VwGH 92/09/0384

VwGH92/09/038422.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des JT in G, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. November 1992, Zl. I/2-St-9210, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2 idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §2 Abs2 idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund von Gendarmerieanzeigen gegen drei namentlich genannte polnische Staatsangehörige nach dem Paß-, Fremdenpolizei- und Meldegesetz wurde auch gegen den Beschwerdeführer ein Verwaltungsstrafverfahren, und zwar nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) geführt, weil sich aus den Anzeigen Hinweise auf eine unerlaubte Beschäftigung dieser drei Ausländer als landwirtschaftliche Arbeiter durch den Beschwerdeführer ergaben.

Der Beschwerdeführer rechtfertigte sich gegenüber diesem Vorwurf dahin, daß er die drei Polen schon länger kenne und auch schon mit seiner Gattin bei diesen in Polen zu Gast gewesen sei. Eine Beschäftigung dieser Männer in seiner Landwirtschaft bestritt der Beschwerdeführer, sie hätten von ihm auch keine Geldzuwendungen erhalten. Allerdings gewähre der Beschwerdeführer ihnen Kost und Quartier, wie es auch seiner Familie in Polen gewährt worden sei. Bei ihrer Anhaltung am 28. Oktober 1990 seien die drei Polen aus Gefälligkeit und ohne Entgelt über Ersuchen eines Bekannten des Beschwerdeführers zur Fütterung von dessen Rindern unterwegs gewesen. Die drei Polen sprächen kaum deutsch, sodaß unerfindlich sei, wie die Gendarmerie aus ihnen die in der Anzeige enthaltenen Hinweise habe herausholen können.

Nach Rückfrage beim Anzeiger, nach Einvernahme der Zeugen Dipl.Ing. W und MT und nach Gewährung von Akteneinsicht an den Vertreter des Beschwerdeführers sprach die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (BH) den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 21. Oktober 1991 dreier Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG iVm § 3 Abs. 1 AuslBG schuldig, weil er, wie anläßlich einer Verkehrskontrolle am 28. Oktober 1990 festgestellt worden sei, die drei namentlich genannten Polen jedenfalls seit Anfang September 1990 mit landwirtschaftlichen Hilfsarbeiten beschäftigt habe, ohne daß die erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen bzw. Befreiungsscheine vorgelegen seien. Die BH verhängte dafür über den Beschwerdeführer Geldstrafen von insgesamt S 15.000,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen.

Die BH erachtete die Übertretung auf Grund der Anzeige sowie der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens als eindeutig erwiesen. Aus der Stellungnahme des Meldungslegers, welcher einer qualifizierten Wahrheitsverpflichtung unterliege, ergebe sich, daß die drei Polen, wenn auch in gebrochenem Deutsch, übereinstimmend angegeben hätten, sie seien beim Beschwerdeführer in der Landwirtschaft beschäftigt und müßten Tiere füttern. Sie hätten Arbeitskleidung getragen und einen Kastenwagen des Beschwerdeführers gelenkt. Auch hätten sie angegeben, vom Beschwerdeführer Geld zu bekommen. Diese Angaben seien glaubwürdig, weshalb sich eine zeugenschaftliche Einvernahme der Polen erübrige. Der Beschwerdeführer lasse außer acht, daß gerade der Meldungsleger im vorliegenden Verfahren fremdenpolizeilich bestens geschult und ausgebildet sei. Darüber hinaus gebe es bei den Gendarmerieposten speziell für die Verständigung mit Ausländern vorprogrammierte Fragen in der jeweiligen Landessprache, welche den Fremden zur Beantwortung vorgelegt werden könnten. Daß die Polen Analphabeten seien, sei im gesamten Verfahren nicht behauptet worden. Die BH sei ferner davon ausgegangen, daß die drei Polen seit ihrer Einreise beim Beschwerdeführer als landwirtschaftliche Hilfsarbeiter tätig gewesen seien, aber selbst wenn man die für den Beschwerdeführer günstigere Möglichkeit annähme, wonach die drei Polen nur über das Wochenende (drei Tage) im Auftrag des Beschwerdeführers die Rinder des Zeugen W betreut hätten, sei die Verwaltungsübertretung verwirklicht, weil dies als ein dienstnehmerähnliches Verhältnis zu werten wäre. Die Strafe sei an der äußersten Untergrenze pro unerlaubt beschäftigtem Dienstnehmer festgelegt worden und entspreche dem § 19 VStG.

