichen Zustimmung des Beauftragten. Diese Zustimmung sehe der Beschwerdeführer in dem mit M. abgeschlossenen Dienstvertrag. Diesem Dienstvertrag sei jedoch keine Anordnungsbefugnis des M. zu entnehmen. Andere Beweise aus der Zeit vor Begehung der Tat seien nicht angeboten worden. Eine rechtswirksame Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten sei daher nicht erfolgt. Ebensowenig sei eine Bevollmächtigung im Sinne des § 37 Abs. 1 Mutterschutzgesetz nachgewiesen.

Da keine rechtswirksame Beauftragung bzw. Bevollmächtigung nachgewiesen werde habe können, sei der Beschwerdeführer für die gegenständliche Übertretung verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Die verhängte Geldstrafe sei dem Unrechts- und Schuldgehalt angemessen und unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers als nicht überhöht zu bezeichnen. Der Strafbemessung werde ein monatliches Nettoeinkommen von S 25.000,--, kein Vermögen und keine Sorgepflicht zugrundegelegt. Im Hinblick auf diese Umstände und einen Strafrahmen bis zu S 15.000,-- sei die verhängte Strafe als zumutbar zu erachten. Unter Berücksichtigung der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, sei die verhängte Strafe als angemessen zu bezeichnen. Bei der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei durch das Beweisverfahren nicht gedeckt, daß die Betriebsstätte in U eine weitere Betriebsstätte der H Kommanditgesellschaft mit Sitz in S sei. Es könnte sein, daß diese Betriebsstätte eine solche der H Kommanditgesellschaft, Zweigniederlassung S, sei.

Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde zu Recht die - in der Berufung unbekämpft gebliebene - Feststellung der Behörde erster Instanz, die Betriebsstätte in U sei eine weitere Betriebsstätte der H Kommanditgesellschaft mit Sitz in S, übernahm, weil im Verfahren von einer

"H Kommanditgesellschaft, Zweigniederlassung S", nie die Rede war. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen verstößt daher gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates als erwiesen angenommen habe. Richtig sei, daß er die entsprechenden Arbeitszeitaufzeichnungen nicht vorgelegt habe. Die belangte Behörde hätte aufgrund dieses Umstandes das Arbeitsinspektorat auffordern müssen, die Beweise vorzulegen, aufgrund derer es die einzelnen Verwaltungsübertretungen angezeigt habe. Vor allem im Hinblick darauf, daß der belangten Behörde lediglich die Anzeige des Arbeitsinspektorates hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen vorgelegen sei, hätte die belangte Behörde die Pflicht gehabt, die werdende Mutter einzuvernehmen.

Der Beschwerdeführer vermag damit keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer übersieht, daß das Arbeitsinspektorat laut Anzeige vom 26. Jänner 1990 bei einer Überprüfung der Arbeitszeitunterlagen der Arbeitnehmer dieses Unternehmens die Überschreitung der täglichen Arbeitszeit festgestellt hat. Aus dem im § 26 Abs. 1 AZG umschriebenen Zweck der Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen und der im § 26 Abs. 2 leg. cit. normierten Pflicht, der Arbeitsinspektion Einsicht in diese Aufzeichnungen zu gewähren, folgt, daß sich der Arbeitgeber in der Regel nicht als beschwert erachten kann, wenn die Behörden von der Richtigkeit der dem Arbeitsinspektor vorgewiesenen Aufzeichnungen ausgehen. Die Unrichtigkeit dieser Aufzeichnungen wird in der Beschwerde gar nicht behauptet. Auch im Verwaltungsverfahren brachte der Beschwerdeführer nicht konkret vor, inwieweit die ihm angelasteten Arbeitszeitüberschreitungen objektiv nicht zuträfen.

Unberechtigt ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, es liege darin, daß die belangte Behörde ihre Auffassung, dem Dienstvertrag, abgeschlossen zwischen der Kommanditgesellschaft und MT., könne eine ensprechende Anordnungsbefugnis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG nicht entnommen werden, nicht zur Kenntnis gebracht habe, um ihm Gelegenheit zu geben, andere dienliche Beweismittel anzubieten, eine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG, wonach den Parteien Gelegenheit zu geben ist, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen, liegt nämlich jedenfalls dann nicht vor, wenn das Beweismittel von der Partei selbst stammt; die Würdigung des Beweismittels selbst und die darauf gestützte rechtliche Schlußfolgerung ist nicht als "Ergebnis der Beweisaufnahme" im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG zu verstehen und muß daher auch der Partei nicht zur Kenntnis gebracht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1986, Zl. 85/11/0025). Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß der vorgelegte Dienstvertrag aus der Zeit vor der VStG-Novelle 1983 stammt und - da damals das Rechtsinstitut des verantwortlichen Beauftragten noch nicht bestanden hatte - nicht als Zustimmungsnachweis i.S. des § 9 Abs. 4 VStG gewertet werden kann. Mit einer nach der Tat abzulegenden Zeugenaussage kann dieser Nachweis gleichfalls nicht erbracht werden.

Die Berufung des Beschwerdeführers auf einen schuldausschließenden Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG geht schon deswegen fehl, weil den Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. die Pflicht trifft, sich über die auf dem Gebiete seines Berufes erlassenen Vorschriften zu unterrichten.

Der Beschwerdeführer vermag auch keine Rechtswidrigkeit der Strafbemessung aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat den Umstand, daß der Beschwerdeführer bisher noch wegen keiner Verwaltungsübertretung bestraft wurde, ohnehin zu seinen Gunsten berücksichtigt. Wenn sie ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 25.000,--, kein Vermögen und keine Sorgepflichten, bei einem Strafrahmen bis zu S 15.000,-- eine Geldstrafe von S 2.500,-- verhängte, ist darin kein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Ermessensfehler zu erkennen.

Die Beschwerde meint, die belangte Behörde hätte es im gegenständlichen Fall auch mit einer Ermahnung im Sinne des § 21 Abs. 2 VStG bewenden lassen müssen.

Nach § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt daher nur in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1988, Zl. 86/08/0073). Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall (Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit an 9 Tagen) nicht gegeben. Fehlt es aber am Kriterium des geringfügigen Verschuldens, dann braucht das Vorliegen des weiteren Kriteriums nicht mehr geprüft werden.

Aus den dargelegten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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