VwGH 92/09/0398

VwGH92/09/039822.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der L in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Landeslehrer für Allgemeinbildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Burgenland vom 18. November 1992, Zl. LSR/III-DK-50/35-1992, betreffend Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §123 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs2;
LDG 1984 §47 Abs3;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §74;
LDG 1984 §87 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §92;
LDG 1984 §93 Abs1;
LDG 1984 §93 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §123 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §29 Abs2;
LDG 1984 §47 Abs3;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §74;
LDG 1984 §87 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §92;
LDG 1984 §93 Abs1;
LDG 1984 §93 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschullehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Burgenland. Sie ist der Volksschule XY zur Dienstleistung zugewiesen.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1992 meldete die Schulleiterin dieser Volksschule an den Landesschulrat einen Vorfall, der sich während der Zehnminutenpause (11.35 bis 11.45 Uhr) und im Anschluß daran am 19. Mai 1992 im Schulhof abgespielt habe. Danach sei es zwischen zwei Schülern der 3a und 3b, N. und H., zu einer Rangelei gekommen, in deren Verlauf H. dem N. mit der Faust einen Schlag ins Gesicht versetzt habe. N. sei von Mitschülern des H. aufgefordert worden, sich zu seiner Klassenreihe zu begeben. Die Beschwerdeführerin habe N. wieder aus der Reihe genommen und ihn H. gegenübergestellt. N. habe H. so gestoßen, daß dieser zu Sturz gekommen sei. Die Beschwerdeführerin habe H. an den Schultern niedergehalten, worauf ihn N. mit gekretschten Beinen im Rumpfbereich fixiert und mit seinen Fäusten auf den Rücken des H. eingetrommelt habe. Die Beschwerdeführerin habe N. mit den Worten angefeuert:

"Gib ihm Gib ihm nur". Die Religionslehrerin St. habe mit den Worten: "L, laß ihn bitte" versucht, besänftigend auf die Beschwerdeführerin einzuwirken. Die Beschwerdeführerin habe ganz laut geschrien: "Des g"hert so" Einige Mitschüler des H. aus der 3b hätten ihrem Kameraden helfen wollen, darunter auch D. Die Beschwerdeführerin habe D. weggestoßen, ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Kopf versetzt und ihn an seinem Sweater mit den Worten in die Klasse gezogen: "Du kümmere Dich um Deine Sachen, Dich geht das gar nichts an."

Der Bericht wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis vorgelegt, von ihr jedoch nicht unterschrieben. Eine Fotokpie des Berichtes wurde ihr ausgehändigt. Die Religionslehrerin St. gab an: "Was da niedergeschrieben ist, habe ich nicht gesehen. Ich bin auf der anderen Seite gestanden - bei den anderen Klassen."

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme durch den Bezirksschulrat gab die Beschwerdeführerin am 10. Juni 1992 an, sie habe niemanden geschlagen, sondern lediglich Tätlichkeiten verhindern wollen. Sie sei bei diesem Vorfall nur beruhigend eingeschritten.

Durch Verfügung des amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates (im folgenden LSR) vom 10. Juni 1992 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 80 Abs. 1 des Landes-Lehrerdienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984) vorläufig vom Dienst suspendiert. Mit Bescheid vom 18. November 1992 hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin wegen dieses Vorfalles unter Kürzung ihres Monatsbezuges auf zwei Drittel (endgültig) nach § 80 Abs. 3 LDG 1984 suspendiert. Über die dagegen von ihr erhobene Berufung ist bisher noch nicht entschieden worden.

In der Folge wurden am 30. Juni 1992 die am Vorfall beteiligten Schüler N., H. und D. im LSR einvernommen.