In seiner dagegen erhobenen Berufung hielt der Beschwerdeführer daran fest, daß die Polen bei ihm zu Gast gewesen seien, jedoch kein Beschäftigungs- oder dienstnehmerähnliches Verhältnis vorgelegen sei. Sie hätten am 28. Oktober 1990 nur einmalig die Rinder des Zeugen W gefüttert. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Aussagen und wäre durch Einvernahme der Polen bestätigt worden. Die BH sei daher von nicht bewiesenen Vermutungen ausgegangen. Auch seien die Deutschkenntnisse der Polen von der BH trotz diesbezüglicher Anträge des Beschwerdeführers nicht überprüft worden.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 30. März 1992 ein, welches neuerlich auf die Anzeige sowie darauf verwies, daß den Polen "von den Gendarmeriebeamten auch vorprogrammierte Fragen in ihrer Landessprache vorgelegt" worden seien. Auch seien die Beamten fremdenpolizeilich geschult, sodaß der Sachverhalt ausreichend ermittelt sei. Die Einwände des Beschwerdeführers könnten nicht widerlegen, daß die drei Polen in seinem Auftrag tätig gewesen seien, wobei die Dauer der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung rechtlich irrelevant sei.

Zu diesen Ausführungen wurde dem Beschwerdeführer das Parteiengehör gewährt, und er nahm dazu am 13. Oktober 1992 im Sinne seines bisherigen Vorbringens Stellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. November 1992 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe keine Folge, daß der Beschwerdeführer die drei namentlich genannten Polen in der Zeit vom 3. September 1990 bis 28. Oktober 1990 in seinem landwirtschaftlichen Anwesen in Gänserndorf ohne Beschäftigungsbewilligungen bzw. Befreiungsscheine beschäftigt habe. Begründend führte die belangte Behörde aus, die drei Polen seien ohnehin, nämlich anläßlich ihrer Festnahme von der Gendarmerie einvernommen worden. Sie hätten damals übereinstimmend "gegenüber den dem Diensteid verpflichteten Organwaltern" angegeben, sie würden beim Beschwerdeführer arbeiten und wohnen. Da Normadressat der Strafbestimmungen des AuslBG nur der Arbeitgeber sei, hätten die Polen keine Strafverfolgung zu fürchten und daher auch keinen Anlaß, diesbezüglich die Unwahrheit zu sagen. Auch aus der Aussage der Zeugin MT ergebe sich, daß die Polen im Auftrag des Beschwerdeführers tätig geworden seien, noch dazu in Arbeitskleidung und mit seinem Fahrzeug. Diese Zeugin habe auch angegeben, sie komme für Unterbringung und Verpflegung auf. Aus all dem ergebe sich zweifelsfrei eine nach dem AuslBG verpönte Beschäftigung der Polen in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, daß die drei Polen am 3. September 1990 eingereist und seither bei ihm auf Besuch seien; einer von ihnen sei aber bereits seit 31. Mai 1988 beim Beschwerdeführer gemeldet. Ein mehr als zweijähriger "Besuch" scheine wenig lebensnah. Auch sei es unglaubwürdig, daß schwere körperliche Arbeit ausschließlich gegen Kost und Quartier geleistet werde. Abgesehen davon sei schon eine Naturalentlohnung als Einkommensbestandteil anzusehen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers stellten daher bloße Schutzbehauptungen dar. Daß die Deutschkenntnisse der drei Polen ausgereicht hätten, könne die belangte Behörde annehmen, zumal sie sich schon einige Zeit (einer von ihnen schon länger) in Österreich aufgehalten und offensichtlich im täglichen Leben problemlos zurechtgefunden hätten. Außerdem spielten die nicht perfekten Deutschkenntnisse insofern eine untergeordnete Rolle, als sich die fremdenpolizeilich geschulten Organwalter mit den Polen unter Zuhilfenahme vorgefaßter Standardsätze (in polnisch/deutsch) ausreichend hätten verständigen können. Aus diesem Grunde und weil davon keine neuen relevanten Tatsachen zu erwarten seien, habe von der beantragten neuerlichen Vernehmung der drei Polen abgesehen werden können. Es seien daher die vorliegenden Aussagen der Polen glaubwürdiger als die Darstellung des Beschwerdeführers und daher der Entscheidung zugrunde zu legen gewesen. Dies reiche aus, um den Beschwerdeführer der zur Last gelegten konsenslosen Beschäftigung von Ausländern als unwiderlegbar überführt und damit als schuldig anzusehen. Des weiteren setzte sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Strafbemessung näher auseinander.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht nach dem AuslBG bestraft zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß BGBl. Nr. 450/1990 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Als "Beschäftigung" gilt - soweit die Regelung für den Beschwerdefall in Betracht kommt - gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (lit. b). Der Begriff der Beschäftigung ist daher durch § 2 Abs. 2 AuslBG - soweit dies für den Beschwerdefall in Betracht kommt - in der Weise bestimmt, daß die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis erfolgen muß; maßgebend ist daher, daß die Tätigkeit in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 1990, Zl. 90/09/0062, und vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0193).

