VwGH 92/08/0149

VwGH92/08/014911.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der B in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des LAA Nö vom 15.5.1992, Zl. IV c 7022/7100B, betr Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach der (insoweit von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen) Aktenlage steht sie seit 1983 im Bezug der Notstandshilfe.

Nach einer mit der Beschwerdeführerin am 16. Dezember 1991 aufgenommenen Niederschrift vor dem Arbeitsamt Mödling (erstinstanzliche Behörde) wurde ihr von dieser Behörde am 2. Dezember 1991 eine Beschäftigung als Schreibkraft bei der "R" (in der R) mit Arbeitsantritt 16. Dezember 1991 zugewiesen. Ein Beschäftigungsverhältnis sei nach Erklärung der Beschwerdeführerin nicht zustande gekommen, weil sie "lt. Angaben der Fa. eine schriftliche Bewerbung zu machen" gehabt hätte. Sie habe daher ihre gesamten Unterlagen dem "VV" (Vermittlungsvorschlag des Arbeitsamtes) beigeschlossen und am 10. Dezember 1991 der Firma übersendet. Eine Mitteilung betreffend eine mögliche Arbeitsaufnahme habe sie bis dato noch nicht erhalten. In einem in Anwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführten Telefongespräch einer Bediensteten der erstinstanzlichen Behörde mit Dr. R. teilte dieser mit, daß ihm bis dato noch keine Bewerbungsunterlagen von seiten der Beschwerdeführerin übersendet worden seien.

Mit Bescheid vom 3. Jänner 1992 sprach daraufhin die erstinstanzliche Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 16. Dezember 1991 bis 12. Jänner 1992 verloren habe; eine Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin die von der erstinstanzlichen Behörde angebotene Beschäftigung bei der Fa. R. in Mödling "angenommen" (gemeint: nicht angenommen) habe; berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin, die zugewiesene Beschäftigung nicht angenommen zu haben. Diese Annahme entspreche, wie sich aus einem beigelegten Schreiben Dris. R. und ihrer Schilderung der Ereignisse ergebe, nicht den Tatsachen. Sie habe nach dem Beschäftigungsangebot der erstinstanzlichen Behörde mehrfach versucht, Dr. R. telefonisch zu erreichen. Da er persönlich nicht erreichbar gewesen sei und seine Sekretärin über die offene Position nicht Bescheid gewußt habe, habe sie die Unterlagen an die Kanzlei gesandt. Als sie am 16. Dezember 1991 zur Kontrollmeldung zur erstinstanzlichen Behörde gekommen sei, habe sie dem Bediensteten den oben geschilderten Ablauf berichtet. Der Bedienstete habe daraufhin bei Dr. R. angerufen und hiebei die Auskunft erhalten, daß die Unterlagen nicht angekommen seien. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin selbst bei Dr. R. angerufen und um einen persönlichen Vorstellungstermin gebeten. Dr. R. habe ihr den 23. Dezember 1991 als Termin angeboten, den sie auch wahrgenommen habe. Darüber habe sie dem Bediensteten der erstinstanzlichen Behörde am 27. Dezember 1991 Mitteilung gemacht. Dr. R., den sie (offensichtlich nach Erhalt des erstinstanzlichen Bescheides) kontaktiert habe, habe ihr erklärt, der erstinstanzlichen Behörde nicht mitgeteilt zu haben, daß die Beschwerdeführerin die Arbeit nicht angenommen habe; er habe dieser Behörde nur mitgeteilt, daß er die Stelle mit jemand anderem besetzt habe.

Das in der Berufung bezogene und gleichzeitig mit ihr vorgelegte Schreiben des Dr. R. an die belangte Behörde vom 15. Jänner 1992 lautet:

"Ich erlaube mir festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin in meiner Kanzlei am 23. Dezember 1991 zwecks Anstellung als Kanzleiangestellte vorgesprochen hat. Die Beschwerdeführerin zeigte sich am Antritt der Arbeit interessiert, jedoch mußte ich infolge des Umstandes, daß ich bereits kurz vorher eine Kraft eingestellt hatte, ablehnen."