Mit Schreiben vom 20. Juli 1992 erstattete der LSR an die belangte Behörde Disziplinaranzeige gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes der Verletzung des Verbotes der körperlichen Züchtigung gemäß § 47 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) und des Verdachtes der Anstiftung, Beihilfe sowie der unmittelbaren Täterschaft der körperlichen Mißhandlung gemäß §§ 12 und 115 StGB, wobei das Verhalten der Beschwerdeführerin im einzelnen umschrieben wurde. Als Beweismittel wurden der Bericht der Volksschule XY sowie die niederschriftlichen Aussagen der einvernommenen Schüler übermittelt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. November 1992 beschloß die belangte Behörde, gemäß § 92 LDG 1984 gegen die Beschwerdeführerin ein Disziplinarverfahren einzuleiten und gemäß § 93 LDG 1984 eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß). Die Beschwerdeführerin werde beschuldigt, sie habe

a) dem Schüler D. am 19. Mai 1992 um ca. 11.45 Uhr im Schulhof der Volksschule XY einen Schlag auf den Kopf versetzt und ihn am Pullover gezogen und dadurch gegen § 47 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz verstoßen,

b) den Schüler N. am 19. Mai 1992 um ca. 11.45 Uhr im Schulhof der Volksschule XY zur körperlichen Mißhandlung des Schülers H. mehrmals in etwa mit den Worten aufgefordert "N, gib"s ihm zurück" bzw. "gib" ihm" bzw. "N, hau" ihn zurück" angestiftet und dadurch gegen § 47 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes verstoßen,

c) den Schüler H. am selben Tag mit der Hand niedergedrückt und in knieender Stellung festgehalten, damit Beihilfe zur Mißhandlung des Schülers geleistet und dadurch gegen § 47 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes verstoßen und

d) andere Schüler der Volksschule XY an der Hilfeleistung gegenüber H., in dem sie sie aufgefordert habe: "Geht zurück" gehindert, und dadurch gegen § 47 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes verstoßen und somit Dienstpflichtverletzungen im Sinne der §§ 29 und 69 LDG 1984 begangen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde im wesentlichen auf die Disziplinaranzeige des Landesschulrates vom 20. Juli 1992 und gab die dort enthaltenen Anschuldigungen (im wesentlichen mit den Punkten a) bis d) übereinstimmend) wieder. Als Beweismittel seien Kopien des Berichtes der Volksschule XY vom 22. Mai 1992 sowie die niederschriftlichen Aussagen der Schüler N., H. und D. vom 30. Juni 1992 übermittelt worden. Nach Wiedergabe der im Spruch genannten Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, auf Grund der vorgelegten Unterlagen bestehe der dringende Verdacht der Dienstpflichtverletzungen der Beschwerdeführerin durch körperliche Züchtigung des Schülers D., Anstiftung des Schülers N. zur körperlichen Mißhandlung des Schülers H. sowie Beihilfe zur körperlichen Mißhandlung von H. durch N. durch Niederdrücken und Festhalten von H. Die Beschwerdeführerin habe sich bei ihrer Einvernahme im Beisein ihres Rechtsbeistandes am 10. Juni 1992 beim BSR Neusiedl/See über die Vorfälle am 19. Mai 1992 wie folgt verantwortet:

"Ich habe niemanden geschlagen, habe lediglich Tätlichkeiten verhindern wollen, ich bin bei dem ganzen Vorfall lediglich beruhigend eingeschritten."

Der begründete Verdacht habe hiedurch nicht entkräftet werden können. Körperliche Züchtigung sei durch § 47 Abs. 3 SchUG ausdrücklich untersagt. Ein derartiges Verhalten verstoße gegen § 29 LDG 1984, wonach der Lehrer die ihm obliegenden Unterrichts- und Erziehungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu besorgen habe. Da die Schule vom Vertrauen der Allgemeinheit in die Sachlichkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben getragen werde, sei dem Landeslehrer im § 29 Abs. 2 LDG 1984 aufgetragen, sich dieses Vertrauen zu erhalten. Wenn Erziehungsberechtigte befürchten müßten, daß ihre Kinder von einem Lehrer gezüchtigt würden, sei die unerläßliche Vertrauensbasis zwischen Lehrer und Erziehungsberechtigten zerstört. Durch die oben angeführten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen würden nach Auffassung der belangten Behörde das Ansuchen der Schule und wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Als besonders gravierend werde auch angesehen, daß die Beschwerdeführerin bereits zweimal rechtskräftig wegen Disziplinarvergehen verurteilt worden sei, wobei ein Disziplinarerkenntnis wegen körperlicher Züchtigung von Schülern verhängt worden sei.

