Normen
AVG §56;
BauO Stmk 1857 §30;
BauO Stmk 1857 §60;
BauO Stmk 1968 §21 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litg;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §74;
BauRallg;
AVG §56;
BauO Stmk 1857 §30;
BauO Stmk 1857 §60;
BauO Stmk 1968 §21 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litg;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §74;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 11.510,-- und dem Land Steiermark Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles ist dem Erkenntnis vom 7. Dezember 1989, Zl. 87/06/0137, zu entnehmen. Daraus ist für den Beschwerdefall noch folgender Sachverhalt von Bedeutung:
Mit Bescheid vom 30. Dezember 1954 wurde dem damaligen Eigentümer der Bauparzelle Nr. nn/1 im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde die Bewilligung zur Aufstockung eines (ehemaligen) Stallgebäudes zur Herstellung eines Wohngebäudes erteilt. Der damalige Bewilligungswerber hatte das umzubauende Stallgebäude von der (damaligen Eigentümerin und) Nachbarin mit Kaufvertrag vom 8. Juli 1954 erworben; nach der Aktenlage wurde jedoch nicht diese Nachbarin, sondern deren Tochter zur Bauverhandlung geladen und es wurde auch der Tochter die Baubewilligung zugestellt.
Die Beschwerdeführerin (als Rechtsnachfolgerin der seinerzeitigen Nachbarin) beantragte am 18. Juni 1986 die Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 30. Dezember 1954 und erhob gegen diesen Bescheid in der Folge Berufung: Weder die Verhandlungsschrift, noch der einen wesentlichen Bestandteil der Verhandlungsschrift bildende Bauplan, noch die im Baubewilligungsbescheid enthaltene Baubeschreibung (so führte sie darin aus) ließen den "Bauwillen zweifelsfrei erkennen". Besonders falle auf, daß der Plan weitgehend unbemaßt sei. Überdies sei in der Verhandlungsschrift keine technische Begründung dafür zu finden, aus welchem Grund Fenster in einer Feuermauer gestattet werden könnten. Zum Schutze des Nachbarn sei es unabdingbar notwendig, daß eine Feuermauer in brandbeständiger Ausführung bei Bauwerken an der Grundgrenze errichtet werde. Sie sehe sich bei einem eventuellen Brand auf der Nachbarliegenschaft gefährdet.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. November 1986 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin zunächst mit der Begründung keine Folge gegeben, daß die seinerzeitige Nachbarin nicht übergangene Partei sei. Aufgrund des vorgelegten Kaufvertrages müsse die Behörde eine Bevollmächtigung (der bei der Bauverhandlung anwesend gewesenen) Tochter der seinerzeitigen Eigentümerin annehmen, die weder im Baubewilligungs- noch im Benützungsbewilligungsverfahren Einwendungen gegen die Bauführung erhoben habe und daher präkludiert sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung; mit Bescheid vom 3. November 1987 hat die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge gegeben und den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei behoben. Die Vorstellungsbehörde vertrat die Auffassung, daß von einer Bevollmächtigung der Tochter der seinerzeitigen Eigentümerin des Nachbargrundstücks schon deshalb nicht ausgegangen werden könne, weil die Eigentümerin selbst von der Bauverhandlung nicht verständigt worden sei.
Die gegen diesen Bescheid seitens der mitbeteiligten Marktgemeinde erhobene Beschwerde wurde mit dem vorbezeichneten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1989, Zl. 87/06/0137, als unbegründet abgewiesen, wobei sich der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen der Rechtsauffassung der belangten Behörde angeschlossen hat.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 7. Dezember 1990 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich keine Folge gegeben: Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei nicht die Steiermärkische Bauordnung 1968, sondern die Bauordnung für Steiermark 1857, insbesondere deren § 60 anzuwenden: Der Wortlaut dieser Bestimmung sehe jedoch nicht vor, daß Außenwände an der Nachbargrundgrenze (schlechthin) als Feuermauern zu qualifizieren und als solche auszugestalten seien. Bei der beschwerdegegenständlichen (ergänze: hofseitigen) Wand handle es sich daher um keine Feuermauer, weshalb der Einbau von zwei Fensteröffnungen rechtlich nicht verboten sei. Eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführerin liege daher nicht vor. Die Beschwerdeführerin erhob neuerlich Vorstellung.
