VwGH 91/19/0358

VwGH91/19/035813.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der X-AG, Zweigniederlassung G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 12. September 1991, Zl. 314.558/1-III-3/91, betreffend gewerbebehördliche Genehmigung einer Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 19. September 1990 wurde gemäß den §§ 74 und 77 in Verbindung mit § 359 Abs. 1 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die gewerbebehördliche Genehmigung für einen näher bezeichneten Einkaufsmarkt erteilt. Der Bescheid enthält unter Punkt 9 die Auflage, daß im Verkaufsraum die natürliche Belichtungsfläche ein Mindestausmaß von 114 m2 zu betragen habe.

In der Begründung dieses Bescheides gab die erstinstanzliche Behörde die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates wieder, wonach das Ausmaß der Belichtungsflächen mit 80 m2 unterdimensioniert und im Hinblick auf die Verkaufsfläche (1144 m2) ein Mindestausmaß von 114 m2 erforderlich sei, ferner die Stellungnahme der Beschwerdeführerin, daß diesbezüglich noch um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung angesucht werde, worin auch die Begründung dafür angeführt werde, und führte abschließend aus, daß den Anträgen des Arbeitsinspektorates im Hinblick auf die §§ 8 Abs. 1 und 10 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) stattzugeben gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte gegen die oben beschriebene Auflage ins Treffen, daß ein Teil der Fußbodenfläche ständig verstellt sei, weshalb die bestehenden Lichteintrittsflächen ausreichten. Es sei eine optimale künstliche Beleuchtung vorhanden. Die örtlichen Verhältnisse ließen eine ausschließlich natürliche Beleuchtung nicht zu, sodaß auch die Ausnahmebestimmung des § 8 Abs. 2 und 3 AAV zum Tragen komme.

3. Mit Bescheid vom 14. Februar 1991 gab der Landeshauptmann von Steiermark der Berufung gegen die Vorschreibung der oben bezeichneten Auflage Folge und sprach aus, daß diese Auflage zu entfallen habe. Die Auflage Nr. 8 wurde abgeändert und der übrige Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, bei der genannten Auflage handle es sich im wesentlichen um die Wiedergabe des § 8 Abs. 1 AAV. Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 seien Auflagen nur dann erforderlichenfalls vorzuschreiben, wenn hiemit entsprechenden Gefährdungen oder Belästigungen entgegengewirkt werde. Solche Auflagen hätten bestimmt, geeignet und dem jeweiligen Einzelfall angepaßt zu sein. Die Wiedergabe von Gesetzes- bzw. Verordnungsstellen in Auflagenform erscheine nicht nötig, da sich diese Verpflichtungen ohnedies unmittelbar aus den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen ergäben und diese vom Konsenswerber kraft unmittelbarer Anwendbarkeit zu beachten seien. Im gegenständlichen Fall sei jedoch aus gegebenem Anlaß zu bemerken, daß hinsichtlich der Belichtung der Arbeitsräume die Ausnahmebestimmung des § 8 Abs. 2 AAV zur Anwendung gelangen könne, weil es sich bei dem gegenständlichen Einkaufsmarkt um ein Gebäude im dicht verbauten Ortskern handle. Das Gebäude befinde sich in einem im Flächenwidmungsplan als Kerngebiet ausgewiesem Gebiet, für welches eine maximale Bebauungsdichte von 1,0 festgelegt worden sei.

4. Auf Grund der vom Arbeitsinspektorat gegen den Entfall der Auflage erhobenen Berufung erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (die belangte Behörde) den Bescheid vom 12. September 1991 mit folgendem Spruch:

"Der angefochtene Bescheid wird im Umfange seiner Anfechtung, d.h., insoweit er über die unter Punkt 9) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft vom 19.9.1990, Zl. 4.1 S13-88, vorgeschriebene Auflage abspricht, im Grunde des § 59 AVG 1950 behoben."

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhaltes der §§ 59 Abs. 1 und 60 AVG sowie des § 8 Abs. 1 und 2 AAV aus, Aufgabe der Begründung eines Bescheides sei es im Regelfall lediglich, Aufschluß über die maßgeblichen Erwägungen der Behörde, die zu einem bestimmten Spruch geführt haben, zu geben. Allerdings sei ein Bescheid jedoch als Ganzes zu beurteilen und es sei daher für die Lösung der Frage, inwieweit die Absicht bestanden habe, in einem Bescheid über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen, nicht nur vom Spruch des Bescheides auszugehen, sondern zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Die Behebung der Auflage sei mit widersprüchlichen Begründungen erfolgt. Einerseits sei die Vorschreibung der Auflage als unnötig bezeichnet worden, weil der Konsenswerber ohnedies an den Inhalt der Verordnung gebunden sei, andererseits seien die Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung gemäß § 8 Abs. 2 AAV erfüllt, weshalb der Konsenswerber die in der genannten Auflage gestellten Anforderungen nicht zu erfüllen brauche. Der Spruch des angefochtenen Bescheides im Zusammenhang mit den tragenden Elementen der Begründung sei unschlüssig, da aus diesem nicht hervorgehe, ob der Inhaber der Betriebsanlage nun den Inhalt der behobenen Auflage erfüllen müsse oder nicht. Der unschlüssige Spruch verstoße gegen § 59 Abs. 1 AVG und sei daher zu beheben. Aufgabe des Landeshauptmannes von Steiermark werde es daher sein, unter Beachtung vorstehender Darlegungen neuerlich über die Berufung der Konsenswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 19. September 1990 hinsichtlich der Auflage 9) zu entscheiden.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat.

II.

1. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Eine Aufhebung eines Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG setzt eine Begründung dafür voraus, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht im Zuge des Berufungsverfahrens, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Unterbehörde vorgenommen werden kann (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, unter E. Nr. 2b zu § 66 Abs. 2 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Rechtes auf meritorische Entscheidung, weil die belangte Behörde ohne Vorliegen der Voraussetzungen hiefür nach § 66 Abs. 2 AVG mit einer kassatorischen Entscheidung vorgegangen sei. Er ist damit aus folgenden Erwägungen im Recht:

2.2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde sich zwar einleitend auf § 66 Abs. 4 AVG gestützt, die Behebung "im Grunde des § 59 AVG 1950" ausgesprochen und nicht ausdrücklich die Angelegenheit an den Landeshauptmann von Steiermark verwiesen, doch stellt der angefochtene Bescheid, der die Sache keiner endgültigen meritorischen Erledigung zugeführt hat, seinem Wesen nach eine Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG dar, was sich auch aus dem im letzten Absatz seiner Begründung enthaltenen Hinweis auf die weitere Vorgangsweise des Landeshauptmannes von Steiermark bei der neuerlichen Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid ergibt (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., unter E. Nr. 31 zu § 66 Abs. 2 AVG zitierte Rechtsprechung).

2.3. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde war der Inhalt des Spruches des bei ihr angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark klar. Mit diesem Bescheid wurde die Betriebsanlage im Sinne des erstinstanzlichen Bescheides, mit der Abänderung der Auflage Nr. 8 und unter Entfall der Auflage Nr. 9, gewerbebehördlich genehmigt. Sache des bei der belangten Behörde geführten Berufungsverfahrens war auf Grund der Berufung des Arbeitsinspektorates gegen den Entfall der genannten Auflage die Frage, ob (und in welchem Ausmaß) diese vom Arbeitsinspektorat beantragte Auflage mit dem Genehmigungsbescheid vorzuschreiben ist. Darüber hätte die belangte Behörde entscheiden müssen und sich nicht damit begnügen dürfen, die Begründung des bei ihr angefochtenen Bescheides als widersprüchlich zu bezeichnen und diesen ohne Vorliegen der Voraussetzungen hiefür nach § 66 Abs. 2 AVG aufzuheben.

Daß es sich bei dem angefochtenen Bescheid - entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift - trotz der Zitierung des § 66 Abs. 4 AVG seinem Wesen nach um eine Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG handelt, wurde bereits unter Punkt II. 2.2. ausgeführt.

3. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich darauf, daß die Umsatzsteuer im zuerkannten Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist und an Stempelgebührenersatz nur S 300,-- (S 240,-- Eingabengebühr und S 60,-- Beilagengebühr) zuerkannt werden konnten.

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