VwGH 92/11/0233

VwGH92/11/023327.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 1992, Zl. MA 64-11/167/92, betreffend Erteilung einer Auskunft in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §2;
AVG §8 impl;
B-VG Art20 Abs3;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §2;
AVG §8 impl;
B-VG Art20 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. August 1992 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 1987 auf Erteilung einer Auskunft aus der Zulassungskartei der Bundespolizeidirektion Wien bezüglich des Kennzeichens, das einem der Marke, Type, Fahrgestellnummer und Motornummer nach näher bezeichneten Pkw "derzeit zugewiesen" ist, gemäß § 47 Abs. 2 KFG 1967 und § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Vorerkenntnis vom 17. März 1992, Zl. 91/11/0162, ausgesprochen hat, konnte im vorliegenden Fall das Begehren des Beschwerdeführers auf Auskunftserteilung mangels Angabe eines Kennzeichens nicht auf § 47 Abs. 2 KFG 1967 in der im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides geltenden Fassung gestützt werden; der Verwaltungsgerichtshof sprach jedoch in dem genannten Erkenntnis gleichzeitig - unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1991, B 902/88, - aus, daß die belangte Behörde zu prüfen habe, ob eine Auskunftspflicht nach dem zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bereits in Geltung stehenden Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987, bestehe. Die belangte Behörde hat nun im zweiten Rechtsgang mit dem angefochtenen Ersatzbescheid erneut den Antrag des Beschwerdeführers auf Auskunftserteilung abgewiesen. Sie hat hiezu im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß dem Begehren des Beschwerdeführers die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG in der seit 1. Jänner 1988 geltenden Fassung entgegenstehe; das Interesse des neuen Zulassungsbesitzers an der Geheimhaltung seiner Daten und daran, nicht in privatrechtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden, sei höher zu bewerten, als das Interesse des Beschwerdeführers auf Auskunft zur Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987 (APG), haben die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne der zitierten Vorschrift kommt insbesondere die durch Art. 20 Abs. 3 B-VG normierte Amtsverschwiegenheit in Betracht. Danach sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Die um Auskunft ersuchte Behörde hat zu beurteilen, ob und inwieweit dem Auskunftsbegehren die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entgegensteht. Sie hat somit im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1990, Zl. 89/17/0028, und vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0201, je mit weiteren Judikaturhinweisen). Der Begriff "Parteien" in Art. 20 Abs. 3 B-VG ist im weitesten Sinn zu verstehen und umfaßt alle Personen, die aus irgendeinem Anlaß mit Behörden in Berührung kommen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 1990, Zlen. 90/18/0040, 0041). Als Partei im Sinne der zitierten Verfassungsvorschrift, auf deren Interessen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht zu nehmen ist, ist somit auch ein vom Auskunftswerber verschiedener Dritter, der vom Auskunftsverlangen betroffen ist, anzusehen.

Es ist daher zu prüfen, ob der nunmehrige Zulassungsbesitzer ein relevantes Interesse hat, daß in Wahrung der Amtsverschwiegenheit das Kennzeichen seines Fahrzeuges nicht mitgeteilt wird.

Der Beschwerdeführer hat sein Begehren auf Erteilung der Auskunft über das Kennzeichen damit begründet, daß er das gegenständliche Fahrzeug an eine namentlich genannte Person verkauft habe, die ihm immer noch die gestundete Hälfte des Kaufpreises schulde. Die belangte Behörde ist erkennbar davon ausgegangen, daß der nunmehrige Zulassungsbesitzer eine vom Käufer des Fahrzeuges verschiedene Person ist. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß das Interesse des nunmehrigen Zulassungsbesitzers auf "Geheimhaltung seiner Daten und daran, nicht in privatrechtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden", höher zu bewerten sei als das Interesse des Beschwerdeführers, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Gegenstand des vorliegenden Auskunftsbegehrens ist ausschließlich das Kennzeichen eines Kraftfahrzeuges ohne Bekanntgabe persönlicher Daten des Zulassungsbesitzers. Das von der belangten Behörde genannte faktische Interesse des Zulassungsbesitzers, nicht in privatrechtliche Auseinandersetzungen um ein KFZ verwickelt zu werden, ist nicht höher zu bewerten als das Interesse des Beschwerdeführers an der Durchsetzung seiner privatrechtlichen Ansprüche am Kraftfahrzeug bzw. an der Einbringlichmachung des ihm geschuldeten Kaufpreisrests. Denn abgesehen davon, daß durch die Bekanntgabe des Kennzeichens im vorliegenden Fall von einer "Verwicklung" des Zulassungsbesitzers in Auseinandersetzungen noch nicht die Rede sein kann, kann ein durch die Amtsverschwiegenheit geschütztes Interesse des nunmehrigen Zulassungsbesitzers, durch die Verschweigung des Kennzeichens allenfalls die Eintreibung des Kaufpreisrests durch den Beschwerdeführer zu verhindern, nicht erkannt werden. Es hat daher die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage dem Beschwerdeführer zu Unrecht die Auskunft über das Kennzeichen verwehrt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen sowie für eine dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegte Vollmachtsurkunde.

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