Normen
SHG Wr 1973 §10;
SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13;
SHG Wr 1973 §25;
SHG Wr 1973 §32 Abs1;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
VwRallg;
SHG Wr 1973 §10;
SHG Wr 1973 §12;
SHG Wr 1973 §13;
SHG Wr 1973 §25;
SHG Wr 1973 §32 Abs1;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12, vom 16. Dezember 1974 wurde dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 8, 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) im Zusammenhang mit den §§ 1, 4 und 5 Abs. 2 der Wiener Sozialhilfeverordnung (WSHV) für sich als Hauptunterstützten und seine Ehegattin als Mitunterstützte ab 1. Dezember 1974 auf die Dauer unveränderter Verhältnisse Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes durch Gewährung einer monatlichen Geldleistung einschließlich Mietbeihilfe gewährt. Im Bezug dieser Dauerleistung, die zuletzt S 7.974,-- betrug, stand er bis zu ihrer faktischen Einstellung mit 31. Dezember 1990.
Mit Rentenbescheid der (deutschen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 27. Juni 1989 wurde dem Beschwerdeführer über seinen Antrag vom 10. Dezember 1980 Altersruhegeld für die Zeit ab 1. Jänner 1984 zuerkannt und ausgesprochen, daß die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 31. August 1989 53.245,-- DM und die monatliche Rente ab 1. September 1989 863,-- DM betrage. Die Summe aus dem (dem Beschwerdeführer im Juli 1989 überwiesenen) Nachzahlungsbetrag und der (ihm im Oktober 1989 überwiesenen) Zinsen machte insgesamt 58.663,52 DM (S 410.644,64) aus. Das Altersruhegeld wurde am 1. Juli 1990 auf 889,70 DM (S 6.252,28) und ab 1. Juli 1991 auf 931,50 DM (S 6.520,50) erhöht. Insgesamt erhielt der Beschwerdeführer an Altersruhegeld für die Zeit vom 1. September 1989 bis 31. Dezember 1990 S 109.859,40.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12, vom 23. Juli 1991 wurde gemäß den §§ 8, 12 und 13 WSHG im Zusammenhang mit den §§ 1, 4 und 5 Abs. 2 WSHV von amtswegen die dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin zuletzt mit Bescheid vom 16. Dezember 1974 zuerkannte monatliche Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes per 31. Dezember 1990 eingestellt und ausgesprochen, daß gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung der Berufung ausgeschlossen werde. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1984 eine Rente aus der BRD von derzeit monatlich S 6.520,50 erhalte, diese Tatsache aber verschwiegen habe, wodurch ein Überbezug von S 520.504,-- entstanden sei. Die deutsche Rente zusammen mit dem Überbezug deckten den Lebensbedarf inklusive Miete des Ehepaares für mehrere Jahre. Auch unter Bedachtnahme darauf, daß dem Beschwerdeführer zur Erlangung der deutschen Rente erhöhte Ausgaben erwachsen seien, bleibe der Lebensbedarf für lange Zeit gedeckt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er habe de facto an Nachzahlung inklusive Zinsen nur S 410.873,62 bekommen. Diese Beträge habe er "für Rechtsanwälte, Reisen nach Düsseldorf, Berlin und Sindelfingen und Verpflegung" erhalten. Nachdem sein Prozeß in Deutschland neun Jahre gedauert habe, habe er ein zinsenloses Darlehen von D in M genommen, das er später zurückbezahlt habe, nachdem er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte das Altersruhegeld bekommen habe. Er erkläre ausdrücklich, daß er nicht mit Absicht den Erhalt der Rente verschwiegen habe. Er habe vielmehr immer gehört, daß man diese Beträge nicht anmelden und versteuern müsse. Es dürfe nicht vergessen werden, daß er schon 92 Jahre alt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird den Berufungseinwänden entgegengehalten, der Beschwerdeführer habe an Nachzahlung an Altersruhegeld für den Zeitraum vom 1. Jänner 1984 bis 31. August 1989 S 410.644,64 und an Rente für die Zeit vom 1. September 1989 bis 31. Dezember 1990 S 109.859,40 erhalten. Während dieses Zeitraumes sei von ihm aber weiterhin die Sozialhilfedauerleistung bezogen worden. Es sei somit ein Überbezug von S 520.504,04 entstanden. Von der erstinstanzlichen Behörde sei in die Rechtsanwaltskorrespondenz Einsicht genommen worden. Es seien diebezügliche Ausgaben in der Höhe von S 95.711,55 belegt worden. Belege über ein darüberhinaus gehendes zinsenloses Darlehen, das zurückbezahlt worden