VwGH 92/03/0260

VwGH92/03/026020.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des R in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 1. Oktober 1992, Zl. 2/42-4/1992, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §6;
ZustG §9 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §6;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO bestraft, weil er am 27. August 1991 um 19.15 Uhr eine nicht zum Verkehr zugelassene Zugmaschine mit Ladewagenanhänger auf einem näher bestimmten Straßenstück in Imst gelenkt und anschließend um

19.20 Uhr in Imst in der Einfahrt zu seinem Wohnhaus nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan den Alkotest verweigert habe, obwohl er sich beim Lenken vermutlich in einem Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Die belangte Behörde stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Am 27. August 1991 ging beim Gendarmerieposten Imst eine Anzeige ein, wonach der Beschwerdeführer in einem vermutlich alkoholisierten Zustand mit seinem Traktor auf dem Weg nach Hause ist. Aus diesem Grund fuhren die beiden Meldungsleger mit ihrem Dienstwagen zur Heimadresse des Beschwerdeführers. Ca. 200 m vor seinem Wohnhaus holten sie den Beschwerdeführer ein und versuchten ihn anzuhalten. Dies gelang jedoch nicht. Als der Beschwerdeführer seinen Traktor abstellte, wurde er vom Gendarmeriebeamten F aufgefordert, beim Gendarmerieposten Imst eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomaten durchzuführen. Der Beamte hatte beim Beschwerdeführer Alkoholisierungsmerkmale (unter anderem gerötete Augen und eine veränderte Sprache) festgestellt. Im Zuge der Befragung gab der Beschwerdeführer auch zu, zwei Flaschen Bier getrunken zu haben. Er war nicht bereit, sofort zum Posten mitzukommen, sondern behauptete, daß er die kleine Notdurft verrichten müßte, und wollte zum Haus ins WC. Damit waren die Beamten nicht einverstanden und sagten zum Beschwerdeführer, daß er seine Notdurft vor dem Haus oder beim Posten verrichten könnte. Dieser Vorschlag wurde vom Beschwerdeführer nicht angenommen. Nachdem der Beschwerdeführer einer fünfmaligen Aufforderung zur Durchführung des Alkotestes nicht entsprochen hatte, wurde die Amtshandlung von den Beamten abgeschlossen. Der Gendarmerieposten ist von der Wohnadresse des Beschwerdeführers etwa 1 km entfernt, ein Auto benötigt für diese Strecke ca. drei Minuten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Soweit in der Beschwerde gerügt wird, daß der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer selbst und nicht seinem Rechtsvertreter zugestellt worden sei, genügt der Hinweis auf § 9 Abs. 1 Zustellgesetz. Danach tritt in den Fällen, in denen statt an den Zustellbevollmächtigten an den von diesem Vertretenen zugestellt wird, eine Heilung dieses Zustellmangels dann ein, wenn das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Daß letzteres im Beschwerdefall zutraf, wird durch die mit der Beschwerde vorgelegte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegt (vgl. zum Ganzen u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0235).

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer ferner geltend, daß seinem Vertreter keine Niederschrift über die Verhandlung vor der belangten Behörde am 1. Oktober 1992 zugestellt worden sei. Aus der im Akt der belangten Behörde erliegenden Strafverhandlungsschrift vom 1. Oktober 1992 geht hervor, daß für die Abfassung der Niederschrift ein Tonband verwendet wurde. Von dem bei der Verhandlung anwesenden Vertreter des Beschwerdeführers wurde eine "Kopie der Vollschrift" verlangt. Diesem Verlangen hat die belangte Behörde - entgegen § 14 Abs. 5 zweiter Satz AVG - nicht entsprochen. Der dadurch bewirkte Verfahrensmangel vermag jedoch nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich zu ziehen, weil es der Beschwerdeführer unterlassen hat, durch konkretes Vorbringen darzutun, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Fehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Es ist nicht zu erkennen, daß es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, sich etwa durch Akteneinsicht Kenntnis vom Inhalt der Verhandlungsschrift zu verschaffen und auf etwaige Unrichtigkeiten der Übertragung hinzuweisen.

Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde dahin bekämpft, daß sie seiner Verantwortung, er habe an Durchfall gelitten und die große Notdurft verrichten müssen, keinen Glauben geschenkt habe, vermag er keine im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung wahrzunehmenden Bedenken (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) zu erwecken. Es ist naheliegend, daß der Beschwerdeführer, hätte er tatsächlich an Durchfall gelitten, dies den Beamten unverzüglich mitgeteilt hätte.

Ausgehend von dem somit gemäß § 41 Abs. 1 VwGG der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugrundezulegenden, von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt ist der angefochtene Bescheid auch mit keiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers waren die Gendarmeriebeamten bei der gegebenen Sachlage nicht verpflichtet, ihm einen "kurzen Aufschub" zur Verrichtung der kleinen Notdurft im WC seines Hauses einzuräumen, hätte sich doch dadurch einerseits dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur allfälligen Verschleierung des Sachverhaltes durch Tätigung eines Nachtrunkes geboten und lagen andererseits keine Umstände vor, welche die nur wenige Minuten dauernde Fahrt zum Gendarmerieposten und die Verrichtung der Notdurft am dortigen WC für den Beschwerdeführer unzumutbar erscheinen ließen. Von einem Notstand im Sinne des § 6 VStG, welcher eine schwere, die Lebensmöglichkeiten unmittelbar bedrohende Gefahr voraussetzt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 736 ff, angeführte Judikatur) kann keine Rede sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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