Über Auftrag der belangten Behörde ersuchte die erstinstanzliche Behörde Dr. R. um eine Darstellung des Geschehens aus seiner Sicht. Daraufhin antwortete Dr. R. mit Schreiben an die erstinstanzliche Behörde vom 2. April 1992.

Dieses Schreiben lautet:

"Ich erlaube mir, auf Ihr Schreiben vom 24. 3. 1992 Bezug zu nehmen.

Ich muß mich im vorliegenden Fall vorwiegend auf meine Erinnerung verlassen, da ich nur den durchgeführten Besprechungstermin vom 23. 12. 1991 vermerkt habe. Ich kann mich jedoch erinnern, daß die Beschwerdeführerin bzw. auch jemand von der erstinstanzlichen Behörde bereits geraume Zeit davor angerufen hat, wobei nachgefragt wurde, ob die übersendeten Arbeitsunterlagen bereits eingetroffen seien. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich mehrmals angerufen, wobei aber die angesprochenen Unterlagen in meiner Kanzlei nie eingetroffen sind. Es wurde immer wieder vereinbart, daß abgewartet werden soll, bis diese Unterlagen in der Kanzlei aufliegen. Da dies innerhalb einer angemessenen Frist nicht der Fall gewesen ist, wurde sodann der Besprechungstermin für den 23. 12. 1991 festgelegt.

Ob die Beschwerdeführerin bei sofortiger Vorsprache eingestellt worden wäre, kann ich nunmehr mit Sicherheit nicht angeben. Jedenfalls sind mir meiner Erinnerung nach die Gehaltsvorstellungen der Beschwerdeführerin etwas hoch erschienen. Bei einer Einstellung hätte die wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden betragen.

Ich hoffe, damit gedient zu haben und zeichne

mit vorzüglicher Hochachtung".

Zu diesem Schreiben erklärte die Beschwerdeführerin in der niederschriftlichen Vernehmung vom 15. April 1992, sie habe keine Gehaltsvorstellungen angegeben, sondern nur die Frage beantwortet, wie hoch ihr letzter Verdienst gewesen sei. Ansonsten stimmten die Aussagen.

Zu einer telefonischen Auskunft des Dr. R., wonach die konkrete Arbeitszeit der Beschwerdeführerin Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr gewesen wäre, erklärte die Beschwerdeführerin in einer weiteren niederschriftlichen Vernehmung vom 30. April 1992, daß diese Arbeitszeit zumutbar gewesen wäre. Die Bewerbungsunterlagen (Vermittlungsvorschlag des Arbeitsamtes sowie ihr Lebenslauf) habe sie dem Dr. R. mit normaler Post zugesandt und daher keinen Nachweis dafür.

In einem (der Beschwerdeführerin offensichtlich nicht zur Kenntnis gebrachten) Aktenvermerk der belangten Behörde vom 6. Mai 1992 heißt es:

"Tel. RS mit Dr. R.:

Wie sich aus den Vermittlungsunterlagen ergibt, wurde die Stelle am 27. 11. 1991 dem Arbeitsamt gemeldet. Die Stelle wurde erst Mitte Dezember besetzt. Das ergibt sich auch aus dem Schreiben der Firma vom 15. 1. 1992. Hätte die Beschwerdeführerin früher vorgesprochen (die Zuweisung erfolgte lt. Akt bereits am 2. 12. 1991) wäre sie - sofern eine Gehaltseinigung zustande gekommen wäre - eingestellt worden. Die Entlohnung liegt über dem Kollektivvertrag."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründet wird dieser Bescheid damit, daß die Beschwerdeführerin am 2. Dezember 1991 von der erstinstanzlichen Behörde zur Kanzlei des Dr. R. zugewiesen worden sei. Der mögliche Arbeitsbeginn wäre der 16. Dezember 1991 gewesen. Im erstinstanzlichen Verfahren sei von der Beschwerdeführerin als Grund für das Scheitern einer Beschäftigungsaufnahme angegeben worden, daß sie von der Firma aufgefordert worden sei, eine schriftliche Bewerbung abzugeben. Dem sei sie am 10. Dezember 1991 nachgekommen. Eine Verständigung der Firma über eine mögliche Arbeitsaufnahme habe sie dann nicht mehr erhalten. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin hingegen die Situation so dargestellt, daß sie die Firma wiederholt telefonisch zu erreichen versucht habe. Da die Sekretärin über die offene Stelle nicht Bescheid gewußt und sie Dr. R. persönlich nicht erreicht habe, habe sie die Bewerbungsunterlagen an die Firma geschickt. Dr. R. habe dazu im Ermittlungsverfahren angegeben, daß bei der Firma derartige Unterlagen nie eingelangt seien. Die Beschwerdeführerin habe vielmehr erst am 23. Dezember 1991 persönlich vorgesprochen. Allerdings sei zu diesem Zeitpunkt die Stelle bereits besetzt gewesen. Daß die Stelle zum Zeitpunkt der Zuweisung durch die erstinstanzliche Behörde noch frei gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin nicht bestritten. Ebenso bestätige der Umstand, daß Mitte Dezember eine Arbeitskraft (in der Kanzlei des Dr. R.) eingestellt worden sei, die Tatsache, daß die Firma einen dringenden Arbeitskräftebedarf gehabt habe. Weiters stehe außer Streit, daß die angebotene Beschäftigung im Sinne des § 9 AlVG zumutbar gewesen sei. Es sei daher lediglich zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin durch die unbestrittenermaßen erst am 23. Dezember 1991 erfolgte Vorsprache den Tatbestand der Arbeitsvereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG gesetzt habe. Nach auszugsweiser Wiedergabe der Rechtssätze des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 AlVG fährt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fort, daß die Beschwerdeführerin ihre verspätete Vorsprache im Verfahren unterschiedlich gerechtfertigt habe. Zuerst habe sie ausgesagt, daß sie von der Firma aufgefordert worden sei, die Bewerbungsunterlagen zu übersenden, im weiteren Verfahren habe sie hingegen behauptet, die Unterlagen nur deshalb an die Firma geschickt zu haben, weil trotz mehrmaliger Telefonate die Vereinbarung eines Vorstellungstermins nicht möglich gewesen sei. Nach der Firmenaussage seien diese Unterlagen aber nie eingelangt. Bei Würdigung der Ermittlungsergebnisse sei die belangte Behörde zum Schluß gelangt, daß die behauptete Übersendung der Bewerbungsunterlagen lediglich eine Schutzbehauptung darstelle, zumal sie nicht habe belegt und auch nicht habe glaubhaft gemacht werden können. Da der Beschwerdeführerin durchaus eine frühere Vorsprache bei der Firma habe zugemutet werden können, habe die belangte Behörde entschieden, daß die Beschwerdeführerin durch die verspätete Vorsprache bei der Firma die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung vereitelt und dadurch den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG gesetzt habe. Ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Arbeitslose sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, verliert er nach § 10 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 38 AlVG für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Notstandshilfe.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Zumutbarkeit der ihr angebotenen Teilzeitbeschäftigung in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. R., wohl aber, daß sie die Annahme einer solchen Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG vereitelt habe.