Im Abschnitt "Hinweise" wurde der Beschwerdeführerin die Zusammensetzung der belangten Behörde für die mündliche Verhandlung bekanntgegeben; ferner wurde unter anderem auch mitgeteilt, daß als Zeugen neben der Schulleiterin der Volksschule XY auch zwei Lehrer, darunter auch St. sowie die Schüler N. und H. und deren Erziehungsberechtigte geladen werden würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 29 Abs. 1 LDG 1984 ist der Lehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Lehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 47 Abs. 3 SchUG sind körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen verboten.

Nach § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen dieses Abschnittes zur Verantwortung zu ziehen.

Gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Ist nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat nach § 93 Abs. 1 LDG 1984 die Disziplinarkommission die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß) und zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. Die mündliche Verhandlung ist so anzuberaumen, daß zwischen ihr und der Zustellung des Beschlusses ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegt.

Im Verhandlungsbeschluß sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluß ist kein Rechtsmittel zulässig (§ 93 Abs. 2 leg. cit.).

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, nicht ohne die gesetzlichen Voraussetzungen in ein Disziplinarverfahren "involviert" und Subjekt einer mündlichen Disziplinarverhandlung zu werden sowie im Recht der Vornahme der notwendigen und erforderlichen Ermittlungen vor Einleitung eines Disziplinarverfahrens bzw. Anberaumung einer mündlichen Verhandlung verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt sie im wesentlichen vor, im angefochtenen Bescheid würden ihr zwei Straftaten zur Last gelegt, nämlich einerseits die Anstiftung zur Mißhandlung des H. und die Beihilfe zur Mißhandlung dieses Schülers. Bei beiden Anschuldigungspunkten handle es sich um ein und denselben Vorfall, wie aus dem Akteninhalt und der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorgehe. Da sie sich nur an EINER Mißhandlung (also an EINER Tat des unmittelbaren Täters N.) beteiligt habe, hätte ihr die belangte Behörde auch nur eine Dienstpflichtverletzung zur Last legen dürfen: Richtigerweise hätte sie nur beschuldigt werden dürfen, sie habe sich daran, daß der Schüler N. am 19. Mai 1992 um ca. 11.45 Uhr im Schulhof der Volksschule XY den Mitschüler H. mißhandelt habe, dadurch beteiligt, daß sie den Schüler N. durch Zurufe zur Mißhandlung bestimmt (angestiftet) und dazu auch noch Beihilfe geleistet habe, in dem sie H. niedergedrückt und in knieender Stellung festgehalten habe.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Das LDG 1984 stellt - ebenso wie z.B. das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1977 oder das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 oder die Dienstpragmatik - zum Unterschied vom allgemeinen Strafrecht keine einzelnen Straftatbestände mit entsprechenden Strafdrohungen auf, sondern überläßt es der Beurteilung der Disziplinarbehörde, ob in einem bestimmten Verhalten des beschuldigten Lehrers eine Dienstpflichtverletzung zu erblicken ist (vgl. z.B. das zum BDG 1977 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1980, Zl. 226/80 = Slg. Nr. 10.135/A). Die Bedeutung von Verhaltensweisen ist dabei aus disziplinärer Sicht zu beurteilen, wobei das gesamte Verhalten des Lehrers mit in die rechtliche Beurteilung miteinbezogen werden muß. Wie sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit seiner Begründung ergibt, hat die belangte Behörde die unter den Anschuldigungspunkten a) bis d) dargestellten Vorgänge disziplinarrechtlich unter dem Gesichtspunkt des § 47 Abs. 3 SchUG (Züchtigungsverbot) als Dienstpflichtverletzung nach § 29 Abs. 1 (Teiltatbestand: Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung) bzw. nach Abs. 2 LDG 1984 (Vertrauenswahrung) gewertet. Ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Kritik an der (an strafrechtlichen Maßstäben orientierten) Umschreibung ihres Verhaltens unter den Anschuldigungspunkten b) und c) gemessen am StGB (also in strafrechtlicher Hinsicht) zu Recht erfolgte oder nicht, ist für die disziplinarrechtliche Bewertung, insbesondere auch vor dem Hintergrund der angewandten materiellen Disziplinartatbestände, ohne Bedeutung. Daß das der Beschwerdeführerin unter den Anschuldigungspunkten b) und c) zur Last gelegte Verhalten (soweit sie es gesetzt hat) dem § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 in rechtlicher Hinsicht unterstellt werden kann, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Die Beschwerdeführerin bringt ferner unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, der Vorwurf der Verhinderung der Hilfeleistung anderer Schüler werde zu Unrecht als disziplinäres Verhalten zur Last gelegt. Dadurch habe sie bloß verhindern wollen, daß sich diese Schüler auf die raufenden Schüler H. und N. stürzten. Deren Hilfeleistung hätte nach der Situation nur in der Einmengung in die Rauferei der beiden Schüler bestehen können, was zu weiteren Mißhandlungen geführt hätte. Deren Verhinderung könne ihr doch wirklich nicht disziplinär zum Vorwurf gemacht werden; es sei schon nach der Aktenlage auszuschließen, daß sie diesbezüglich ein Disziplinarvergehen zu verantworten hätte.

Dem ist zu erwidern, daß auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die im Anschuldigungspunkt d) umschriebene Situation nicht offenkundig nur als - disziplinarrechtlich nicht zu beanstandende - Verhinderung einer "Massenrauferei" gewertet werden kann. Unter Berücksichtigung der Funktion des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses (siehe dazu näher unten) war es daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auch diesen Punkt in den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß miteinbezog. Freilich wird die endgültige Klärung und rechtliche Bewertung dieses Verhaltens im abschließenden Disziplinarverfahren in Auseinandersetzung mit dem rechtserheblichen Vorbringen der Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der damaligen Gesamtsituation zu erfolgen haben.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, aus den §§ 92 und 93 LDG 1984 sei abzuleiten, daß die Disziplinarkommission nicht in jedem Fall auf Grund einer Disziplinaranzeige ein Disziplinarverfahren einzuleiten und einen Verhandlungsbeschluß zu fassen habe. Der Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß sei erst und nur dann zu fassen, wenn nach einer Vorprüfung der Anzeige und nach einer Vorabklärung des Sachverhaltes, die auch ergänzende Erhebungen und Ermittlungen zu umfassen habe, ein hinreichender Tatverdacht gegeben erscheine. Es sei also Aufgabe der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige für eine umfassende Sachverhaltsaufklärung zu sorgen, wobei natürlich auch entlastende Umstände aufgeklärt werden müßten. Erst wenn nach Vorliegen sämtlicher Erhebungsergebnisse noch immer ein hinreichender Tatverdacht gegeben erscheine, sei die Disziplinarkommission berechtigt, das Disziplinarverfahren einzuleiten und den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß zu fassen. Im Beschwerdefall sei der belangten Behörde die am 16. Juni 1992 erfolgte niederschriftliche Aussage der Religionslehrerin St. nicht vorgelegt worden. Sie hätte für deren Vorlage sorgen und wegen der Widersprüchlichkeiten innerhalb der Aussagen der einvernommenen Schüler ergänzende Ermittlungen anstellen müssen; sie hätte z.B. den LSR bzw. Landesschulinspektor anweisen müssen, aufzuklären, welche weiteren Zeugen (Kinder) sich in unmittelbarer Nähe des Vorfalles befunden hätten und für ihre Einvernahme sorgen müssen. Die Unterlassung der belangten Behörde, vor Einleitung des Disziplinarverfahrens notwendige Ermittlungen aufzutragen und auf die ausreichende Klärung des Sachverhaltes hinzuwirken, belaste den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, daß bei hinreichender Klärung des Sachverhaltes das Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführerin nicht hätte eingeleitet werden dürfen (Hinweis auf § 92 Abs. 4 LDG 1984).

Dem ist folgendes zu erwidern:

Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens haben das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind und ob allenfalls (offenkundige) Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens (in der Regel nach § 87 Abs. 1 Z. 1 bis 3 LDG 1984) vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Lehrer vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Rechtslage nach dem BDG 1979 vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, und vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112). Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Lehrer eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Lehrer zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 92 Abs. 1 LDG 1984 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Lehrer gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzungen ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. dazu das zum BDG 1979 ergangene hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0190, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind im Spruch des Verhandlungsbeschlusses die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Daraus folgt, daß im Anschuldigungspunkt der dem Beschuldigten angelastete strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Aus dem Begriff der Anschuldigung folgt weiters, daß anzugeben ist, welche Dienstpflichten der beschuldigte Beschwerdeführer im einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0281, und die angeführte Vorjudikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die aus der Beschwerde ableitbare Auffassung, die Disziplinaranzeige komme (unter keinen Umständen) als ausreichende Grundlage für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in Betracht. Wie er bereits in seinem Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0061 (ebenso im Erkenntnis vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0044) dargelegt hat, ist die Disziplinarkommission nicht gezwungen, vor der Erlassung des Einleitungsbeschlusses über die Disziplinaranzeige hinausgehende Ermittlungen durchführen zu lassen. Weitere Ermittlungen werden in dieser Phase nur im Zweifelsfall notwendig sein. Ein solcher liegt vor, wenn die bisherigen Erhebungen der Dienstbehörde, die in der Disziplinaranzeige ihren Niederschlag gefunden haben, weder die Offenkundigkeit eines zur Einstellung führenden Tatbestandes (in der Regel nach § 87 Abs. 1 Z. 1 bis 3 LDG 1984) ergeben noch einen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ausreichenden Tatverdacht begründen; ob dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.

Es ist daher der Disziplinarkommission nicht verwehrt, ihre Entscheidung in dieser Phase des Disziplinarverfahrens ausschließlich auf Grund der Disziplinaranzeige (ohne weitere Ermittlungen) zu treffen. Macht sie davon Gebrauch, bleibt freilich zu prüfen, ob sie - unter Berücksichtigung der Funktion und der Stellung des Einleitungs- bzw. Verhandlungsbeschlusses (bzw. der Voraussetzungen für die Einstellung) im Disziplinarverfahren - damit ihrer Verpflichtung zu einer für die Erlassung ihres Bescheides ausreichenden Sachverhaltsermittlung nachgekommen ist.

Soweit die Beschwerde darauf abzielt, die belangte Behörde hätte vor Erlassung des angefochtenen Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses weitere Ermittlungen anstellen müssen, reichen auf dem Boden der oben dargelegten Rechtslage nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die in der Disziplinaranzeige (einschließlich der vorgelegten Unterlagen) enthaltenen Tatsachen sowie die darin gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Beschuldigungen für die berechtigte Annahme der belangten Behörde aus, gegen die Beschwerdeführerin liege ein für die Einleitung des Disziplinarverfahrens ausreichender Tatverdacht vor. Der angefochtene Bescheid umschreibt mit der nötigen Bestimmtheit das der Beschwerdeführerin - im Verdachtsbereich - zur Last gelegte Verhalten. In Verbindung mit den der Disziplinaranzeige zugrunde gelegten Unterlagen, auf die auch der angefochtene Bescheid verweist, ist auch hinreichend erkennbar, worauf sie im Beschwerdefall den Verdacht disziplinär zu ahndender Dienstpflichtverletzungen stützt.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind die Aussagen der einvernommenen am Vorfall beteiligten Schüler, die im wesentlichen die angelasteten Vorfälle bestätigen, - jedenfalls im Kernbereich - nicht widersprüchlich, sodaß deshalb in dieser Phase des Disziplinarverfahrens keine weiteren Ermittlungen notwendig waren.

Es trifft zwar zu, daß die Aussage der am 16. Juni 1992 einvernommenen Religionslehrerin St. weder der Disziplinaranzeige angeschlossen war noch im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den angefochtenen Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß der belangten Behörde vorlag. Allerdings stand der belangten Behörde die oben wiedergegebene Stellungnahme von St. auf der Anzeige der Schulleiterin der Volksschule XY vom 22. Mai 1992 zur Verfügung, die allerdings keinen Hinweis dafür enthält, daß diese Zeugin OFFENKUNDIG zur Entkräftung des angesichts der übrigen Unterlagen bestehenden Tatverdachtes beitragen könne.

Vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage war es daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde, gestützt auf die Disziplinaranzeige und die ihr angeschlossenen Unterlagen, mangels deutlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen offenkundiger Einstellungsgründe ohne weiteres Ermittlungsverfahren den angefochtenen Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß faßte. Es wird vielmehr Aufgabe der mündlichen Disziplinarverhandlung sein, das der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verhalten nach Beweisaufnahme (siehe dazu auch die im Verhandlungsbeschluß angeführten Zeugen, zu denen auch St. zählt) einer abschließenden rechtlichen Würdigung zu unterziehen.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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