Normen
EStG 1988 §16 Abs1 Z1;
EStG 1988 §19 Abs2;
EStG 1988 §29 Z2;
EStG 1988 §30 Abs1;
EStG 1988 §30 Abs4;
EStG 1988 §16 Abs1 Z1;
EStG 1988 §19 Abs2;
EStG 1988 §29 Z2;
EStG 1988 §30 Abs1;
EStG 1988 §30 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin kaufte 1989 einen Hälfteanteil an einer Liegenschaft, den sie 1991 (infolge einer Ehescheidung) wiederum verkaufte. Aus diesem Verkauf erklärte sie für 1991 sonstige Einkünfte gemäß § 29 Z. 2 in Verbindung mit § 30 EStG 1988.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde bei der Berechnung der Spekulationseinkünfte den von der Beschwerdeführerin begehrten Abzug der Finanzierungskosten (insbesondere Zinsen aus Bauspardarlehen). Es handle sich weder um Anschaffungs- noch um Werbungskosten.
Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "gesetzmäßige Anwendung des Einkommensteuergesetzes" verletzt. Sie beantragt, die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist die Abzugsfähigkeit von Finanzierungskosten
bei der Berechnung von Spekulationseinkünften.
Zu § 30 Abs 4 EStG 1972 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 1978, 1006/76, Slg. 5307/F, ausgesprochen, daß im Falle einer Darlehensaufnahme zur Vornahme einer Anschaffung die Verausgabung des Darlehensgeldes für die Anschaffung des Wirtschaftsgutes zu Anschaffungskosten führe. Die spätere Rückzahlung des Darlehens bewirke hingegen keinen Anschaffungsaufwand mehr - dieser werde bereits mit den zum Erwerb des Wirtschaftsgutes aufgewendeten Beträgen getätigt - und führe demgemäß auch nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, möge auch das Darlehen mit einem höheren Betrag zurückzuzahlen sein, als seinerzeit für die Anschaffung des Wirtschaftsgutes aufzuwenden gewesen sei. Unmaßgeblich sei dabei, daß der Steuerpflichtige eine Liegenschaft ohne das nur unter den vorgesehenen Bedingungen gewährte Darlehen nicht hätte erwerben können; denn die Notwendigkeit dieser Fremdmittelfinanzierung und die Bedingungen, die im Hinblick auf diese Notwendigkeit in Kauf zu nehmen gewesen seien, änderten ebenfalls nichts daran, daß nur den unmittelbar für den Erwerb des Wirtschaftsgutes notwendigen Aufwendungen die Eigenschaft von Anschaffungskosten zukomme. Bei der Betrachtung des Werbungskostenbegriffes im Rahmen des § 30 Abs 4 EStG 1972 sei zu berücksichtigen, daß die Spekulationseinkünfte nicht durch Nutzung des Wirtschaftsgutes, sondern durch dessen Veräußerung erzielt würden. Als Werbungskosten könnten daher nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden, die durch das Veräußerungsgeschäft verursacht worden seien, wie z.B. Kosten für Zeitungsanzeigen, Vermittlungsprovisionen, Vertragserrichtungskosten, vom Verkäufer übernommene Steuern und Gebühren, die auf dem Veräußerungsvorgang oder dessen Verwirklichung (z.B. Eintragung im Grundbuch) beruhten. Aufwendungen, die nach § 30 Abs 4 EStG 1972 als Werbungskosten in Betracht kommen sollten, müßten unmittelbar durch das Veräußerungsgeschäft selbst verursacht sein. Dies treffe auf Aufwendungen nicht zu, die ihre unmittelbare Ursache im zwecks Grundstückanschaffung abgeschlossenen Finanzierungsgeschäft hätten (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1984, 83/14/0266, und vom 13. Mai 1986, 83/14/0089, 0094; Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 30 EStG 1972 Tz 20 und 24; Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch, 2. Auflage, § 30 Tz 23 und 24).
§ 30 Abs 4 EStG 1988 hat nunmehr folgenden Wortlaut:
Als Einkünfte sind der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits anzusetzen. Im Falle der Veräußerung eines angeschafften Gebäudes sind die Anschaffungskosten um Instandsetzungsaufwendungen und Herstellungsaufwendungen zu erhöhen und um die in § 28 Abs 6 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern. Wird unbebauter Grund und Boden veräußert, so vermindern sich die Einkünfte nach Ablauf von 5 Jahren seit seiner Anschaffung um jährlich 10 %. Die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn die gesamten aus Spekulationsgeschäften erzielten Einkünfte im Kalenderjahr höchstens S 6.000,-- betragen. Führen die Spekulationsgeschäfte in einem Kalenderjahr insgesamt zu einem Verlust, so ist dieser nicht ausgleichsfähig (§ 2 Abs 2).
Nach der Kommentierung von Hofstätter-Reichel, § 30 EStG 1988 Tz 19, stellt diese Vorschrift eine Verbesserung für den Steuerpflichtigen gegenüber der Rechtslage im EStG 1972 dar, nach der wohl neben den Anschaffungsaufwendungen ein eventueller nach der Anschaffung verausgabter Herstellungsaufwand, nicht aber Instandsetzungsaufwendungen berücksichtigt wurden. Hingegen sind ab 1989 Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die zur Anschaffung des veräußerten Gebäudes oder zu dessen Instandsetzung gewährt wurden und gemäß § 28 Abs 6 steuerfrei gelassen wurden, von den Anschaffungskosten bzw. den Instandsetzungs- bzw. Herstellungsaufwendungen abzuziehen. Diese steuerfrei gelassenen Subventionen erhöhen daher die Einkünfte aus dem Spekulationsgeschäft. Damit sollte eine gewisse Angleichung der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften an die Regelung im betrieblichen Bereich erfolgen, wo infolge des niedrigeren Buchwertes der mit Hilfe von Subventionen angeschafften und hergestellten Anlagegüter ebenfalls eine Nachversteuerung Platz greifen kann.
Daß die gegenständlichen Finanzierungskosten Anschaffungskosten im Sinne des § 30 Abs 4 EStG 1988 wären, behauptet die Beschwerdeführerin ohnehin nicht ausdrücklich. Soweit sie auf die Ausführungen von Rohatschek (Die Behandlung von Fremdkapitalzinsen im Rahmen der Anschaffungskosten, FJ 1993, 81) verweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß auch dieser Autor grundsätzlich davon ausgeht, Fremdkapitalzinsen, die bei der Finanzierung von Anschaffungskosten entstünden, würden keine (aktivierungsfähigen) Anschaffungskosten darstellen. Dies entspricht der herrschenden Ansicht (vgl. Gassner/Lahodny-Karner in Straube, Kommentar zum HGB II, § 203 Rz 32; Doralt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 2. Auflage, § 6 Tz 69 und 93). Der von Rohatschek behandelte Sonderfall der Kreditfinanzierung einer Anzahlung oder Vorauszahlung, die für die Anschaffung eines Vermögensgegenstandes mit längerer Bauzeit geleistet werde, liegt im Beschwerdefall nicht vor.
