VwGH 92/04/0231

VwGH92/04/023125.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H in Deutschland, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. September 1992, Zl. MA 64-B 27/91, betreffend Auftrag nach § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §309;
ABGB §312;
ABGB §353;
ABGB §6;
AVG §59 Abs1;
GasG Wr §4 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ABGB §309;
ABGB §312;
ABGB §353;
ABGB §6;
AVG §59 Abs1;
GasG Wr §4 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. September 1992 wurde die u.a. vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. März 1991 erhobene Berufung abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Der Magistrat erteilt gemäß § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 17/1954, in der Fassung LGBl. Nr. 13/1966, LGBl. Nr. 19/1971, LGBl. Nr. 27/1978, LGBl. Nr. 23/1980 und LGBl. Nr. 14/1991, den Hauseigentümern als Inhaber der Gasanlage auf der Liegenschaft Wien, A-Straße 105, E.Z. 73 des Grundbuches der Kat.Gem. X nachstehenden Auftrag:

An der genannten gastechnischen Anlage ist die Verteilungsleitung des Hauses, das ist der Leitungsteil für ungemessenes Gas zwischen Hauptabsperreinrichtung an der Fassade des Hauses, rechts vom Hauseingang bis zu den Gaszählereingängen in den einzelnen Wohnungen in ihrer Gesamtheit binnen 4 Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides in einen dem Wiener Gasgesetz LGBl. für Wien Nr. 17/1954 in der geltenden Fassung sowie den anerkannten "Technischen Richtlinien für Einrichtung, Änderung, Betrieb und Instandsetzung von Niederdruck-Gasanlagen" (ÖVGW-TR Gas 1985) entsprechenden Zustand zu versetzen."

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom 7. September 1992 vorgebracht, daß die Liegenschaft am 27. Juni 1991 versteigert worden sei und somit weder er noch die weitere Berufungswerberin Eigentümer seien; die Berufungswerber seien daher weder faktisch noch rechtlich in der Lage, den Auftrag zu erfüllen; sie würden sich zivilrechtlich und strafrechtlich haftbar machen, würden sie Änderungen an fremdem Eigentum veranlassen. Dem Grundbuchsauszug vom 25. August 1992 sei zu entnehmen, daß ein Versteigerungsverfahren gemäß § 352 EO, somit ein Verfahren betreffend Aufhebung der Gemeinschaft, durchgeführt worden sei. Da somit keine Zwangsversteigerung stattgefunden habe - was vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet werde - werde der Erwerber erst mit Eintragung ins Grundbuch Eigentümer der Liegenschaft. Die Berufungswerber seien zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft und somit auch als Inhaber der Hausinnenleitung anzusehen und es könne ihr Vorbringen daher keine anderslautende Entscheidung herbeiführen. Die von den Berufungswerbern behauptete faktische Unmöglichkeit der Leistung stelle ebenso wie die Behauptung, sie würden fremdes Eigentum beeinträchtigen, ein zivilrechtliches Problem zwischen bücherlichen und außerbücherlichen Eigentümern dar. Gründe für eine Behebung des Auftrages lägen nicht vor und es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag auf Zurückweisung, in eventu auf Abweisung der Beschwerde stellte. Der Beschwerdeführer erstattete mit Schriftsatz vom 9. Februar 1993 eine Äußerung zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Beschwerde enthält folgende Erklärung über den Beschwerdepunkt:

"Ich wurde in meinen Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 8 AVG & Art. 5 StGG. u.v.a. gegen mich einen Bescheid erlassen hat, der, würde er durch mich erfüllt werden, mich zivil- und strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde."

Diese Erklärung ist nach dem Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen, daß sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Unterbleiben des an ihn gerichteten Auftrages verletzt erachtet.

Zur Frage der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde enthält die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift folgende Ausführungen:

"Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ist eine Beschwerde unter anderem dann mit Beschluß zurückzuweisen, wenn der Beschwerde der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht. Eine solche Beschwerdeberechtigung fehlt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, unabhängig von der Frage seiner Rechtmäßigkeit in einem Recht nicht verletzt werden kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so mangelt diesem die Beschwerdeberechtigung.

Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Bescheides lautet in den hier relevanten Stellen: "Der Magistrat erteilt ... den HAUSEIGENTÜMERN als Inhaber der Gasanlage ...". Wie der Beschwerdeführer selber vorbringt, wurde die Eintragung des Eigentumsrechtes für die S & Co. Gesellschaft m.b.H. mit Beschluß vom 7.10.1992 bewilligt.

Der in Beschwerde gezogene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17.9.1992 zugestellt und wurde mit diesem Tag rechtskräftig. Da jedoch zwischen dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides und der Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die am 29.10.1992 erfolgte, jedenfalls ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat, war der Beschwerdeführer, da er in seinen Rechten nicht mehr verletzt werden kann, zur Einbringung der Beschwerde nicht mehr berechtigt. Da der Bescheid gegen ihn in seiner Eigenschaft als Hauseigentümer gerichtet war, die er nun nicht mehr besitzt, und die Vollstreckung des Bescheides, dem gemäß § 4 Abs. 6 des Wiener Gasgesetzes in diesem Fall dingliche Wirkung zukommt, ohnedies nur im Wege der Ersatzvornahme gegen den jeweiligen Inhaber erfolgen kann, wird der Beschwerdeführer durch den Bescheid nicht mehr belastet. Dementsprechend wurde im anhängigen Vollstreckungsverfahren die Androhung der Ersatzvornahme auch an die S & Co. Gesellschaft m.b.H. gerichtet."

Der von der belangten Behörde geltend gemachte Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde liegt nicht vor.

Im Grunde des § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit ... unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Zum normativen Spruchinhalt gehört auch die Bezeichnung des Normadressaten.

Im vorliegenden Fall wurden die Normadressaten lediglich mit den Worten "den Hauseigentümern als Inhaber der Gasanlage ..." umschrieben. Berücksichtigt man den Zusammenhang von Spruch und Begründung, so sind von dem auf § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes gestützten Auftrag der Beschwerdeführer und die weitere Berufungswerberin normativ betroffen, heißt es doch in der Begründung, daß die Berufungswerber zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft und somit auch als Inhaber der Hausinnenleitung anzusehen seien. Dementsprechend wurde der angefochtene Bescheid auch den Vertretern des Beschwerdeführers und der weiteren Berufungswerberin zugestellt.

In der Zeit zwischen der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 17. September 1992 und der Beschwerdeerhebung am 29. Oktober 1992 trat weder nach dem Beschwerdevorbringen, noch nach der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Änderung in den für die Frage der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde maßgebenden Verhältnissen ein. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, dem die Aktenlage nicht entgegensteht, ist nämlich in Betracht zu ziehen, daß der Beschwerdeführer bereits am Tag der Erlassung des angefochtenen Bescheides, nämlich am 17. September 1992, nicht mehr die nach § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes rechtlich maßgebende Eigenschaft, Inhaber der Gasanlage zu sein, aufgewiesen hatte. Es fehlt dem Beschwerdeführer entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung somit nicht an der Berechtigung zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde. Auch sonst liegen keine Umstände vor, denen zufolge die vorliegende Beschwerde unzulässig wäre.

Sie ist auch stichhältig begründet.

Gemäß § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 14/1991, hat der Magistrat nötigenfalls den Inhaber einer Gasanlage zu verhalten, diese innerhalb angemessener, einen Monat nicht übersteigender Frist in guten, den gesetzlichen Vorschriften und den Erfahrungen der technischen Wissenschaften entsprechenden Zustand zu versetzen.

§ 4 Abs. 3 leg. cit. bezieht sich auf die Rechtsfigur der Innehabung (des Inhabers). Diese Rechtsfigur entstammt dem Zivilrecht. Entsprechend dem aus der Einheit der Rechtsordnung zu folgernden Grundsatz der Einheit der Rechtssprache ist bei Auslegung des Begriffes "Inhaber" von jenem Bedeutungsgehalt auszugehen, den die Privatrechtsordnung geprägt hat. Darnach ist (Sach-)Inhaber, wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (§ 309 ABGB; siehe hiezu u.a. auch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1987, Zl. 85/04/0124).

Wird einer Person ein Auftrag im Sinne des § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes erteilt, so bedarf es der Klarstellung, daß dieser Person die rechtliche Eigenschaft als Inhaber der Gasanlage zukommt.

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurden die "Hauseigentümer als Inhaber der Gasanlage" als Normadressaten des Auftrages bezeichnet. Mit dieser Bezeichnung ging die belangte Behörde nicht nur über den rechtlichen Unterschied zwischen Eigentum (§ 353 ff ABGB) und Innehabung (§§ 309, 312 ABGB) hinweg, sondern verkannte auch ihre nach § 59 Abs. 1 AVG bestehende Verpflichtung, den Normadressaten des Bescheides unzweifelhaft und richtig zu bezeichnen. Unbeschadet der im Sinne der vorstehenden Ausführungen für die Prüfung der Zulässigkeit maßgebenden, in Ansehung des angefochtenen Bescheides bestehenden normativen Betroffenheit des Beschwerdeführers war nämlich im vorliegenden Fall auf die im Grundbuchsauszug vom 25. August 1992 aufscheinende Vormerkung des Eigentumsrechtes für S & Co. Gesellschaft m.b.H. und auf den Schriftsatz der Berufungswerber vom 7. September 1992 Bedacht zu nehmen, wonach Zweifel daran bestanden, wem zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Stellung als Inhaber zukomme. Im Hinblick auf diese Zweifel hätte es zur vollständigen Erledigung der Verwaltungsangelegenheit gehört, die als Normadressaten angesprochenen Personen im Spruch des angefochtenen Bescheides in zutreffender Weise eindeutig klarzustellen.

Die Formulierung des Spruches "den Hauseigentümern als Inhaber der Gasanlage" wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wie bereits vorstehend hervorgehoben, dahin erläutert, daß die Berufungswerber zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft und somit auch als Inhaber der Hausinnenleitung anzusehen seien.

Indem die belangte Behörde solcherart entgegen der dargelegten Rechtslage nicht auf die Rechtsfigur der Innehabung abstellte, belastete sie den angefochtenen Bescheid auch im Hinblick auf die Regelung des § 4 Abs. 3 des Wiener Gasgesetzes, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 14/1991, mit Rechtswidrigkeit.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand und die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes, welche einen gesonderten Ersatz von an Umsatzsteuer zu entrichtenden Beträgen nicht zuläßt.

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