sei, hätten jedoch nicht vorgelegt werden können. Die Rente, die der Beschwerdeführer somit seit 1. Juli 1990 in Höhe von monatlich S 6.252,28 und seit 1. Juli 1991 in Höhe von S 6.520,50 beziehe, decke zusammen mit dem bis 31. Dezember 1990 entstandenen Überbezug in der Höhe von S 520.504,04 auch unter Berücksichtigung der Aufwendungen für Rechtsanwälte und Lebenserhaltung während des Verfahrens betreffend die Zuerkennung der Rente in Deutschland in der Höhe von annähernd S 100.000,-- den Lebensbedarf inklusive Miete des Ehepaares für mehrere Jahre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Weitergewährung der Sozialhilfe verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht er geltend, daß sich der angefochtene Bescheid zu Unrecht nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt habe, daß er zur Erlangung des Altersruhegeldes höhere Auslagen als von der belangten Behörde angenommen gehabt habe. Die Auslagen für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes und die Reisen in die BRD hätten S 116.154,-- betragen. Zur Deckung seines Lebensunterhaltes habe er von seinem Schwager D ein zinsenfreies Darlehen von S 277.000,-- aufnehmen müssen. Zum Zeitpunkt des Erhaltes des Altersruhegeldes habe er daher Gesamtschulden im Betrage von S 394.875,-- gehabt. Diese Schulden habe er aus den ihm zugeflossenen Beträgen bezahlt. Die belangte Behörde mache zu Unrecht das Bestehen einer Darlehensvereinbarung von einem urkundlichen Nachweis abhängig. Dies sei aber in rechtlicher Hinsicht nicht notwendig. Der Darlehensvertrag sei ein Realvertrag und bedürfe nicht der Schriftform. Die belangte Behörde hätte gemäß § 6 WSHG von amtswegen die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin untersuchen müssen; dies insbesondere im Zusammenhang mit der von ihm behaupteten Rückzahlung des Darlehens an Herrn D. Insbesondere hätte sie diesen und den Beschwerdeführer über die Richtigkeit dieses Vorbringens niederschriftlich einvernehmen müssen. Diese Unterlassung sei relevant. Denn maßgeblich für die Hilfsbedürftigkeit sei die Frage, welche Geldbeträge dem Beschwerdeführer tatsächlich und konkret zur Verfügung stünden, also flüssig seien oder flüssig gemacht werden könnten. Die belangte Behörde hätte sich demgemäß vergewissern müssen, daß der Beschwerdeführer über die von ihr errechneten Beträge auch tatsächlich verfüge. Dies sei hingegen nicht der Fall. Ihm stünden lediglich die monatlichen Rentenbeträge aus der BRD zur Verfügung, die geringer seien als die ihm gebührenden Sozialhilfebeträge. Auch hätte die belangte Behörde insbesondere den mit dem hohen Alter des Beschwerdeführers von nunmehr 93 Jahre typischerweise zusammenhängenden erhöhten Geldbedarf berücksichtigen müssen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 WSHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Bei Wegfall der in § 8 Abs.1 normierten Voraussetzungen ist - von dem Ausnahmefall des § 4 zweiter Satz WSHG abgesehen - eine bisher gewährte Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, sohin auch eine wiederkehrende Geldleistung gemäß § 13 WSHG, einzustellen. Eine "rückwirkende" Einstellung bereits erbrachter Sozialhilfeleistungen ist unzulässig. Solche Leistungen können nur nach Maßgabe der §§ 25 ff WSHG zurückgefordert werden (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 21. Juni 1988, Zl.87/11/0161, und vom 17. November 1992, Zlen. 91/08/0043, 0094).
Da dem Beschwerdeführer die ihm aufgrund des Bescheides vom 16. Dezember 1974 gebührende Dauerleistung nicht mehr ausgezahlt wurde, ist die durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides durch den angefochtenen Bescheid übernommene "Einstellung" der Dauerleistung mit 31. Dezember 1990 an sich zulässig; ihre Rechtmäßigkeit hängt aber davon ab, ob sich ab 1. Jänner 1991 die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der zu berücksichtigenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse, so geändert haben, daß dem Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt deshalb die ihm mit dem genannten rechtskräftigen Bescheid zuerkannten Geldleistungen in der ab 1. Jänner 1991 gebührenden Höhe nicht mehr zustanden (vgl. u.a. das schon zitierte Erkenntis vom 17. November 1992, Zlen. 91/08/0043, 0094), d.h.
