VwGH 92/09/0291

VwGH92/09/029114.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 11. August 1992, Zl. 14-SV-3073/3/92, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 14. Oktober 1991 legte der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt der Beschwerdeführerin zur Last, sie habe seit Mitte Juni 1990 bis zum 5. Juli 1990 (Tag des Arbeitsunfalles) den rumänischen Staatsbürger U, geboren 1967, in ihrer Baumschule als Hilfskraft beschäftigt, ohne für diesen Dienstnehmer eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu besitzen. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sieben Tage) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie vorbrachte, sie habe vor Aufnahme der Beschäftigung um die Genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz beim Arbeitsamt Klagenfurt angesucht. Ihr seien solche Bewilligungen schon in vielen Fällen sehr rasch erteilt worden. Da ihr der Bewilligungsbescheid noch nicht zugestellt worden sei, habe sie sich bei Herrn Dr. X im Arbeitsamt Klagenfurt erkundigt und erfahren, daß die Genehmigung erteilt sei. Die Verzögerung der Zustellung sei ihr von dem Genannten mit einer Umstellung auf eine neue Computerabfertigung erklärt worden. Die Genehmigung der Beschäftigung des genannten Ausländers sei tatsächlich in dem Bescheid des Landesarbeitsamtes vom 13. Juli 1990 erteilt worden. Es handle sich hiebei aber nur um die schriftliche Ausfertigung des Bescheides, der ihr in Wirklichkeit schon vor Beginn der Beschäftigung auf die vorher beschriebene Weise mitgeteilt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG nicht Folge; sie legte die Tatzeit mit dem Zeitraum vom 2. bis 5. Juli 1990 neu fest.

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des bereits dargestellten Verfahrensablaufes und der Rechtslage weiter ausgeführt, die Einwendungen der Beschwerdeführerin, der genannte Ausländer sei zunächst ihr Gast gewesen, sie habe ihn erst später beschäftigt und ihn auch zur Sozialversicherung angemeldet, seien berücksichtigt und als Tatzeit der Zeitraum vom 2. bis 5. Juli 1990 festgelegt worden. Wie aus der Aktenlage hervorgehe, sei der genannte Ausländer zum 2. Juli 1990 zur Sozialversicherung angemeldet worden.

Die Beschwerdeführerin habe weiters behauptet, sie habe vor Aufnahme der Beschäftigung um die Genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz beim Arbeitsamt Klagenfurt angesucht. Da ihr der Bewilligungsbescheid noch nicht zugestellt worden sei, habe sie sich bei Herrn Dr. X im Arbeitsamt Klagenfurt erkundigt und erfahren, daß die Genehmigung erteilt sei. Die Genehmigung der Beschäftigung des genannten Ausländers sei aber erst mit dem Bescheid des Landesarbeitsamtes vom 13. Juli 1990 erteilt worden. Hiebei handle es sich aber nur um eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides, der ihr schon vor Beginn der Beschäftigung - wie vorher dargestellt - mitgeteilt worden sei.

Diesen Ausführungen - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - sei entgegenzuhalten, daß ein Bescheid erst mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als "erlassen" anzusehen sei; nur ein erlassener Bescheid könne Rechtswirkungen erzeugen.

Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides beschäftigt sich mit der Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG, idF. BGBl. Nr. 231/1988 (diese Fassung ist im Beschwerdefall wegen des Tatzeitpunktes anzuwenden), begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt, noch ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde ..., bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 60.000,--, im Wiederholungsfalle von S 10.000,-- bis S 120.000,--, ...

Nach § 62 Abs. 1 AVG können Bescheide, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schlusse der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden. Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien nach Abs. 3 der genannten Bestimmung zuzustellen, die dies bis spätestens 3 Tage nach der Verkündung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei der Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

