VwGH 92/10/0464

VwGH92/10/046415.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, über die Beschwerden der mj BB, LB und JB in G, vertreten durch ihre Mutter AB als gesetzliche Vertreterin, ebendort, diese vertreten durch Dr. H, RA in G, gegen die Bescheide des BM für Unterricht und Kunst vom 12. Oktober 1992, Zl. 1009/18-III/4a/92, Zl. 1009/17-III/4a/92 und Zl.1009/18-III/4a/92, betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
SchOG 1962 §38 Abs1;
SchOG 1962 §38;
SchUG 1986 §3;
SchUG 1986 §4;
SchUG 1986 §49;
SchUG 1986 §5 Abs2;
SchUG 1986 §5;
SchUG 1986 §71 Abs1;
SchUG 1986 §71 Abs2;
SchUG 1986 §71 Abs9;
AVG §63 Abs1;
SchOG 1962 §38 Abs1;
SchOG 1962 §38;
SchUG 1986 §3;
SchUG 1986 §4;
SchUG 1986 §49;
SchUG 1986 §5 Abs2;
SchUG 1986 §5;
SchUG 1986 §71 Abs1;
SchUG 1986 §71 Abs2;
SchUG 1986 §71 Abs9;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 8.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

J und BB (Dritt- und Erstbeschwerdeführer) besuchten im Schuljahr 1991/92 die 5. bzw. 2. Klasse und das HIB. BB (Zweitbeschwerdeführerin) schloß im Schuljahr 1991/92 die vierte Schulstufe der Volksschule erfolgreich ab und wurde für das Schuljahr 1992/93 in die 1. Klasse der HIB aufgenommen. Da die Erziehungsberechtigten Platzgebühren für J und LB in der Höhe von insgesamt S 62.000,-- nicht bezahlten, teilte der Schulleiter den Erziehungsberechtigten mit Schreiben vom 7. September 1992 mit, daß die Beschwerdeführer bei Nichtbezahlung der ausstehenden Platzgebühren bis 14. September 1992 nicht als voll- bzw. halbinterne Schüler aufgenommen werden könnten. Dem Schulbesuch als externe Schüler stehe jedoch nichts im Wege.

Am 15. September 1992 brachte die erziehungsberechtigte Mutter die Kinder in das Internat, worauf ihr der Leiter der HIB seine Entscheidung mitteilte, diese nicht in das Internat aufzunehmen.

Die Erziehungsberechtigte erhob dagegen als gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführer drei (gleichlautende) Berufungen, in denen sie im wesentlichen die Nichteinhaltung der §§ 3 und 5 bzw. 49 und 57 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) betreffend das Aufnahme- bzw. das Ausschlußverfahren geltend machte. Es sei davon auszugehen, daß die Aufnahme in die Schule untrennbar mit der Aufnahme in das Internat der HIB verbunden sei. Die Kinder in die Schule aufzunehmen, jedoch die Aufnahme in das Internat zu verweigern, sei rechtswidrig.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen gemäß § 5 Abs. 2 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 (SchOG), in Verbindung mit § 71 Abs. 1 und 2 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG), zurückgewiesen. Nach der (gleichlautenden) Begründung dieser Bescheide sei die HIB organisatorisch so ausgerichtet, daß sie aus dem "Teilbereich" allgemeinbildende höhere Schule mit speziellen Lehrplanbestimmungen und dem "Teilbereich" Internat bzw. Halbinternat bestehe. Die pädagogische Verknüpfung dieser beiden Teilbereiche Schule und Internat (Halbinternat) stelle der einheitliche Erziehungsplan für Unterricht, Erziehung und Betreuung dar; zur Betreuung gehöre die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung für die Schüler. Es sei daher zulässig, daß in eine HIB Schüler aufgenommen werden dürften, die AUSSCHLIEßLICH den lehrplanmäßigen Unterricht der AHS besuchten (externe Schüler), ohne an der internatsmäßigen oder halbinternatsmäßigen Betreuung teilzunehmen. Diese Vorgangsweise sei ein schon seit Jahren bewährtes Modell in diesem Schulbereich. Die Erziehungsberechtigte verkenne die Rechtslage, wenn sie meine, die Aufnahme in den Teilbereich Schule sei ohne gleichzeitige Aufnahme in den Teilbereich Internat bzw. Halbinternat rechtlich unzulässig. Aufgrund dieser verfehlten Auffassung ziehe sie auch den Schluß, daß der Besuch des Internates bzw. Halbinternates von der für öffentliche Schulen geltenden Schulgeldfreiheit (§ 5 Abs. 1 SchOG) umfaßt sei. Im Gegensatz dazu normiere jedoch § 5 Abs. 2 leg. cit., daß durch die für die öffentlichen Schulen geltende Schulgeldfreiheit die Einhebung eines höchstens kostendeckenden Beitrages für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung in öffentlichen Schülerheimen (das sei bei der HIB der Teilbereich Internat bzw. Halbinternat) nicht berührt werde. Im Hinblick auf die einschlägigen verfassungsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Vorschriften sei die Einhebung eines derartigen Beitrages sogar geboten. Die Höhe des "höchstens kostendeckenden Beitrages" werde jährlich im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen vom Bundesminister für Unterricht und Kunst festgesetzt. Der Beitrag sei vom Erziehungsberechtigten als entsprechende Gegenleistung für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung zu erbringen. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß das dem Besuch des Voll- oder Halbinternates zugrundeliegende Rechtsverhältnis nicht hoheitlich, sondern PRIVATRECHTLICH gestaltet sei. Die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme in das Internat erfolge daher im Rahmen der dem Bund zustehenden Privatautonomie. Daß der Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst und in weiterer Folge die Leitung der HIB) einen Schüler bzw. eine Schülerin, deren Sorgepflichtige massive Platzgebührenrückstände aufwiesen und somit ihre seinerzeit eingegangene Verpflichtung verletzten, in das Internat nicht aufnehme, sei Ausfluß der aus der Privatautonomie folgenden DISPOSITIONSFREIHEIT. Vor allem seien jene Rechtsrügen verfehlt, die im Zusammenhang mit der Nichtaufnahme in das Internat der HIB Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes ins Treffen führten (§§ 3 ff, 49 und 57), weil dieses Gesetz seiner gesamten Struktur und Systematik nach "die innere Ordnung des Schulwesens ..." (§ 2 leg. cit.) regle und keinesfalls auf einen Internatsbetrieb Anwendung finde. Keiner der einzelnen Abschnitte des Schulunterrichtsgesetzes (einschließlich seiner Durchführungsverordnungen) enthalte eine spezifische Norm, die auf Sachverhalte zutreffen könnte, die einem Internatsbetrieb eigen seien. Da der Aufnahme und dem Besuch eines Internates ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zugrunde liege, sei die Legitimation zur Erhebung einer Berufung nicht gegeben.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, eventualiter Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Verbindung der Beschwerden zur gemeinsamen Erledigung beschlossen und darüber erwogen:

§ 38 SchOG in der Fassung der 11. Novelle BGBl. Nr. 327/1988 lautet:

"§ 38. (1) Höhere Internatsschulen sind allgemeinbildende höhere Schulen, die mit einem Schülerheim derart organisch verbunden sind, daß die Schüler nach einem einheitlichen Erziehungsplan Unterricht, Erziehung und Betreuung, ferner Unterkunft und Verpflegung erhalten.

(2) In erziehlicher Hinsicht haben die Höheren Internatsschulen insbesondere die Aufgabe, die Erziehung auf lebenskundlichem Gebiet zu gewähren sowie die musischen Anlagen der Zöglinge, ihre Ausbildung in Fertigkeiten, ihre Leibeserziehung und ihre Beziehungen zur Gemeinschaft zu fördern.

(3) Höhere Internatsschulen können auch als Werkschulheime geführt werden, wobei der Bildungsgang gegenüber dem im § 35 vorgesehenen Ausmaß bis zu einem Schuljahr verlängert werden kann.

(4) Die Höheren Internatsschulen können auch als Anstalten für Knaben oder als Anstalten für Mädchen geführt werden."

Die Beschwerdeführer vertreten - zusammengefaßt - im wesentlichen die Auffassung, daß es sich bei der HIB um eine unteilbare öffentlich-rechtliche Erziehungsanstalt handle. Es sei daher von einer Unteilbarkeit der Aufnahme in Schule und Internat auszugehen. Auch auf den Internatsbetrieb seien das Schulunterrichtsgesetz und das Schulorganisationsgesetz anzuwenden. Die Nichtaufnahme in das Internat sei als Ausschluß von der Schule gemäß § 49 SchUG zu werten, wobei - abgesehen vom Fehlen eines Ausschlußgrundes - das vorgesehene Ausschlußverfahren nicht angewendet worden sei. Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters des Internatsverhältnisses seien die gemäß § 5 Abs. 2 SchUG zulässigen kostendeckenden Internatsgebühren mit Bescheid vorzuschreiben; dies sei jedoch nicht geschehen. Da es an einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis fehle, sei die Fälligkeit hinsichtlich der bisher nicht bezahlten Internatsbeiträge nicht eingetreten, weshalb auch nicht von Zahlungsrückständen gesprochen werden könnte. Aufgrund der Bestimmung des Art. 14 Abs. 6 B-VG, wonach öffentliche Schulen und Schülerheime allgemein ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechtes, der Rasse, des Standes, der Klasse, der Sprache und des Bekenntnisses, im übrigen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen zugänglich seien, folge weiters, daß die Aufnahme in das Internat nicht von der Bezahlung von Beiträgen abhängig gemacht werden dürfe. Folge man der Auffassung der belangten Behörde, daß ein von der Schule getrenntes privates Schülerheim vorhanden sei, so sei gemäß § 23 Abs. 1 des Privatschulgesetzes der Landesschulrat für dieses Schülerheim, nicht jedoch der Bundesminister für Unterricht und Kunst zuständig. Für die Auffassung der Beschwerdeführer spreche im übrigen auch die den Schul- und Heimbetrieb regelnde Hausordnung, als deren gesetzliche Grundlage § 38 Abs. 1 SchOG und die §§ 44 und 58 SchUG genannt würden.