- sachverhaltsbezogen - im Beschwerdefall: ob der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt in der Lage war, den Lebensunterhalt im Sinne des § 12 WSHG für sich und seine Ehegattin (in der von der erstinstanzlichen Behörde in S. 265 des Aktes nach § 13 WSHG in Verbindung mit den §§ 1, 4 und 5 Abs. 2 WSHV errechneten Höhe von S 9.046,75) aus dem Altersruhegeld von zunächst S 6.252,28 bzw. ab 1. Juli 1991 ab
S 6.520,50 monatlich als Einkommen im Sinne des § 10 Abs. 1 WSHG und aus einem allfälligen verwertbaren Vermögen im Sinne des § 10 leg. cit. zu bestreiten. Darauf, ob der Beschwerdeführer vor dem 1. Jänner 1991 dazu imstande war, aus welchen (vor diesem Zeitpunkt liegenden) Gründen er dies ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vermochte, insbesondere wie er allenfalls den Nachzahlungsbetrag samt Zinsen sowie das Altersruhegeld vor diesem Zeitpunkt verwendete, und warum er seiner Anzeigepflicht nach § 32 Abs. 1 WSHG nicht nachkam, kommt es hingegen bei der Prüfung der Berechtigung der Einstellung ab diesem Zeitpunkt - anders als nach Maßgabe der §§ 25 ff WSHG im Falle einer (mit dem angefochtenen Bescheid aber nicht erfolgten) Rückforderung von im Zeitraum vor diesem Zeitpunkt bezogenen Sozialhilfeleistungen - mangels einer diesbezüglichen Anordnung im WSHG nicht an.
Die belangte Behörde hat die fehlende Hilfsbedürftigkeit des Beschwerdeführers wie seiner Ehegattin ab 1. Jänner 1991 mit der Begründung bejaht, daß das genannte Altersruhegeld zusammen mit dem Überbezug von S 520.504,04 auch unter Berücksichtigung der Aufwendungen für Rechtsanwälte und Lebenserhaltung während des Rentenverfahrens in der Höhe von annähernd S 100.000,-- den Lebensbedarf inklusive Miete des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin für mehrere Jahre decke. Dabei ging sie, gestützt auf die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Einsicht in Belege, davon aus, daß der Beschwerdeführer diesen "Überbezug" nicht nur vor dem 1. Jänner 1991 erhalten hat, sondern auch ab diesem Zeitpunkt noch über ca. S 420.000,--, also über einen solchen Teilbetrag verfügen konnte, der unter Zugrundelegung der ihm zustehenden Sozialhilfe auch unter Bedachtnahme auf § 10 einen Wegfall des Anspruchs nach § 8 Abs. 1 leg. cit. bewirkte.
Daran ist zwar - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde keine gegenüber dem von der erstinstanzlichen Behörde errechneten erhöhten Bedarf zugrunde legte, weil einerseits der Beschwerdeführer im Verfahren keinen erhöhten Bedarf behauptet hat und andererseits in dem bei der Berechnung berücksichtigten Zuschlag nach § 4 WSHV ohnedies ein durch das Alter bedingter erhöhter Bedarf berücksichtigt wurde.
Hingegen beruht die Annahme der belangten Behörde über das dem Beschwerdeführer auch noch ab 1. Jänner 1991 zur Verfügung stehende Vermögen - insofern in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - auf einem mangelhaften Verfahren:
Die belangte Behörde hätte nämlich zum einen das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, er habe aus dem Nachzahlungsbetrag einschließlich Zinsen nicht nur seine Rechtsanwalts- und Reisekosten gedeckt, sondern auch ein ihm von D gewährtes zinsenloses Darlehen zurückgezahlt, nicht deshalb als unmaßgeblich abtun dürfen, weil er diesbezüglich nur Belege über Rechtsanwaltskosten von S 95.711,55 vorlegen konnte; sie hätte vielmehr - nach einer ergänzenden Befragung des Beschwerdeführers, wofür und wann er welche Beträge aus dem nachgezahlten Altersruhegeld verwendet hat - entsprechend dem Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel durch weitere naheliegende und der Behörde auch mögliche Ermittlungsschritte (z.B. durch Vernehmung des D) eine diesbezügliche Klärung herbeiführen müssen.
Zum anderen durfte die belangte Behörde nicht ohne weiteres davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe das ihm in der Zeit vom 1. September 1989 bis 31. Dezember 1990 monatlich gezahlte Altersruhegeld nicht zur Gänze ausgegeben, sondern verfüge noch über den Gesamtbetrag oder doch einen (zumindest nach § 10 WSHG relevanten) Betrag.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, begrenzt durch das eingeschränkte Kostenbegehren des Beschwerdeführers.
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