Mit Bescheid vom 12. August 1992 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorausgeschickt sei, daß dem Einwand der erstmitbeteiligten Partei, die Beschwerdeführerin sei deshalb zur Erhebung der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid nicht berechtigt gewesen, weil die Tochter der Grundeigentümerin des Jahres 1954 im Jahre 1960 zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Tochter selbst Grundeigentümerin gewesen sei, der mündlichen Verhandlung über die Benützungsbewilligung beigezogen worden sei, ohne dabei Einwendungen zu erheben, schon deshalb keine Berechtigung zukommt, weil die Vorstellungsbehörde in ihrem (vom Verwaltungsgerichtshof mit dem vorbezeichneten Erkenntnis bestätigten), im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid für das weitere Verfahren bindend ausgesprochen hat, daß der Beschwerdeführerin (als Rechtsnachfolgerin einer übergangenen Partei) die Rechtsmittellegitimation zukommt. Da diesbezüglich seither eine Änderung der Rechts- und Sachlage nicht eingetreten ist, wären die Verwaltungsbehörden, in weiterer Folge aber auch die Vorstellungsbehörde und der Verwaltungsgerichtshof selbst an diese Rechtsauffassung nunmehr auch dann gebunden, wenn den diesbezüglichen Einwendungen der erstmitbeteiligten Partei sachliche Berechtigung zukäme (vgl. die Erkenntnisse eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A, mit zahlreichen Hinweisen, vom 13. November 1973, Slg. Nr. 8494/A, sowie - aus jüngerer Zeit - vom 13. Dezember 1990, Zl. 89/06/0207). Die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift der erstmitbeteiligten Partei bedürfen daher keiner weiteren Erörterung.
War am Tage des Inkrafttretens der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (1. Jänner 1969) eine Angelegenheit in erster Instanz entschieden, so ist sie gemäß § 74 leg. cit. in dem weiteren Verfahren nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu beurteilen und zu entscheiden. "Entschieden" ist eine Bausache im Sinne dieser Bestimmung dann, wenn ein Bescheid erlassen, d.h. - im Mehrparteienverfahren - wenn er zumindest einer Partei des Verfahrens zugestellt wurde (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1985, Zl. 82/06/0133, BauSlg. 503).
Im Beschwerdefall ist nicht bestritten, daß der Baubewilligungsbescheid vom 30. Dezember 1954 zumindest dem damaligen Bauwerber (und Rechtsvorgänger der erstmitbeteiligten Partei) zugestellt wurde, weshalb im Beschwerdefall weiterhin die Bestimmungen der Kundmachung der Statthalterei vom 9. Februar 1857, womit die Bau-Ordnung für Steiermark, mit Ausnahme der Stadt Graz, samt einem Anhange über die Ziegelerzeugung bekanntgegeben wird, LReg. Bl. für das Hgt. Steiermark, II. Abteilung, Nr. 5/1857, anzuwenden sind. Deren §§ 30 und 60 lauteten (unter Einbeziehung der Umrechnung der Maße in das metrische System) wie folgt:
"§ 30
Zur Verhütung bedenklicher Verbauungen sind die Gebäude auch an ihren beiden schmalen oder Stirnseiten von anderen Gebäuden entweder mindestens 6 m fernzuhalten, oder wenn ein solcher Abstand nicht zu erreichen sein sollte, mit Vermeidung von Reichen, an die Nachbarsgebäude unmittelbar anzuschließen, und die nöthigen Abscheidungen durch Aufführung von Brand- oder Feuermauern zu erzwecken.
...
§ 60
Feuer-, Brand- oder Gibelbrandmauern sind in allen geschlossenen Häuserreihen, besonders aber in stark verbauten Stadttheilen an den Seiten der Nachbarhäuser, und bei verbundenen Wohn- und Wirthschaftsgebäuden, wenn in den ersteren größere Gewerbsfeuer unterhalten werden, zwischen diesen Gebäuden in der, der Stirnmauer entsprechenden Dicke und in der Höhe von 30 cm über dem Dachfirste zu errichten. Sie müssen mit feuersicherem Materiale gedeckt sein, und es darf in dieselben keine Belattung, noch ein anderes Holzwerk eingreifen."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vor Inkrafttreten der dies klarstellenden Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 14/1989), dient die Bestimmung des § 21 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 über Brandmauern an der Grundgrenze auch dem Interesse des Nachbarn (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 10. Jänner 1979, Slg. 9731/A).
Dies gilt auch für die §§ 30 und 60 BO 1857 (für die Abstandsregelung des § 30 wurde dies bereits im Erkenntnis vom 28. Februar 1966, Slg. 6876/A, ausgesprochen).