Die Bestimmungen der §§ 9 bis 11 AlVG sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, im Sinne der Absätze 2 bis 5 des § 9 AlVG zumutbare Beschäftigung anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz, arbeitswillig zu sein. Um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, das objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen (sieht man vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, ab) somit auf zwei Wegen verschuldet (das heißt dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, daß der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, daß er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Unter der (zuletzt angesprochenen) "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muß nicht nur in der Sphäre des Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, und vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze wäre der angefochtene Bescheid mit keiner (vom Verwaltungsgerichtshof aufgreifbaren) Rechtswidrigkeit behaftet, wenn die belangte Behörde - mängelfrei und schlüssig (vgl. zur Überprüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in bezug auf Feststellungen: vgl. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A, und unter Bezug darauf unter anderem das Erkenntnis vom 16. März 1993, Zlen. 92/08/0177, 0179) - davon hätte ausgehen dürfen, daß der Beschwerdeführerin am 2. Dezember 1991 die obgenannte ihr im Sinne des § 9 AlVG zumutbare Teilzeitbeschäftigung als Schreibkraft in der Kanzlei des Dr. R. mit Arbeitsbeginn am 16. Dezember 1991 angeboten wurde, die Beschwerdeführerin aber erstmals am 23. Dezember 1991 Kontakt mit Dr. R., und zwar durch die an diesem Tag erfolgte persönliche Vorsprache in seiner Kanzlei, vornahm, ein Beschäftigungsverhältnis aber schon deshalb nicht zustande kam, weil der Arbeitsplatz bereits Mitte Dezember 1991 besetzt worden war. Denn in diesem Fall läge eine Vereitelung deshalb vor, weil die Beschwerdeführerin dann ein auf die wirksame Erlangung des konkreten Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln zunächst (das heißt vor dem 16. Dezember 1991) gar nicht entfaltet hätte. Einer Prüfung, ob im Falle einer rechtzeitigen Kontaktaufnahme ein Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen wäre, bedürfte es dann (mangels geeigneter objektiver Anhaltspunkte für ein Nichtzustandekommen) nicht.

Die belangte Behörde durfte aber nicht mängelfrei und schlüssig von dem eben genannten Sachverhalt ausgehen; dies schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin nicht nur, wie die belangte Behörde meint, zwei einander widersprechende Versionen eines zu beurteilenden Verhaltens vor dem 23. Dezember 1991 (nämlich in der Niederschrift vom 16. Dezember 1991 und in der Berufung) vorgebracht hat, sondern durch ihre Erklärung in ihrer niederschriftlichen Vernehmung vom 15. April 1992, die "Aussagen" im Schreiben des Dr. R. vom 2. April 1992 stimmten, eine dritte Variante, nämlich die in diesem Schreiben skizzierte, ins Spiel brachte. Damit hat sich die belangte Behörde aber in der Bescheidbegründung überhaupt nicht auseinandergesetzt, obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde dann, wenn sie diese dritte Variante (unabhängig davon, ob sie zumindest mit einer der beiden anderen Versionen in Einklang gebracht werden kann) ihren Feststellungen zugrunde gelegt hätte, zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Denn nach diesem Schreiben hat die Beschwerdeführerin vor dem 23. Dezember 1991 mehrmals wegen der angeblich übersendeten Arbeitsunterlagen in der Kanzlei des Dr. R. angerufen und wurde "immer wieder vereinbart, daß abgewartet werden soll, bis diese Unterlagen in der Kanzlei aufliegen." Da dies "innerhalb einer angemessenen Frist" nicht der Fall gewesen sei, sei sodann der Besprechungstermin für den 23. Dezember 1991 festgelegt worden. Da kein sinnvoller Grund dafür ersichtlich ist, aus dem NACH der Besetzung des ursprünglich vakanten Arbeitsplatzes, der der Beschwerdeführerin angeboten wurde, die eben genannten Vereinbarungen, insbesondere eines Vorstellungstermines, getroffen worden sein sollten, muß angenommen werden, daß diese Vereinbarungen vor der Besetzung des Arbeitsplatzes (deren genaues Datum im übrigen nicht feststeht) zustande kamen. Sollte dies aber der Fall gewesen sein, so könnte der Beschwerdeführerin nicht ohne weiteres eine Vereitelung des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihr und Dr. R. zur Last gelegt werden. Es bedürfte vielmehr unter anderem der Klärung, aus welchem Grund Dr. R. den Arbeitsplatz trotz des noch anstehenden Vorstellungstermines mit der Beschwerdeführerin zwischenzeitig besetzt hat.

Da somit die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwanderwatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da ein Stempelgebührenersatz nur in bezug auf jene Urkunden, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzulegen sind, in Betracht kommt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte