VwGH 93/18/0273

VwGH93/18/02738.7.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in der Türkei, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 16. September 1992, Zl. 3-50-07/92/E2, betreffend Festnahme gemäß § 14e Fremdenpolizeigesetz,

Normen

FrPolG 1954 §14b Abs1 Z4;
FrPolG 1954 §14e;
VStG §35;
FrPolG 1954 §14b Abs1 Z4;
FrPolG 1954 §14e;
VStG §35;

 

Spruch:

A. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen den vom angefochtenen Bescheid nicht erfaßten Zeitraum der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft richtet, zurückgewiesen.

B. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 16. September 1992 wurde die am 9. September 1992 erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen die am 8. September 1992 gegen 18.20 Uhr erfolgte Festnahme und die daran anschließende Anhaltung bis zur Verhängung der Schubhaft über ihn am 9. September 1992 gegen 10.35 Uhr gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß anläßlich einer - auf einen telefonischen Hinweis vom 4. September 1992 zurückzuführenden - Kontrolle des Beschwerdeführers durch Gendarmeriebeamte am 8. September 1992 von diesen festgestellt worden sei, daß im Reisepaß des Beschwerdeführers weder ein Einreisestempel noch ein österreichischer Sichtvermerk enthalten sei. Gleichzeitig sei ermittelt worden, daß der Beschwerdeführer seit Juli 1991 in Lustenau polizeilich gemeldet sei. Daraufhin sei unter Hinweis auf die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes gegen 18.20 Uhr die Festnahme des Beschwerdeführers ausgesprochen und dieser zunächst zum Gendarmerieposten Lustenau und anschließend in die Arrestzelle der Marktgemeinde Lustenau verbracht worden. Am 9. September 1992 zwischen 8.30 Uhr und 9.00 Uhr sei der Beschwerdeführer erstmals dem zuständigen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vorgeführt worden. Da sich noch ergänzende Ermittlungen als notwendig erwiesen hätten, sei der Beschwerdeführer - nach seiner Zurückstellung zum Gendarmerieposten - gegen 10.00 Uhr neuerlich der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vorgeführt worden. Gegen

10.35 Uhr sei über den Beschwerdeführer bescheidmäßig die Schubhaft verhängt worden.

Nach Ansicht der belangten Behörde seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Festnahme des Beschwerdeführers gemäß § 14e Fremdenpolizeigesetz gegeben gewesen: Der Beschwerdeführer sei bei Begehung einer Verwaltungsübertretung betreten worden, da die Gendarmen festgestellt hätten, daß der Beschwerdeführer über keinen Sichtvermerk verfüge und sich daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die Festnahme zum Zweck der Vorführung vor die Behörde sei unerläßlich gewesen, da die Ermittlung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers nicht ohne Schwierigkeiten möglich gewesen sei. Dazu komme, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Festnahme schon über ein Jahr illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe. Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer die Absicht gehabt hätte, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen, seien nicht vorgelegen. Die zweimalige Vorführung des Beschwerdeführers am 9. September 1992 sei durch ergänzende Erhebungen zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes bedingt gewesen und begründe keine Rechtswidrigkeit.

Das Beschwerdevorbringen, die Festnahme und Anhaltung gründe sich nicht auf einen Schubhaftbescheid, gehe ins Leere, weil es sich bei der bekämpften Festnahme und Anhaltung nicht um eine Festnahme und Anhaltung in Schubhaft (§ 5a Fremdenpolizeigesetz), sondern um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf der Grundlage des § 14e leg. cit. gehandelt habe.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde, nachdem er deren Behandlung mit Beschluß vom 17. März 1993, B 1740/92-7, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 28. Mai 1993, B 1740/92-9).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht verletzt, daß die belangte Behörde die am 8. September 1992 erfolgte Verhaftung und bis 16.9.1992 andauernde Anhaltung für rechtswidrig erklärt ..."

(Beschwerdepunkt gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG). Er begehrt die Aufhebung des Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was das in der Beschwerde als verletzt bezeichnete Recht (Beschwerdepunkt) anlangt, so ist vorweg festzuhalten, daß sich die angefochtene Entscheidung nach ihrem Spruch im Zusammenhalt mit der Begründung - insoweit der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 9. September 1992 entsprechend - ausschließlich auf die Festnahme am 8. September 1992 gegen

18.20 Uhr und die daran anschließende Anhaltung bis 9. September 1992 gegen 10.35 Uhr (Verhängung und Invollzugsetzung der Schubhaft) bezieht. Da somit die Anhaltung in Schubhaft (Zeitraum vom 9. September 1992, ca. 10.35 Uhr bis 16. September 1992) vom Abspruch des vorliegend bekämpften Bescheides nicht erfaßt ist, kommt die insoweit behauptete Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers von vornherein nicht in Betracht. Dies hat zur Folge, daß die Beschwerde in diesem Umfang mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

2. Zu prüfen bleibt sohin, ob die Festnahme am 8. September 1992 gegen 18.20 Uhr und die Anhaltung bis 9. September 1992 gegen 10.35 Uhr gesetzlich gedeckt war.

2.1. Gemäß § 14e Fremdenpolizeigesetz können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Fremden, den sie bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 14b oder 14c Z. 2 lit. b betreten, zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festnehmen, es sei denn, es wäre aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen, er werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen.

Gemäß § 14b Abs. 1 Z. 4 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

2.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde in bezug auf den Beschwerdeführer das Vorliegen der eine Festnahme nach § 14e leg. cit. rechtfertigenden Gründe bejahen.

Daran, daß der Beschwerdeführer bei Begehung einer Verwaltungsübertretung betreten wurde, bestanden für die belangte Behörde aufgrund des von ihr festgestellten - vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebenen - Sachverhaltes zu Recht keine Zweifel, konnten doch die den Beschwerdeführer kontrollierenden Gendarmen im Hinblick darauf, daß der ihnen ausgehändigte Reisepaß des Beschwerdeführers keinen österreichischen Sichtvermerk enthielt, mit gutem Grund davon ausgehen, daß sie ein als Verwaltungsübertretung zu qualifizierendes Verhalten wahrgenommen haben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0429). Der dazu in der Beschwerde hervorgehobene Umstand, daß der Gendarmerie aufgrund der Anzeige vom 4. September 1992 bereits mehrere Tage vor der Festnahme bekannt gewesen sei, daß sich der Beschwerdeführer "allenfalls illegal in Österreich aufhalte", führt zu keiner anderen Beurteilung, da ungeachtet dieses Umstandes von einer Betretung i.S. des § 14e Fremdenpolizeigesetz erst mit der eigenen Wahrnehmung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die Gendarmen im Zeitpunkt der Kontrolle am 8. September 1992 gesprochen werden konnte.

Die belangte Behörde kam aber auch zutreffend zu dem Ergebnis, daß die Vorführung des Beschwerdeführers vor die Behörde unerläßlich gewesen sei, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern. Dies nicht nur deshalb, weil - wie im angefochtenen Bescheid festgehalten - der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nur mit Schwierigkeiten habe ausgeforscht werden können, sondern auch und vor allem, weil sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Kontrolle bereits über ein Jahr unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hatte. Bei diesem Sachverhalt war die Vorführung des Beschwerdeführers vor die Behörde für die Sicherung des gegen ihn durchzuführenden Strafverfahrens, insbesondere zur Verhinderung gleichartigen strafbaren Handelns, unerläßlich (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 92/18/0429). Daß bestimmte Tatsachen vorgelegen wären, welche die belangte Behörde zur Annahme hätte gelangen lassen müssen, der Beschwerdeführer werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen, wurde von ihm selbst nicht behauptet.

2.3. Entgegen der Auffassung der Beschwerde entbehrte die Festnahme zum Zweck der Vorführung vor die Behörde nicht im Hinblick darauf der gesetzlichen Deckung, daß zwischen der Festnahme des Beschwerdeführers und der Vorführung eine Nacht lag. Zur Hintanhaltung weiteren gleichartigen strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers war die Vorführung unerläßlich; diese Notwendigkeit konnte nicht dadurch wegfallen, daß die Vorführung erst am Vormittag des der Festnahme folgenden Tages möglich war. Zum Beschwerdehinweis unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 3 des BVG BGBl. Nr. 684/1988, daß die Festnahme des Beschwerdeführers das dort verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzte, ist festzuhalten, daß darüber nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern der Verfassungsgerichtshof zu befinden hat. Schließlich hat die belangte Behörde zutreffend keine Rechtswidrigkeit der auf § 14e Fremdenpolizeigesetz gestützten Festnahme darin erblickt, daß von der für das Strafverfahren zuständigen Behörde - mit dem Erfordernis ergänzender Ermittlungen nachvollziehbar begründet - in kurzem zeitlichen Abstand eine zweimalige Vorführung des Beschwerdeführers angeordnet worden war, ist doch die Formulierung "einer ... Vorführung" nicht der Inhalt beizumessen, daß lediglich eine einzige Vorführung zulässig wäre.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde, soweit sie nicht mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war (oben II.1.), gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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