Die Beschwerdeführerin sieht sich nach ihrem Vorbringen in dem Recht auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß den §§ 5 und 45 VStG verletzt. Sie bringt vor, wenn man die Richtigkeit ihrer Verantwortung unterstelle, daß der von ihr genannte Beamte des Landesarbeitsamtes ihr VOR der Beschäftigung des Ausländers gesagt habe, daß die Beschäftigungsbewilligung erteilt sei und sich nur die Zustellung verzögere, dann hätte sie ohne Verschulden davon ausgehen dürfen, daß sie den genannten Ausländer hätte beschäftigen dürfen. Dies gelte umso mehr dann, wenn der Beamte des Arbeitsamtes keine Einschränkungen in der Richtung gemacht habe, daß die Beschwerdeführerin die Zustellung des schriftlichen Bescheides abwarten müsse, weil Bescheide auch mündlich erlassen werden könnten. Verwaltungsvorschriften, die dies untersagten, sollten die Juristen kennen. Die Unkenntnis solcher Vorschriften sei für einen Laien erwiesenermaßen unverschuldet. Wenn ein Beamter des Landesarbeitsamtes der Beschwerdeführerin eine konkrete Auskunft über eine Beschäftigungsbewilligung gegeben habe, dann dürfe diese darauf vertrauen und müsse nicht prüfen, ob er etwa im konkreten Fall nach der internen Behördenordnung auch zur Erlassung des Bescheides zuständig gewesen wäre. Darin, daß der genannte Beamte des Arbeitsamtes und noch eine weitere namentlich genannte Person nicht vernommen worden seien, sei eine Rechtswidrigkeit des Verfahrens zu sehen. Weiters lasse der angefochtene Bescheid nicht klar erkennen, ob die Behörde die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin übernehme.

Die Tatsache, daß der Partei der Inhalt eines Bescheides anläßlich ihrer Vorsprache bei der Behörde mitgeteilt wurde, kann nicht als mündliche Verkündung eines Bescheides gewertet werden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1950, Slg. N.F. Nr. 1333/A).

Die Berufung in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen zeigt, daß die Beschwerdeführerin in rechtlicher Hinsicht meint, der Bewilligungsbescheid sei ihr gegenüber durch den genannten Beamten des Arbeitsamtes rechtswirksam verkündet worden. Sie räumt zwar selbst ein, daß die tatsächliche Genehmigung des Bewilligungsbescheides erst am 13. Juli 1990 erfolgt ist, bringt aber in der Berufung trotzdem vor, es habe sich hiebei nur um die "schriftliche Ausfertigung des Bescheides, der ihr schon vor Beginn der Beschäftigung auf die beschriebene Weise mitgeteilt" worden sei, gehandelt. Die Beschwerdeführerin ist also in Kenntnis des üblichen Umstandes der schriftlichen Ausfertigung und Zustellung des Bewilligungsbescheides gewesen. Sie behauptet im Anschluß daran, daß sie sich erkundigt und "erfahren" habe, daß sich die Zustellung verzögere, die Genehmigung aber erteilt sei. Damit ist aber erwiesen, daß die Beschwerdeführerin gar keine mündliche Verkündung eines Bescheides in ihrer Berufung geltend gemacht hat. Dies abgesehen davon, daß die Erlassung eines mündlich verkündeten Bescheides einer Beurkundung sowohl des Bescheidinhaltes als auch der Tatsache seiner Verkündigung in Form einer Niederschrift bedurft hätte (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 6. Oktober 1983, Zl. 81/06/0119).

Davon ausgehend hat die belangte Behörde im Ergebnis rechtlich zutreffend ausgeführt, daß ein (schriftlicher) Bescheid erst mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen ist; nur ein erlassener Bescheid kann aber Rechtswirkungen erzeugen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1988, Zl. 88/09/0002). Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, wohl aber erweist sich die Beschwerde aus den nachfolgenden Erwägungen wegen des behaupteten Verfahrenmangels als begründet.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder eine Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 1991, Zl. 91/09/0038, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Diese Widerlegung hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen versucht, sie habe die Auskunft des Beamten des Landesarbeitsamtes dahin verstanden, daß ihr die beantragte Bewilligung (jedenfalls behördenintern) bereits rechtswirksam erteilt worden sei. Trifft - was bisher ungeprüft geblieben ist - das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu, ein Beamter des Landesarbeitsamtes (Akademiker) habe ihr VOR dem Beginn der Beschäftigung des Ausländers mitgeteilt, ihr Ansuchen um Beschäftigungsbewilligung sei bereits positiv erledigt, nur die Zustellung werde sich um ein paar Tage verzögern, dann konnte in der Beschwerdeführerin der Rechtsirrtum erweckt werden, bereits mit der behördeninternen positiven Erledigung sei die Beschäftigungsbewilligung erteilt. Daß ein Bescheid nach der Rechtsprechung erst mit der Zustellung als "erlassen" gilt, mußte die Beschwerdeführerin als juristischer Laie nicht wissen.

Dadurch, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, die hiezu von der Beschwerdeführerin aufgenommenen Beweise aufzunehmen, ist das Verfahren somit in einem wesentlichen Punkt mangelhaft geblieben. Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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