Diesem Vorbringen kommt - teilweise - Berechtigung zu.

Nach dem oben widergegebenen § 38 SchOG sind Höhere Internatsschulen des Bundes allgemeinbildende höhere Schulen, die mit einem Schülerheim derart organisch verbunden sind, daß die Schüler nach einem einheitlichen Erziehungsplan Unterricht, Erziehung und Betreuung, ferner Unterkunft und Verpflegung erhalten.

Schon der im Gesetz enthaltene Hinweis auf die "organische Verbindung" von Schule und Heim spricht dafür, daß Höhere Internatsschulen eine EINHEITLICHE öffentlich-rechtliche Errichtung darstellen. Dies bestätigen auch die Materialien, wonach es sich beim Internatsschulwesen um eine selbständige Schulform handelt. Das Charakteristikum dieser Schulform sei die organische Verbundenheit von Schule und Internat, welche in der Einheit des Erziehungsplanes ihren Ausdruck findet (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 733 Blg. NR 9. GP., 34 f). Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß die Höheren Internatsschulen "daher streng von jenen Schulen unterschieden werden (müssen), denen ein Schülerheim nur angeschlossen ist".

Daraus ergibt sich aber, daß Schule UND Internat einer Höheren Internatsschule eine EINHEIT bilden, auf die die schulrechtlichen Vorschriften, insbesondere das Schulunterrichtsgesetz, zur Anwendung kommen. (So bestimmt etwa § 1 dieses Gesetzes, daß es für die öffentlichen und die mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen der im Schulorganisationsgesetz geregelten Schularten gilt.) Mit der Aufnahme in die Schule (vgl. §§ 3 bis 5 SchUG) ist daher ipso iure die Aufnahme in das Internat verbunden; ein Ausschluß aus der Schule, der im übrigen nur aus den Gründen des § 49 SchUG erfolgen darf, hat zwingend den Verlust des Heimplatzes zur Folge.

Auf den Beschwerdefall angewendet bedeutet dies, daß ein Ausschluß aus dem Internat wegen der - als Ausschlußgrund in § 49 leg. cit. gar nicht vorgesehenen - Nichtbezahlung von Internatsbeiträgen - unabhängig von der Frage ihrer gesetzlichen Grundlagen - unzulässig ist.

Der Erfolg der Beschwerde ist aber letztlich davon abhängig, wie die "Entscheidung" des Schulleiters der HIB, die Beschwerdeführer nicht in das Internat aufzunehmen, rechtlich zu qualifizieren ist. Auszugehen ist dabei von § 71 Abs. 9 SchUG, wonach gegen Entscheidungen, die weder im Abs. 1 noch im Abs. 2 genannt werden, noch von einer Schulbehörde zu treffen sind, eine Berufung nicht zulässig ist. Die Erklärung des Schulleiters, in eine Höhere Internatsschule des Bundes aufgenommenen Schüler nicht in das damit organisch verbundene Schülerheim aufzunehmen, ist in den genannten Bestimmungen nicht erwähnt. Nach dem dem Schulunterrichtsgesetz zugrundeliegenden Konzept liegt daher im Beschwerdefall gar kein Verwaltungsakt vor, dessen Bekämpfung mit Berufung zulässig ist (vgl. auch das die Zweitbeschwerdeführerin betreffende Erkenntnis vom 15. November 1993, Zl. 93/10/0163, bezüglich Teilnahme an einer Schulveranstaltung). Die Berufungen der Beschwerdeführer wurden daher zu Recht zurückgewiesen.

Aufgrund dieser Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Für den die Beschwerdefälle Zl. 92/10/0464 und 0466 gemeinsam behandelnden Verwaltungsakt konnte der Vorlageaufwand nur einmal zugesprochen werden.

Zufolge der Erledigung der Beschwerden erübrigt sich die Entscheidung über die damit verbundenen Anträge auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung.

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