Normen
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §29 Abs3;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO Wr §79 Abs1 impl;
BauRallg;
ROG OÖ 1972 §20 Abs4 Z1;
VwRallg;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §29 Abs3;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO Wr §79 Abs1 impl;
BauRallg;
ROG OÖ 1972 §20 Abs4 Z1;
VwRallg;
Spruch:
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:
Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 26. November 1992 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahren die nachträgliche Baubewilligung für die Errichtung eines 1,44 m x 1,83 m großen und 1,77 m hohen Mülltonnenhäuschens auf dem Grundstück Nr. 31/2, KG V, erteilt.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Jänner 1993 wurde der gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde erhobenen Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin, vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer, mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Erstbeschwerdeführerin durch den Bescheid des Gemeinderates nicht in ihren Rechten verletzt worden sei. In ihrer Bescheidbegründung führte die Gemeindeaufsichtsbehörde aus, dem Nachbarn stehe nach den Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens nur ein beschränktes Mitspracherecht zu. Durch die Erteilung einer Baubewilligung könne daher der Nachbar nur in seinen Rechten verletzt worden sein, wenn die Baubehörde eine von ihr wahrzunehmende Bestimmung mißachtet habe, auf deren Einhaltung dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zustehe. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich in ihrer Vorstellung - wie auch schon in der vorausgegangenen Berufung - ausschließlich mit der Begründung gegen die Bewilligung des Mülltonnenhäuschens gewendet, daß jener Bereich des Baugrundstückes Nr. 31/2, KG V, der an das Nachbargrundstück der Vorstellungswerberin (Parzelle Nr. 31/1 derselben KG) angrenze, als "Vorgarten" anzusehen sei und das gegenständliche Objekt daher gemäß § 29 Abs. 3 der Oberösterreichischen Bauordnung unzulässig sei. Nach den im Bauakt erliegenden Planunterlagen würden die vier Seiten des Baugrundstückes Nr. 31/2 wie folgt begrenzt:
"Die beiden Längsseiten im SW von einem Fließgewässer und im NO vom - als Parkplatz ausgebildeten - Nachbargrundstück Nr. 31/1. Die beiden (etwa um die Hälfte kürzeren) Schmalseiten im SO ebenfalls wieder vom Nachbargrundstück Nr. 31/1 und nur im NW von einer öffentlichen Straße, nämlich von einer Bezirksstraße bzw. von einer von dieser abzweigenden (oder - anders ausgedrückt - in diese einmündenden) öffentlichen Verkehrsfläche der Marktgemeinde V.
Nur an dieser nordwestlichen Schmalseite grenzt demnach das Baugrundstück Nr. 31/2 an (eine) öffentliche Straße(n) im Sinne des O.ö. Straßengesetzes 1991, LGBl. Nr. 84; folgerichtig befinden sich, wie die Baubehörde - von der Vorstellungswerberin unwidersprochen - ausgeführt hat, hier auch der Hauszugang zum Hauptgebäude und die Einfahrt in die Tiefgarage.
Demgegenüber ist das im NO an die Längsseite des Baugrundstückes anrainende, der Vorstellungswerberin eigentümlich gehörige Nachbargrundstück Nr. 31/1 derzeit zwar als allgemein zugänglicher Parkplatz genutzt, doch beruht diese Nutzung bloß auf einem privatrechtlichen Vertrag zwischen Vorstellungswerberin und Marktgemeinde V."
Eine Widmung als öffentliche Verkehrsfläche sei weder im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Marktgemeinde noch im straßenrechtlichen Sinn gegeben. Würde im gegenständlichen Bereich ein Bebauungsplan erstellt, so wäre es undenkbar, an der nordöstlichen Längsseite des Baugrundstückes Nr. 31/2, also an der Grenze zum - als Parkplatz ausgebildeten - Nachbargrundstück Nr. 31/1 eine Straßenfluchtlinie (und eine vordere Baufluchtlinie) im Sinne des § 20 Abs. 4 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes festzulegen. Im Falle des Bestehens eines Bebauungsplanes sei aber gerade dieser Grundstücksteil zwischen Straßenfluchtlinie und vorderer Baufluchtlinie typischerweise der Vorgartenbereich. Schließlich sei im gegebenen Zusammenhang auf die Regierungsvorlage des (künftigen) O.ö. Bautechnikgesetzes zu verweisen, in dessen § 2 Z. 42 der Vorgarten, in ausdrücklicher Festschreibung dessen, was auch jetzt schon allgemein unter "Vorgarten" verstanden wird, dieser Begriff so definiert werden soll, daß Vorgarten der Bereich des Bauplatzes, zwischen der Straßenfluchtlinie und der vorderen Baufluchtlinie ist; bestehe kein Bebauungsplan, so gelte als Vorgarten der Bereich zwischen der Grenze der öffentlichen Verkehrsfläche und der straßenseitig vorhandenen oder geplanten Bauflucht des Hauptgebäudes; werde ein Bauplatz von mehreren öffentlichen Verkehrsflächen begrenzt, so gelte als Vorgarten jener Bereich, über dessen Bauplatzseite die tatsächliche oder vorrangige Aufschließung erfolge. Zusammenfassend könne daher festgestellt werden, daß das gegenständliche Mülltonnenhäuschen im Seitenabstand und nicht im Vorgarten situiert sei, sodaß die von der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Vorstellung behauptete Rechtsverletzung nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
