VwGH 92/11/0236

VwGH92/11/023630.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerden der I in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 20. August 1992, Zl. MA 64-8/192/92 (hg. Zl. 92/11/0236), und vom 13. Oktober 1992, Zl. MA 64-8/310/92 (hg. Zl. 92/11/0237), beide betreffend Verhängung von Zwangsstrafen zur Abgabe des Führerscheines, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2;
VVG §10 Abs1;
VwGG §48 Abs2 lita;
VwGG §49 Abs2;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2;
VVG §10 Abs1;
VwGG §48 Abs2 lita;
VwGG §49 Abs2;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 5.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. August 1992 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30. Juni 1992, mit welchem über die Beschwerdeführerin wegen Nichtabgabe des Führerscheines nach zuvor erfolgter Androhung eine Geldstrafe von S 10.000,-- verhängt wurde, nicht Folge gegeben. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 13. Oktober 1992 gab der Landeshauptmann von Wien der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30. April 1992, mit welchem über die Beschwerdeführerin wegen Nichtabgabe des Führerscheines nach zuvor erfolgter Androhung eine Geldstrafe von S 5.000,-- verhängt wurde, nicht Folge.

Mit den vorliegenden Beschwerden beantragt die Beschwerdeführerin, diese beiden Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften beantragt, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und erwogen:

Insoweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, daß der "Grundlagenbescheid", nämlich der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 25. März 1992, mit welchem die der Beschwerdeführerin für die Gruppe B erteilte Lenkerberechtigung entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 ausgesprochen wurde, daß ihr für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, und weiters ausgesprochen wurde, daß sie den ausgestellten Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung des Bescheides abzugeben habe, auf Grund dessen die Erstbehörde Zwangsmaßnahmen gegen die Beschwerdeführerin betreibe, aufgehoben wurde, ist daraus für sie nichts gewonnen: Der erstangefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. August 1992 wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 14. September 1992 zugestellt. Der zweitangefochtene Bescheid vom 13. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 23. Oktober 1992 zugestellt. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten wurde der Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 9. Oktober 1992, mit dem der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. März 1992 aufgehoben wurde, nicht vor dem 23. Oktober 1992 zugestellt. Gegenteiliges wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Damit zählte der "Grundlagenbescheid", mit dem die Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin entzogen, ihr gleichzeitig der Auftrag zur Ablieferung des Führerscheines erteilt und einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt wurde, zum Zeitpunkt der Erlassung der beiden angefochtenen Bescheide zum Rechtsbestand und stellte eine gültige Grundlage für die von der Behörde angeordneten Zwangsmaßnahmen dar.

Die Beschwerdeführerin bekämpft im übrigen lediglich den Umstand, daß der "Leistungsbescheid" (vom 25. März 1992) mit dem Auftrag zur Abgabe des Führerscheines nicht an sie selbst, sondern (nur) an ihren Vertreter zugestellt wurde. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei ein Leistungsbescheid, der eine unvertretbare Handlung zum Inhalt habe, sowohl der verpflichteten Partei - zur Vornahme der begehrten Handlung - als auch dem Vertreter - zur allfälligen Erhebung von Rechtsmitteln - zuzustellen. Die Vollstreckungsmaßnahmen hätten nicht vorgenommen werden dürfen, weil der Vertreter nicht die unvertretbare Handlung der verpflichteten Partei vornehmen könne.

Diese Ausführungen sind jedoch verfehlt. § 10 Abs. 1 VVG sieht vor, daß auf das Vollstreckungsverfahren - soweit sich aus dem VVG nicht anderes ergibt - die Vorschriften des I. und IV. Teiles des AVG (§§ 1 bis 36 und §§ 63 bis 73) und hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und § 61 AVG sinngemäß Anwendung finden. Besondere verfahrensrechtliche Regelungen enthalten die Vorschriften des § 10 Abs. 2 und 3 VVG für die Berufung gegen Vollstreckungsverfügungen. Die Regelung des § 10 AVG betreffend die Vertretung im Verwaltungsverfahren erfährt jedoch in den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes keine Modifikation. Die Beschwerdeführerin war daher berechtigt, sich gemäß § 10 AVG eines Vertreters zu bedienen. Dementsprechend ist auch der nunmehrige Beschwerdevertreter unter Berufung auf erteilte Vollmacht für sie eingeschritten.

Er war somit Zustellungsbevollmächtigter der Beschwerdeführerin im Sinne des § 9 ZustG. Die allgemeine Vertretungsvollmacht schließt die Zustellungsbevollmächtigung mit ein. Die Zustellung des "Grundlagenbescheides" an den Beschwerdevertreter erfolgte daher zu Recht. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, Leistungsbescheide müßten auch an die Partei selbst zugestellt werden, um Rechtswirkungen zu entfalten, findet im Gesetz keine Deckung.

Da es den Beschwerden somit nicht gelungen ist, die von ihnen behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darzutun, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz des Aufwandes für die gemeinsame Vorlage der Verwaltungsakten nur einmal gebührt.

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