VwGH 92/12/0254

VwGH92/12/025418.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des T in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. September 1992, Zl. 124.041/3-II/2/92, betreffend Nebenbeschäftigung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §56 Abs2;
DO Wr 1966 §23;
BDG 1979 §56 Abs2;
DO Wr 1966 §23;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Bundespolizeidirektion Linz.

Am 2. März 1992 meldete der Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion Linz, daß er wegen der Möglichkeit eines Zusatzverdienstes eine Nebenbeschäftigung im Stadtgebiet Linz als Abonnementverkäufer für die "Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN)" angenommen habe. Als Ausmaß der Nebenbeschäftigung gab er an, es sei eine freie Zeiteinteilung in der Freizeit möglich. In der am selben Tag aufgenommenen Niederschrift führte er aus, daß seine Tätigkeit darin bestehe, Leser, die die OÖN im Rahmen einer Postwurfaktion drei Wochen lang gratis bezogen haben, aufzusuchen, über ihre Meinung zu befragen, und ihnen ein Abonnement zu verkaufen. Dabei bestehe kein Kontakt zwischen ihm und der Redaktion der OÖN, weil er nur mit der Vertriebsabteilung zusammenarbeite. Das Kriminalbeamteninspektorat der Bundespolizeidirektion Linz führte in seiner Stellungnahme aus, der Beschwerdeführer, der als Kriminalbeamter in der Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz tätig sei, müsse durch die Tätigkeit als Abonnementverkäufer mit einem von ihm nicht vorher bestimmbaren Personenkreis in Kontakt treten, um Aufträge zu erlangen. Dies schließe daher nicht aus, daß er auch mit Personen Gespräche zu führen habe, die ihn als Kriminalbeamten erkennen könnten. Bei der Tätigkeit eines Abonnementverkäufers müsse eine Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen angenommen werden. Der Dienststellenausschuß für die Bediensteten des Kriminaldienstes vertrat hingegen in seiner Stellungnahme vom 24. März 1992 die Ansicht, daß die Nebenbeschäftigung zu genehmigen sei, weil der Beschwerdeführer an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht behindert sei und auch eine Befangenheit nicht hervorgerufen werde, weil er im Auftrag der OÖN handle und es sich dabei um eine seriöse Zeitung handle. Schließlich gab der Beschwerdeführer auf Anfrage bekannt, daß seine Tätigkeit als Abonnementverkäufer teils durch ein Fixum und teils durch Provision entlohnt werde.

Nach Einräumung des Parteiengehörs erließ die Bundespolizeidirektion Linz am 10. April 1992 einen Bescheid, mit dem sie dem Beschwerdeführer die Ausübung der angezeigten Nebenbeschäftigung mit der Begründung untersagte, daß sie geeignet sei, die Vermutung der Befangenheit bei der Ausübung seines Dienstes hervorzurufen, weil er diese Nebenbeschäftigung im Stadtgebiet von Linz ausübe und sich diese Tätigkeit auf einen nicht vorher bestimmbaren Personenkreis beziehe, der grundsätzlich auch für ein dienstliches Einschreiten des Beschwerdeführers als Kriminalbeamter der Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz in Betracht komme und von dem letztlich der finanzielle Erfolg seiner Nebenbeschäftigung, die auf Art einer Provisionsbasis entlohnt werde, abhänge.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, seine Tätigkeit als Kriminalbeamter der Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz beziehe sich - wie schon dem Auszug aus dem Organisations- und Geschäftsplan der Bundespolizeidirektion zu entnehmen sei - auf Dienst- und Diplomatenpaßinhaber. Der von ihm zu überwachende Personenkreis bestehe aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie Bundespräsident, Landeshauptmann, Bürgermeister, Stadträte und ausländische Persönlichkeiten, die nicht Zielgruppe der OÖN seien, sodaß er schon aus diesem Grunde durch seine Nebenbeschäftigung mit diesen nicht in Kontakt trete. Dazu komme noch, daß der Personenkreis, auf den sich seine Nebenbeschäftigung beziehe, vor Beginn seiner Tätigkeit als Abonnementwerber genau vorher bestimmbar sei. Aufgrund des Werkvertrages liege auch keine persönliche Arbeitsverpflichtung vor und er habe auch die Möglichkeit, das Aufsuchen bestimmter Personen ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und in der Begründung nach Wiedergabe der Rechtslage ausgeführt, daß es zwar zutreffend sei, daß sich die dienstliche Tätigkeit des Beschwerdeführers auf den von ihm beschriebenen Personenkreis beziehe, damit sei für ihn deshalb nichts gewonnen, weil nichts dagegen spreche, daß auch Angehörige dieses Personenkreises als Abonnenten der OÖN anzuwerben sein könnten und sich sein dienstlicher Aufgabenbereich nicht auf diesen Personenkreis beschränke, weil es sowohl bei Erhebungen in bezug auf diese Personen bzw. bei Über- oder Bewachungseinsätzen nahezu unvermeidlich sei, daß er auch mit anderen Personen in Kontakt komme, die Gegenstand seiner Nebenbeschäftigung sein könnten. Hiezu komme noch, daß seine Nebenbeschäftigung teilweise auf Provisonsbasis vergütet werde, sodaß der wirtschaftliche Erfolg von Personen abhänge, die durchaus Gegenstand seines dienstlichen Einschreitens sein könnten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, daß ihm nicht eine im Sinne des § 56 BDG 1979 zulässige Nebenbeschäftigung untersagt werde, sowie durch unrichtige Anwendung dieser Norm und der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39, 60 AVG) verletzt.

Gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 darf der Beamte keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung einer Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.

Demnach genügt, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, bereits die Verwirklichung einer der drei Voraussetzungen, um die Ausübung einer bestimmten Nebentätigkeit durch einen Beamten als unzulässig erscheinen zu lassen. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 31. Jänner 1983, Zl. 82/12/0098, und vom 14. Mai 1984, Zl. 83/12/0110), daß die Vermutung der Befangenheit im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 nicht nur eine bloß abstrakt-denkmögliche sein darf, um die Untersagung einer Nebenbeschäftigung zu rechtfertigen, sondern vielmehr stichhaltig und auf den Erfahrungen des täglichen Lebens aufbauend begründet werden muß. Es ist aber für die Untersagung einer Nebenbeschäftigung nicht notwendig, daß dadurch bei den dienstlichen Verrichtungen des Beamten TATSÄCHLICH eine Befangenheit hervorgerufen wird.

Eine Nebenbeschäftigung ist vielmehr schon dann unzulässig, wenn durch ihre Ausübung in der Bevölkerung der Eindruck erweckt werden könnte, daß der Beamte bei der Versehung seines Dienstes nicht völlig unbefangen ist. Das Gesetz will nämlich verhindern, daß ein Beamter auf Grund der Ausübung einer Nebenbeschäftigung in Situationen gerät, in denen seine Fähigkeit zur unparteiischen Entscheidung gehemmt sein könnte, und daß eine solche Beschäftigung dem von der dienstlichen Tätigkeit des Beamten berührten Personenkreis Anlaß gibt, an der Objektivität der Amtsführung Zweifel zu hegen.

Der Beschwerdeführer bestreitet, daß seine Nebenbeschäftigung den Eindruck seiner Befangenheit erwecken könnte. Er bringt vor, daß die Personen, auf die sich seine dienstliche Tätigkeit unmittelbar beziehe (vereinfacht gesagt: Prominente), im Rahmen der Nebenbeschäftigung von ihm überhaupt nicht zu kontaktieren seien und er seinen diesen Personenkreis betreffenden Dienst in keiner Weise anders ausüben würde, wäre er mit einem seiner Familienangehörigen wegen eines Abonnements in Kontakt gekommen, gleichgültig ob ein Abonnement abgeschlossen oder abgelehnt worden wäre. Das gelte auch für alle anderen Personen, mit denen er - abgesehen von den Prominenten - in Kontakt komme, weil er auch diesem Personenkreis gegenüber keine behördlichen Akte zu setzen habe und diese Kontakte auch so flüchtig seien oder auf einen so engen Personenkreis beschränkt, daß hieraus keine relevante Überschneidung mit der Nebenbeschäftigung resultieren könne. Schon aufgrund der geringen "Kontaktzahlen" finde keine Überschneidung zwischen Dienst- und Nebenbeschäftigung statt, die in relevanter Weise jenen Rahmen übersteige, der sich schon allein aus dem gewöhnlichen Beziehungsgeflecht ergebe, wobei auch der Natur der dienstlichen Kontakte gemäß jede Befangenheitsvermutung ausgeschlossen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet dieser Auffassung des Beschwerdeführers bei. Die Ausübung der Nebenbeschäftigung des Verkaufes von Abonnements einer angesehenen Tageszeitung durch einen Krinminalbeamten mit beruflichen Kontakten, die sich auf einen äußerst eingeschränkten Personenkreis beziehen, wobei der Beamte noch dazu die Möglichkeit hat, diese Nebenbeschäftigung nicht persönlich auszuüben und das Aufsuchen bestimmter Personen abzulehnen, vermag den Anschein von Befangenheit nicht zu begründen. Der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichhtshofes folgend, müßte nämlich eine besondere Nahebeziehung zwischen den konkreten Dienstpflichten des Beschwerdeführers und der Nebenbeschäftigung bestehen. Eine solche besondere Nahebeziehung, die zwangsläufig und wiederholend Überschneidungen des dienstlichen und des Nebenbeschäftigungsbereiches bedingen würde, ist aber im Beschwerdefall nicht gegeben.

Bei Zugrundelegung der aus dem angefochtenen Bescheid erkennbaren Rechtsauffassung der belangten Behörde hinsichtlich der Vermutung der Befangenheit müßte nicht nur annähernd jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung, sondern überhaupt jede Nebenbeschäftigung, die in Kontakten mit anderen Menschen besteht, untersagt werden. Ein solcher Sinn kann aber der Regelung hinsichtlich der Befangenheit im § 56 Abs. 2 BDG 1979 nicht unterstellt werden (vgl. Erkenntnis vom 18. November 1985, Zl. 85/12/0145).

Auf der Grundlage des im Beschwerdefall angenommenen Sachverhaltes vermag der Verwaltungsgerichtshof der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, daß die gegenständliche Nebenbeschäftigung die Vermutung der Befangenheit des Beschwerdeführers hervorruft, nicht zu folgen. Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

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