Die Behandlung von Finanzierungskosten als Werbungskosten im Sinne des § 30 Abs. 4 EStG 1988 ist in Lehre und Verwaltungspraxis umstritten (im Ergebnis dagegen Hofstätter-Reichel, § 30 EStG 1988 Tz 26; Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, 3. Auflage, § 30 Tz 37; Quantschnigg, Zehn Grundsatzthesen zum Werbungskostenbegriff, RdW 1992, 384; Cui bono - Zum Thema Abzugsfähigkeit von (privaten) Schuldzinsen, FJ 1993, 167; zweifelnd Lenneis, Liebhaberei bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Überschuß aus Spekulationsgeschäften, FJ 1991, 81; dafür Beiser, Finanzierungskosten, Abflußprinzip und Verlustausgleichsverbot bei Spekulationsgeschäften, ÖStZ 1992, 170, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum in Deutschland; vgl. auch die Berichte in SWK 1992, A I 315, und SWK 1993, A 218, betreffend eine Berufungsentscheidung und eine - zu hg. 92/13/0262 erstattete - Gegenschrift einer anderen Finanzlandesdirektion).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Neufassung des § 30 Abs 4 im EStG 1988 auch in Hinblick auf die oben erwähnte Annäherung der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften an die Regelung im betrieblichen Bereich (vgl. Hofstätter-Reichel, § 30 EStG 1988, Tz 19) die Auffassung, daß für den Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht mehr von einem bloß engen Werbungskostenbegriff auszugehen ist. Die Anknüpfung des Steuertatbestandes an das Veräußerungsgeschäft in § 30 Abs 1 EStG 1988 zwingt zu keiner anderen Sicht, weil die Frage, was zu den bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigenden Werbungskosten im Sinne des § 30 Abs 4 EStG 1988 zählt, mit dem Hinweis auf diese Anknüpfung nicht beantwortet ist. Die allgemeine Vorschrift des § 16 Abs 1 Z 1 EStG 1988, derzufolge Schuldzinsen als Werbungskosten abzugsfähig sind, soweit sie mit einer Einkunftsart im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, ist auch für Spekulationseinkünfte heranzuziehen. Es bestehen nach der Aktenlage keine Bedenken dagegen, daß die strittigen Finanzierungskosten mit den sonstigen Einkünften gemäß § 29 Z 2 in Verbindung mit § 30 EStG in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang standen. Indem die belangte Behörde eine Qualifizierung dieser Aufwendungen als Werbungskosten von vornherein ausschloß, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde ist in ihrer Gegenschrift der Meinung, im Beschwerdefall müßten die in den Darlehensrückzahlungen der Vorjahre 1989 und 1990 enthaltenen Zinsen vom Abzug im Jahr 1991 jedenfalls ausgeschlossen bleiben, weil der Zeitpunkt des Anfalles der Ausgaben entscheidend sei. Auch dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Vielmehr sind auch die in den Vorjahren angefallenen Werbungskosten in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem der Veräußerungserlös zufloß (vgl. Quantschnigg-Schuch aaO, § 30 Tz 4, die von einer "Art Vermögensvergleich" sprechen;
Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg aaO, § 30 Tz 25, denen zufolge nicht nur die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern auch die Werbungskosten im Sinne des Abs 4 lediglich als rechnerische Größe für die Ermittlung der Spekulationseinkünfte behandelt und nicht im Jahre der Verausgabung tatsächlich als Werbungskosten berücksichtigt werden; Beiser aaO; Lenneis aaO; BFH 17. Juli 1991, BStBl 1991 II 916, 3. Juni 1992, BFHE 168, 272). Die Regelung in § 30 Abs 4 EStG 1988 ist nämlich eine eigenständige, das Abflußprinzip des § 19 Abs 2 EStG 1988 durchbrechende Vorschrift (vgl. sinngemäß BFH aaO). Sie betrifft - wie schon ein Blick auf die Anschaffungskosten zeigt - nicht notwendigerweise nur Vorgänge eines Veranlagungszeitraumes, sondern dient der vollständigen Erfassung des Überschusses aus dem Spekulationsgeschäft unter Bedachtnahme auf bestimmte (auch mehrjährige) Fristen, innerhalb derer die Realisierung erfolgt. Abzugsfähig sind im Beschwerdefall daher nicht nur die im Streitjahr, sondern auch die in den Vorjahren angefallenen Finanzierungskosten (siehe auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag unter 93/14/0125).
Es erübrigt sich, auf die in der Gegenschrift enthaltenen allgemeinen Ausführungen über Zeiträume der privaten Nutzung oder der Vermietung und Verpachtung einzugehen, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keinen entsprechenden Sachverhalt festgestellt hat.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Befassung eines verstärkten Senates bedurfte es nicht, weil die zitierte Vorjudikatur zum EStG 1972 ergangen ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 162).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Beschwerdeausfertigungen waren lediglich mit je S 120,-- zu vergebühren. Der angefochtene Bescheid mußte nur einfach vorgelegt werden, wofür Stempelgebührenersatz von S 30,-- zusteht.
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