Soweit die Beschwerdeführerin hingegen Mängel der Baupläne geltend macht, kann sie sich auf ein subjektiv-öffentliches Recht nicht stützen, besitzt doch der Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf, daß Pläne in jeder Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, soferne sie nur eine zur Verfolgung der Nachbarrechte ausreichende Information vermitteln (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 19. März 1974, Slg. 8579/A, vom 30. Juni 1988, Zl. 86/06/0078, BauSlg. 1146). Die Beschwerdeführerin behauptet selbst nicht, daß sie durch die ihrer Auffassung nach gegebene Unzulänglichkeit der Baupläne (bedingt durch den Umstand, daß diese "unbemaßt" seien) eine Behinderung in der Verfolgung konkreter Nachbarrechte erfahren hat. Abgesehen davon, daß die Behauptung, die Pläne seien unbemaßt, hinsichtlich des Grundrisses aktenwidrig ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof auch sonst nicht zu erkennen, inwiefern die in den Plänen enthaltenen Aufrisse ("Nord-Ansicht" bzw. "West-Ansicht") "bemaßt" sein müßten, um der Beschwerdeführerin eine ausreichende Rechtsverfolgung zu ermöglichen.
Für danach allein noch strittige Frage der Zulässigkeit zweier Fenster in der hofseitigen Wand des Gebäudes der erstmitbeteiligten Partei ist maßgebend, ob diese Wand - wie dies Auffassung der Beschwerdeführerin ist - eine Feuermauer im Sinne des § 60 BO 1857 ist. Der Beschwerdeführerin ist zunächst nämlich zunächst darin recht zu geben, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Feuermauer ihre Funktion grundsätzlich nur dann erfüllen kann, wenn sie öffnungslos ist (vgl. das Erkenntnis vom 6. Juni 1966, Slg. Nr. 6940/A). In seinem Erkenntnis vom 28. Februar 1966, Slg. 6876/A, hat der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch ausgesprochen, daß die (oben zitierte) Bestimmung des § 30 BO 1857 nicht nur für Neubauten, sondern auch - sinngemäß - für Zubauten gilt.
Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin jedoch darin, daß die hofseitige Wand des Bauwerkes der erstmitbeteiligten Partei eine Feuermauer ist oder sein müßte:
§ 30 BO 1857 gibt dafür deshalb nichts her, weil diese Bestimmung- in heutigen Worten und dem Sinne nach ausgedrückt - nur Abstände von GEBÄUDEN regelt bzw. für den Fall, daß ein solcher Abstand nicht herstellbar sein sollte, die geschlossene Bauweise (mit den "nöthigen Abscheidungen durch Aufführung von Brand- oder Feuermauern") anordnet. § 60 BO 1857 ordnet Feuer-, Brand- oder Giebelbrandmauern "in allen geschlossenen Häuserreihen, besonders aber in stark verbauten Stadttheilen" (u.a.) "an den Seiten der Nachbarhäuser", sonst aber nur bei verbundenen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden (d.h. innerhalb des Bauplatzes) unter bestimmten weiteren Voraussetzungen an. Aus dieser Bestimmung (ebenso im Regelungszusammenhang mit § 30 BO 1857) ergibt sich zweifelsfrei, daß Feuermauern zwingend nur dort vorgesehen waren, wo mit Nachbarhäusern in geschlossener Bauweise zusammengebaut wird oder zusammenzubauen ist. Im Beschwerdefall ist nicht ersichtlich, daß an der hofseitigen Wand des Bauwerkes der erstmitbeteiligten Partei der Anbau eines weiteren Gebäudes (vor allem im Hinblick auf die bereits vorhandene Verbauung) auch nur denkbar, geschweige denn in einer Widmungsbewilligung oder in einem Bebauungsplan vorgesehen wäre (zur funktionellen Ähnlichkeit der Widmungsbewilligung mit dem Bebauungsplan vgl. u.a. das Erkenntnis vom 25. März 1968, Slg. 7319/A); dies behauptet im übrigen auch die Beschwerdeführerin nicht.
Der Umstand allein, daß im seinerzeitigen Kaufvertrag vom 8. Juli 1954 (der aktenkundig ist) eine Grundabteilung in der Weise vorgenommen wurde, daß die hofseitige Hausmauer zugleich die Grundgrenze (nunmehr: zur Beschwerdeführerin) darstellt, zwingt die erstmitbeteiligte Partei daher nicht, diese Wand als Feuermauer auszubilden. Damit geht aber auch die Argumentation der Beschwerdeführerin, die hofseitige Wand der erstmitbeteiligten Partei dürfe wegen ihrer Eigenschaft als Feuermauer keine Fenster enthalten, ins Leere. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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