VwGH 92/01/1023

VwGH92/01/10238.7.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1992, Zl. 4.320.961/2-111/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. August 1991 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin - eine iranische Staatsangehörige, die am 3. November 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin vertritt erkennbar die Auffassung, daß ihr als Christin und Angehörige der armenischen Minderheit im Iran die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) wegen Verfolgung sowohl aus Gründen der Religion als auch aus solchen der Nationalität zukomme und ihr daher gemäß § 3 Asylgesetz 1991 Asyl zu gewähren gewesen wäre. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht anzuschließen.

Der schriftliche Asylantrag vom 12. November 1990 wurde damit begründet, daß die Beschwerdeführerin im Iran verfolgt worden sei, weil sie sich als armenische Christin "den islamischen Gebräuchen nicht unterordnete". Sie sei am 12. Mai 1990 in A zum ersten Mal verhaftet worden, weil unter ihrem Schleier "ein paar Haare hervorgekommen" seien, sei fünf Tage eingesperrt gewesen und habe zehn Peitschenhiebe erhalten. Zum zweiten Mal sei sie zwei Tage im Gefängnis gewesen, weil sie weiße Schuhe getragen habe. Um nicht wieder geschlagen zu werden, habe sie 5000 Tuman zahlen müssen, und sie habe unterschreiben müssen, "so etwas" nicht mehr zu tun, ansonsten sie mit Haft von drei bis sechs Monaten rechnen müßte. Als armenische Christin habe sie im Iran kein menschenwürdiges Leben führen können. Bei ihrer niederschriftlichen Erstbefragung am 19. August 1991 bezog sich die Beschwerdeführerin auf ihren Asylantrag, in dem sie ihre Fluchtgründe angeführt habe. Sie fügte hinzu, daß ihre zweite Verhaftung durch die Revolutionswächter im Juni 1990 erfolgt sei, sie jeweils nur deshalb verhaftet worden sei, weil sie sich "nicht streng nach dem islamischen Recht" gekleidet habe, und sie als Christin auf jeden Fall mit einer weiteren Verhaftung rechnen müßte, wenn sie ihrem Glauben treu bleibe. Auf dem Boden des sich daraus ergebenden Sachverhaltes ist aber für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil sie demnach lediglich die in ihrem Heimatland geltenden Bekleidungsvorschriften nicht beachtet hat und es sich hiebei - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - um allgemeine Beschränkungen des Lebens. handelt, denen nicht nur Christinnen oder weibliche Angehörige der armenischen Minderheit unterworfen sind, was bedeutet, daß die damit verbundenen Maßnahmen nicht als konkrete Verfolgungshandlungen aus einem der Konventionsgründe, insbesondere auch nicht aus denen der Religion oder der Nationalität, angesehen werden können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0460). Der Beschwerdeführerin ist in Erwiderung auf das Beschwerdevorbringen, wonach der unbestimmte Rechtsbegriff der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur unter Zugrundelegung einer - ihrer Meinung nach nicht erfolgten - objektiven Betrachtungsweise beurteilt werden könne und dabei im übrigen die Gesamtsituation der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen gewesen wäre, entgegenzuhalten, daß damit nicht das Vorliegen eines der Konventionsgründe dargetan wird, mag ihr unter Umständen auch eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (die aber nicht im Zusammenhang mit Konventionsgründen stünde) zugebilligt werden können.

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, es wäre von der belangten Behörde eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen, weil die Erstbehörde "tatsächlich keinerlei Sachverhaltsfeststellungen getroffen" habe und dieser Umstand einer (im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hiefür als maßgeblich erachteten) "Änderung des Sachverhaltes gleichzuhalten" sei, ist für den Gerichtshof nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, daß dem erstinstanzlichen Bescheid trotz vorhandener Begründungsmängel zweifelsfrei zu entnehmen war, daß der von der Beschwerdeführerin geschilderte Sachverhalt einer rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, kam es weiters nur darauf an, ob das Ermittlungsverfahren im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 offenkundig mangelhaft war, was aber selbst die Beschwerdeführerin (zutreffenderweise) nicht behauptet. Wenn die Beschwerdeführerin die Wesentlichkeit des von ihr gerügten Verfahrensmangels aufzuzeigen versucht, indem sie insbesondere geltend macht, daß im Falle der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen wäre, daß die Repressalien der iranischen Behörden deshalb so massiv ausgefallen seien, weil sie Armenierin und Christin sei, und bei einem weiteren Verbleib der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland für sie bereits geringfügigste Verstöße gegen Normen mit massivsten behördlichen Repressalien und Strafen auf Grund ihrer Nationalität und Religion verbunden gewesen wären, so unterliegt daher dieses Vorbringen - ungeachtet der Frage nach seiner Tauglichkeit - dem Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Da - wie gesagt - kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorlag, hätte die belangte Behörde auch auf das zusätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gar nicht Bedacht zu nehmen, sondern gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen gehabt. Dazu kommt, daß auch dieses zusätzliche Vorbringen (hinsichtlich des Umstandes, daß der Beschwerdeführerin ein Studium verwehrt geblieben sei, sowie eines Vorfalles im September 1990, bei dem sie und ihre Begleitung nach einer Hochzeitsfeier wegen Alkoholkonsums bestraft worden seien) nicht geeignet gewesen wäre, eine andere rechtliche Beurteilung in Ansehung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin herbeizuführen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin keine individuell gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen aus Gründen ihrer Religion oder Nationalität erlitten hat und sie sich demnach auch nicht aus wohlbegründeter Furcht, aus diesen Gründen verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet (vgl. zur allgemeinen Lage der armenischen Christen im Iran das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, Zlen. 92/01/0600 bis 0602).

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. W i e n , am B. Juli 1993

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