VwGH 93/07/0062

VwGH93/07/006212.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der F in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen das Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 1. April 1993, Zl. LAS - 85/55-80, betreffend Zusammenlegungsplan S, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §8;
FlVfGG §37 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §74 Abs1;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs2;
AVG §8;
FlVfGG §37 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §74 Abs1;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 21. April 1988 erließ das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (AB) den Zusammenlegungsplan für die Zusammenlegung S.

Der gegen diesen Zusammenlegungsplan erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit ihrem Erkenntnis vom 8. März 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 1, 13, 16, 18 und 20 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 (TFLG 1978) dahin Folge, daß bei der Abfindungs- und Kostenberechnung für die Beschwerdeführerin anstelle der im Zusammenlegungsplan ausgewiesenen Schuld von S 74.932,-- eine solche von lediglich S 44.932,-- ausgewiesen wurde und dementsprechend die Zahl eines darauf bezughabenden Bescheides in der Haupturkunde zu entfallen hatte, während die Berufung im übrigen als unbegründet abgewiesen wurde.

Der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (OAS) mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1990 gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 20 TFLG 1978 statt, behob das bekämpfte Erkenntnis und verwies die Angelegenheit in Ansehung der Abfindung der Beschwerdeführerin zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Agrarbehörde I. Instanz zurück. Begründend führte der OAS aus, daß das Altgrundstück Nr. 983 der Beschwerdeführerin, die sogenannte "Puint", als Grundstück von besonderem Wert anzusehen sei, welches der Beschwerdeführerin weder zugeteilt, noch gleichwertig ersetzt worden sei. Die derzeitige Größe der Hofabfindung der Beschwerdeführerin sei nämlich allein auf eine private Tauschvereinbarung zurückzuführen; als unzulässig müsse es angesehen werden, der Beschwerdeführerin eine von ihr außerhalb des Verfahrens (wenn auch mit Zustimmung der Agrarbehörde) geschlossene zivilrechtliche Vereinbarung so anzurechnen, daß eine durch diesen Tausch erworbene Fläche von besonderem Wert nunmehr als zugeteilte Abfindung ausgewiesen werde. Es habe die Beschwerdeführerin damit ein Grundstück von besonderem Wert verloren, sodaß ihr entweder die "Puint" wieder zuzuweisen oder gleichwertiger Ersatz dafür zu bieten sei. Der Entzug dieser "Puint" sei, schon für sich allein betrachtet, geeignet, die Gesetzmäßigkeit der Abfindung in Frage zu stellen. Zusätzlich ließe die mangelnde Erschließungsregelung eines weiteren Abfindungsgrundstückes ebenso wie auch die Zuteilung eines Wassergrabens, der ausschließlich der Ableitung von Fremdwasser diene, Zweifel an der Gesetzmäßigkeit der Abfindung der Beschwerdeführerin aufkommen. Eine neuerliche Verhandlung des Gegenstandes erweise sich demnach als unumgänglich; die Herstellung der Gesetzmäßigkeit der Abfindung auf der Grundlage eines noch zu führenden Ermittlungsverfahrens zu bewerkstelligen, sei dem OAS im Rahmen seiner organisatorischen Möglichkeiten verwehrt, weshalb er die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides hinsichtlich der Abfindung der Beschwerdeführerin an die Agrarbehörde I. Instanz zurückverweisen habe müssen.

Im Zuge einer daraufhin von der AB mit der Beschwerdeführerin und einigen Eigentümern in das Zusammenlegungsverfahren einbezogener Grundstücke durchgeführten Verhandlung erklärten die außer der Beschwerdeführerin beigezogenen Verfahrensparteien, daß es einen privaten Tausch seinerzeit nicht gegeben habe, sondern nur von der Agrarbehörde versucht worden sei, die Beschwerdeführerin im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens zufrieden zu stellen. Es seien einvernehmlich die vorläufigen Abfindungsgrenzen abgeändert worden, wodurch eine Vergrößerung der Hoffläche der Beschwerdeführerin erreicht worden sei. Die Entscheidung des OAS sei den Parteien nicht bekannt, es sei mit ihnen auch nicht verhandelt worden.