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde - und zwar ausschließlich gestützt auf die (gegen die drei Ausländer nach anderen gesetzlichen Bestimmungen als denen des AuslBG erfolgte) Gendarmerieanzeige - eine "Beschäftigung" der drei Polen durch den Beschwerdeführer in dessen landwirtschaftlichem Betrieb in der Zeit vom 3. September 1990 bis zum 28. Oktober 1990 als erwiesen angenommen. Der Beschwerdeführer erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschdeides darin, daß die belangte Behörde zu diesen für seine Verurteilung ausschlaggebenden Feststellungen auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens gelangt sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, daß der in der Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Da der Verwaltungsgerichtshof im Falle einer Bescheidbeschwerde nur eine nachprüfende Tätigkeit auszuüben, keinesfalls aber eine Sachentscheidung zu treffen hat, kann die Beweiswürdigung nur insoweit überprüft werden, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Wesentliche Mängel in der Sachverhaltserhebung und bei der Beweiswürdigung führen zu einer Aufhebung des Bescheides (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 548 ff angeführte Judikatur).

Der Beschwerdeführer ist im Ergebnis im Recht, wenn er im Beschwerdefall derartige wesentliche Mängel in der Sachverhaltserhebung geltend macht. Eine niederschriftliche Einvernahme der drei Polen ist nicht aktenkundig und zum Thema eines Verstoßes des Beschwerdeführers gegen das AuslBG auch offenbar überhaupt nie erfolgt. Mit Rücksicht auf das einer nach dem AuslBG verbotenen Beschäftigung dieser drei Ausländer entgegenstehende Vorbringen des Beschwerdeführers hätte sich die belangte Behörde auch nicht mit einem bloßen Hinweis auf die Gendarmerieanzeige begnügen dürfen, aus welcher sich außerdem weder ein verwertbarer Hinweis auf die Sprachkenntnisse der drei Polen noch der geringste Hinweis auf die Verwendung "vorprogrammierter Fragen" oder "vorgefaßter Standardsätze" (auf polnisch und deutsch) ergibt.

Unklar ist auch geblieben, wie die belangte Behörde zur Feststellung einer Tatzeit vom 3. September 1990 bis zum 28. Oktober 1990 gekommen ist, zumal nicht einmal aus der als einziges Beweismittel herangezogenen Gendarmerieanzeige hervorgeht, daß die drei Polen bereits ab ihrer Einreise nach Österreich für den Beschwerdeführer gearbeitet hätten. Ermittlungen in dieser Richtung wären schon deshalb erforderlich gewesen, weil eine bloß einmalige Betrauung der drei Polen mit der Tierfütterung für einen Dritten am 28. Oktober 1990, wie sie der Beschwerdeführer behauptet und die Zeugen Dipl.Ing. W und MT bestätigt haben, noch keine nach dem AuslBG zu beurteilende Beschäftigung dargestellt haben muß (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0158, und vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0193). Erst das Ergebnis solcher ergänzender Ermittlungen wird eine begründete und nachprüfbare Beurteilung der für ein Beschäftigungsverhältnis, aber auch für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis nach dem AuslBG entscheidenden Frage einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der drei Polen vom Beschwerdeführer als deren Arbeitgeber zulassen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1993, Zl. 92/09/0085).

Da der Sachverhalt somit noch in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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