VwGH 92/03/0251

VwGH92/03/025116.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der Stadtgemeinde X, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Oktober 1992, Zl. 11-14 L 23-92/1, betreffend eine Angelegenheit der Straßenverkehrsordnung (mitbeteiligte Parteien: E, R und G, sämtliche in G und vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
GdO Stmk 1967 §64 Abs2;
AVG §56;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
GdO Stmk 1967 §64 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei welcher Dr. D, ein Bediensteter der beschwerdeführenden Gemeinde, Verhandlungsleiter im Sinn des § 43 Abs. 1 AVG war, erließ der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde einen Bescheid, mit welchem die mitbeteiligten Parteien gemäß § 33 Abs. 1 StVO verpflichtet wurden, die Anbringung eines Beleuchtungskörpers der öffentlichen Beleuchtung einer Gemeindestraße an einer bestimmten Stelle der Fassade eines in ihrem Eigentum stehenden Gebäudes zu dulden. Sachbearbeiter und damit Ersteller des Bescheidentwurfes war wiederum Dr. D.

Die mitbeteiligten Parteien erhoben Berufung an den Gemeinderat. Mit Bescheid des Gemeinderates vom 15. Juni 1992, Zl. 20 Sta 2/9 - 1992, welcher Dr. D als Sachbearbeiter ausweist, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dr. D ist nicht Mitglied des Gemeinderates.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung rügten die mitbeteiligten Parteien unter anderem als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß das für die Verwaltungsbehörde im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordene Verwaltungsorgan Dr. D auch als Verwaltungsorgan, nämlich Bescheidverfasser, für die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz tätig geworden sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit an diesen zur neuerlichen Entscheidung. Begründend führte sie aus, sowohl bei Erlassung des Bescheides in erster Instanz als auch bei Erlassung der Berufungsentscheidung habe dasselbe Verwaltungsorgan an der Entscheidung mitgewirkt. Da somit ein Verwaltungsorgan trotz Vorliegens eines Befangenheitsgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Z 5 AVG bei Erlassung der Berufungsentscheidung mitgewirkt habe, sei das Verfahren mangelhaft gewesen.

In der gemäß Art. 119 a Abs. 9 B-VG iVm § 105 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides eingewendet.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 5 AVG haben sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes im Berufungsverfahren zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides in unterer Instanz mitgewirkt haben. Die unzulässige Betätigung eines befangenen Organs stellt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar.

Gegen letztinstanzliche Bescheide der Gemeinde in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereich der Landesvollziehung kann Vorstellung an die Landesregierung als Aufsichtsbehörde erhoben werden (Art. 119a Abs. 5 B-VG iVm § 94 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung). Gemäß § 94 Abs. 4 der Steiermärkischen Gemeindeordnung hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen, wenn Rechte des Einschreiters durch den Bescheid verletzt werden. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften hat dann zur Aufhebung des Bescheides der Gemeinde zu führen, wenn sie für den Inhalt des Bescheides relevant war (vgl. Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts 5, Rz 564).

Der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z 5 AVG im Berufungsverfahren liegt nur vor, wenn der Organwalter in unterer Instanz in der Form an der Erlassung des Bescheides mitgewirkt hat, daß der Bescheid ganz oder teilweise auf seinem Willensakt basiert (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1964, Slg. 6461/A). Unter Mitwirkung an der Erlassung des Bescheides ist somit die Teilnahme an der Erzeugung des den förmlichen Verwaltungsakt darstellenden Spruches, nicht aber eine bloße Beteiligung an dem der Erlassung des Bescheides vorangegangenen Verwaltungsverfahren zu verstehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1972, Zl. 256/71).

Im gegenständlichen Fall mag zutreffen, daß Dr. D Verwaltungsorgan iSd § 7 Abs. 1 AVG war, wie dies die mitbeteiligten Parteien in ihrer Gegenschrift vorbringen. Entscheidend ist aber, daß der erstinstanzliche Bescheid, welcher der Behörde "Bürgermeister" zuzurechnen ist, durch Entscheidung des entsprechenden Organwalters (Bürgermeister Dir. R. B.) erlassen worden ist, der Bescheid stellt daher den Willensakt dieses Organwalters dar. Wenn auch Dr. D als Leiter einer mündlichen Verhandlung tätig war und den Entwurf des Bescheides erstellt hat, lag doch die Entscheidung ausschließlich bei Bürgermeister Dir. R. B., es lag kein Fall der Vertretung des Bürgermeisters durch Bedienstete der Gemeinde im Sinne des § 64 Abs. 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung vor. Dr. D hat somit an der Erlassung des Bescheides im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 5 AVG nicht mitgewirkt. Da dies die belangte Behörde verkannte, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da die Beschwerdeführerin gemäß § 2 Z 2 GebG 1957 von der Entrichtung der Gebühr befreit ist, war kein Ersatz der Stempelgebühren zuzusprechen.

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