Am 24. Juni 1991 erließ die AB einen hinsichtlich der Abfindung der Beschwerdeführerin abgeänderten Zusammenlegungsplan, welcher einerseits dem abändernden Teil des Erkenntnisses der belangten Behörde vom 8. März 1990 Rechnung trug und andererseits zugunsten eines Abfindungsgrundstückes der Beschwerdeführerin eine Dienstbarkeit begründete und eine Abtrennung des Wassergrabens von einem anderen Abfindungsgrundstück der Beschwerdeführerin vorsah. Eine Rückzuweisung der "Puint" an die Beschwerdeführerin lehnte die AB ebenso ab wie die Zuweisung einer gleichwertigen Ersatzabfindung für dieses Grundstück. Der vom OAS in seinem aufhebenden Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung liege eine aus tatsächlicher und rechtlicher Sicht unzutreffende Tatsachenfeststellung zugrunde, an welche die Behörde nicht gebunden sein könne. Die Unrichtigkeit der vom OAS zugrundegelegten Sachverhaltsannahme einer privaten Tauschvereinbarung sei offensichtlich, auch widerspreche eine solche Deutung der Rechtslage aus näher ausgeführten Erwägungen. Hinzu komme noch, daß durch die im aufhebenden Erkenntnis des OAS auf der Basis seiner unzutreffenden Sachverhaltsannahme zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung wesentlich in die Rechtsstellung anderer Verfahrensparteien eingegriffen würde, an welche das Erkenntnis des OAS aber gar nicht ergangen sei. Es verneine die AB demnach eine Bindungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des OAS; sie halte an der Rechtmäßigkeit der im seinerzeitigen Zusammenlegungsplan und im behobenen Erkenntnis der belangten Behörde vom 8. März 1990 zutreffend erfolgten Ermittlung der Abfindung der Beschwerdeführerin fest.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 20 und 23 TFLG 1978 als unbegründet ab; in der Begründung ihres Erkenntnisses trat sie dem Standpunkt der AB inhaltlich bei und vermeinte, daß der OAS den rechtlichen Gehalt der zur Vergrößerung der Hofstelle der Beschwerdeführerin führenden Vereinbarung verkenne, wenn er diese für eine private Tauschvereinbarung halte.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, es aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach herrschender Auffassung ist die in Spruch und Begründung eines Aufhebungsbescheides nach § 66 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende, die Behebung und Zurückverweisung tragende Rechtsansicht der Berufungsbehörde, solange die dafür maßgebende Sach- und Rechtslage keine Veränderung erfährt, sowohl für die Unterbehörde als auch (im Fall eines weiteren Rechtsgangs) für die Berufungsbehörde selbst bindend (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Anm. 7 zu § 66 AVG, Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, RZ 546, sowie die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Nr. 23 ff zu § 66 Abs. 2 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Der von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Verstoß des angefochtenen Erkenntnisses gegen dieses Bindungsgebot ist eklatant. Die von den Unterbehörden kritisierte Rechtsanschauung des OAS über den der Beschwerdeführerin aus der Einbringung der "Puint" in das Zusammenlegungsverfahren erwachsenen Abfindungsanspruch bildete den tragenden Grund der Aufhebung; die AB und, ihr folgend, die belangte Behörde haben die Herstellung des der vom OAS unmißverständlich zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung entsprechenden Rechtszustandes verweigert.