ad 1: Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nicht über eine Vorstellung des Zweitbeschwerdeführers entschieden, die dieser im eigenen Namen eingebracht hat. Mangels der Möglichkeit der Verletzung von Rechten des Zweitbeschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid war daher seine Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
ad 2: In der Beschwerde wird ausgeführt, das Grundstück 31/1, das im Eigentum der Erstbeschwerdeführerin stehe, sei mit Bestandvertrag vom 31. März 1983 von der mitbeteiligten Marktgemeinde in Bestand genommen worden. Es werde seither als öffentlicher Parkplatz benützt. Die Grundstücke 31/1 und 31/2 verbinde ein von den Bewohnern der Wohnhausanlage ständig benützter Zu- und Abgang. Das Mülltonnenhäuschen sei in einem Abstand von 0,20 m zur Grundstücksgrenze situiert. Die belangte Behörde habe die Rechtsfrage, ob das Mülltonnenhäuschen nach der bezogenen Gesetzesstelle unzulässig in einem Vorgarten situiert sei, unrichtig gelöst. Wie die Behörde richtig ausführe, gelte als Vorgarten der Bereich zwischen der Grenze der öffentlichen Verkehrsfläche und der vorhandenen Bauflucht des Hauptgebäudes. Unter öffentlicher Verkehrsfläche seien aber nicht, wie die belangte Behörde meine, lediglich öffentliche Straßen im Sinne des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991 zu verstehen. Nach richtiger Ansicht gelte als solche jede dem öffentlichen Verkehr zugängliche Verkehrsfläche im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Der (vorwiegend von den Hausbewohnern ständig benutzte) Parkplatz sei damit eine für die bezogene Gesetzesstelle relevante Verkehrsfläche.
Gemäß § 46 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Nach § 46 Abs. 3 des Gesetzes sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.
Gemäß § 29 Abs. 3 der O.ö. Bauordnung können, soweit sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt, Garten- und Gerätehütten sowie ähnliche Nebengebäude mit einer verbauten Grundfläche bis zu acht Quadratmeter auch auf den nach der festgelegten Bauweise bzw. gemäß § 32 Abs. 2 von einer Bebauung freizuhaltenden Grundflächen, nicht jedoch im Vorgarten, errichtet werden.
Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß § 29 Abs. 3 der O.ö. Bauordnung dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 46 Abs. 3 leg. cit. einräumt. Strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens jedoch der Inhalt des Begriffes "Vorgarten". Während die belangte Behörde davon ausgeht, daß das Mülltonnenhäuschen im Seitenabstand errichtet wurde, ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, daß es sich bei dem Aufstellplatz in Wahrheit um den Vorgarten handelt.
Zunächst ist festzuhalten, daß der oberösterreichische Landesgesetzgeber den Begriff des "Vorgartens" in baurechtlicher Hinsicht (noch) nicht ausdrücklich definiert hat. Er setzte bisher diesen Begriff offensichtlich als bekannt voraus. Nach dem baurechtlichen Sprachgebrauch ist der Vorgarten ein Grundstücksstreifen, der zwischen der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie und der vorderen Baufluchtlinie liegt und grundsätzlich von einer Bebauung freibleibt (vgl. § 79 Abs. 1 der Wiener Bauordnung). Der Vorgartenbereich ist somit jener Bereich zwischen der Grenze der öffentlichen Verkehrsfläche und der vorderen Baufluchtlinie.
Straßenfluchtlinien sind gemäß § 20 Abs. 4 Z. 1 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (O.ö. ROG), LGBl. Nr. 18/1972, in der Fassung LGBl. Nr. 91/1989, die Grenzen zwischen öffentlichen Verkehrsflächen und anderen Grundstücken. Ob in baurechtlicher Hinsicht eine Fläche als öffentliche Verkehrsfläche anzusehen ist, richtet sich, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, nicht nach der Anwendbarkeit der Straßenverkehrsordnung, sondern danach, ob diese Fläche im Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 85/05/0182). Daß - entgegen den Feststellungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - eine Widmung der als Parkplatz genutzten Flächen im Flächenwidmungsplan als öffentliche Verkehrsfläche gegeben sei, hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet. Die tatsächlichen Verhältnisse in der Natur sind jedoch in dem hier gegebenen Zusammenhang für die rechtliche Qualifikation einer Grundfläche als Verkehrsfläche nicht entscheidend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Februar 1991, Zl. 90/05/0103).
Im Ergebnis ist daher die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß der an den Aufstellungsort des Mülltonnenhäuschens angrenzende Parkplatz keine öffentliche Verkehrsfläche darstellt und somit der dahinterliegende Grundstücksbereich nicht als Vorgarten im Sinne des § 29 Abs. 3 der O.ö. Bauordnung zu qualifizieren ist. Die Errichtung des Mülltonnenhäuschens ist daher in diesem Bereich zulässig.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Erstbeschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war ihre Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
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