Dies allein belastet das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, die zu seiner Aufhebung nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen hatte. Ob die vom OAS in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 5. Dezember 1990 zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung der Rechtslage entspricht, hatte der Verwaltungsgerichtshof - in seiner Entscheidung über die vorliegende Beschwerde - nicht zu prüfen; dem von der AB und der belangten Behörde im zweiten Rechtsgang arrogierten Prüfungsrecht stand die aus § 66 Abs. 2 AVG erfließende Bindung dieser Behörden entgegen.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nach dem Bild der Aktenlage allerdings zu folgender Klarstellung veranlaßt:

Gemäß § 9 Abs. 1 AgrVG 1950 entscheiden die Agrarsenate nach mündlicher Verhandlung unter Zuziehung der Parteien, von welcher sie in den im zweiten Absatz des genannten Paragraphen angeführten Voraussetzungen absehen können. Auch in diesem Falle ist aber nach § 13 Abs. 1 AgrVG 1950 das Erkenntnis den Parteien in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen. Gemäß § 4 AgrVG 1950 bleiben die Bestimmungen der Verwaltungsvorschriften, wer in einem Agrarverfahren als unmittelbar oder mittelbar Beteiligter anzusehen ist und welche Rechte ihm zustehen, unberührt, wobei ein solcher Beteiligter Partei im Sinne des § 8 AVG ist. Parteien des Zusammenlegungsverfahrens nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 sind die in § 74 Abs. 1 TFLG 1978 genannten Personen.

Alle diese Personen haben damit Anspruch darauf, daß ihnen Erkenntnisse der Agrarsenate in schriftlicher Ausfertigung zugestellt werden. Vor einer solchen Zustellung können ihnen gegenüber Erkenntnisse der Agrarsenate rechtliche Wirksamkeit gar nicht entfalten. Bezogen auf das im Beschwerdefall ergangene aufhebende Erkenntnis des OAS vom 5. Dezember 1990 hat nichts anderes zu gelten. Auch dieses Erkenntnis war allen Rechtssubjekten zuzustellen, denen im zugrundegelegenen Zusammenlegungsverfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 TFLG 1978 Parteistellung zukam. Parteistellung genießenden Personen gegenüber, denen das aufhebende Erkenntnis des OAS vom 5. Dezember 1990 nicht schriftlich zugestellt worden war, konnte es dementsprechend Rechtswirkungen auch (noch) nicht äußern.

Wie die Beschwerdeführerin ein subjektiv-öffentliches Recht darauf hatte, daß die AB und die belangte Behörde die Bindungswirkung eines ihr gegenüber wirksamen aufhebenden Erkenntnisses des OAS beachten, so haben freilich alle jene Verfahrensparteien, denen gegenüber das aufhebende Erkenntnis des OAS mangels Zustellung an sie Wirksamkeit noch nicht entfaltet, in vergleichbarer Weise umgekehrt Anspruch darauf, daß die Unterbehörden nicht im Vollzug einer Bindung ihre Entscheidung treffen, deren rechtlicher Grund in einem behördlichen Erkenntnis liegt, das ihnen gegenüber noch nicht wirksam wurde. Ein dem § 63 Abs. 1 VwGG gerecht werdendes Ersatzerkenntnis zu erlassen, wird der belangten Behörde demnach erst dann möglich sein, wenn das der Rechtswidrigkeit des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses durch die dargestellte Bindungswirkung zugrundeliegende aufhebende Erkenntnis des OAS vom 5. Dezember 1990 allen nach § 74 Abs. 1 TFLG 1978 Parteistellung genießenden Rechtssubjekten schriftlich zugestellt wurde. Ob die belangte Behörde es dann für ratsam hielte, mit der Erlassung des Ersatzerkenntnisses nach § 63 Abs. 1 VwGG bis zum Ausgang eines von einer anderen Verfahrenspartei gegen das Erkenntnis des OAS vom 5. Dezember 1990 gegebenenfalls angestrengten Beschwerdeverfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zuzuwarten, hat ihrer Überlegung anheimgestellt zu bleiben.

Über die vorliegende Beschwerde war indessen spruchgemäß zu erkennen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991; die Beschwerde war lediglich in zweifacher Ausfertigung zu überreichen, weil dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren angesichts des Ergehens auch des angefochtenen Erkenntnisses nur an die Beschwerdeführerin schon deswegen weitere Parteien als Mitbeteiligte nicht beizuziehen waren (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 165); das angefochtene Erkenntnis war lediglich einfach vorzulegen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte