VwGH 91/19/0029

VwGH91/19/002915.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 28. Dezember 1990, Zl. VII/2a-V-709/1/2-90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des KJBG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
VStG §51 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
VStG §51 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 7. Dezember 1989 wurden über den Beschwerdeführer wegen fünf Übertretungen des KJBG Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die am 5. Jänner 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft einlangte.

3. Mit Bescheid vom 28. Dezember 1990 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) der Berufung unter Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine Folge.

4. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

II.

1.1. Nach Absatz 2 des Übergangsrechts zum VStG 1950 (Anlage 2 der Kundmachung des Bundeskanzlers, mit der das Verwaltungsstrafgesetz wiederverlautbart wird, BGBl. Nr. 52/1991) sind am 1. Jänner 1991 anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 358/1990 (1. Jänner 1991) geltenden Rechtslage zu Ende zu führen.

Nach dem unter Punkt I Gesagten trifft dies im Beschwerdefall zu.

1.2. § 51 Abs. 5 VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung lautete wie folgt:

"Wird eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb eines Jahres ab Einbringung der Berufung erlassen, so gilt der angefochtene Bescheid als aufgehoben und das Verfahren ist einzustellen. Dies gilt nicht in Privatanklagesachen."

2.1. Nach dem Inhalt der Zustellverfügung im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Ausfertigungen dieses Bescheides direkt den Parteien zugestellt. Ein Zustellnachweis in Ansehung des Beschwerdeführers findet sich nicht in den Akten. Die belangte Behörde, die auf Grund des ihr bekannten Vorbringens des Beschwerdeführers von seiner Behauptung, er sei ortsabwesend gewesen, gewußt hat, hat sich dazu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

2.2. Aus dem im Akt befindlichen Zustellnachweis betreffend die Zustellung des angefochtenen Bescheides an das Arbeitsinspektorat ergibt sich, daß diese Zustellung am 3. Jänner 1991 erfolgt ist. Bei der erstinstanzlichen Behörde sind die Akten am 4. Jänner 1991 eingelangt. Mangels gegenteiliger Hinweise geht der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Frage, wann der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer gegenüber erlassen wurde, davon aus, daß der Zustellversuch nicht vor dem 2. Jänner 1991 unternommen wurde.

2.3. Aus dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Beschwerdeführer auch in der Bundesrepublik Deutschland ein Unternehmen betreibt und sich deshalb häufig im Ausland aufhält. Der Beschwerdeführer hat durch Vorlage einer detaillierten Aufstellung über die von ihm in der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommenen geschäftlichen Termine in der Zeit vom 2. Jänner bis zum 15. Februar 1991 und die Vorlage von Urkunden hinreichend bescheinigt, daß er sich in dieser Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat und erst am 16. Februar 1991 in seine Wohnung in Österreich zurückgekehrt ist, wo er den angefochtenen Bescheid vorgefunden hat.

3. Nach § 16 Abs. 5 Zustellgesetz gilt eine Ersatzzustellung - von einer solchen geht der Verwaltungsgerichtshof aus, und zwar im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde die Zustellung mit "Rsb" angeordnet und der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid bei der Rückkehr in seine Wohnung vorgefunden hat, - als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Unter Zugrundelegung des als bescheinigt anzunehmenden Sachverhaltes wurde zufolge dieser Gesetzesstelle die Zustellung des angefochtenen Bescheides erst mit 17. Februar 1991 wirksam. Die Zustellung der Berufungsentscheidung an den Beschuldigten (bzw. seinen Vertreter) ist maßgebend für die Einhaltung der Frist des § 51 Abs. 5 VStG (siehe die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0139, und vom 17. Februar 1992, Zl. 91/19/0333). Im Hinblick auf die Einbringung der Berufung am 5. Jänner 1990 hätte die Berufungsentscheidung dem Beschwerdeführer bis 5. Jänner 1991 zugestellt werden müssen. Da dies nicht der Fall war, galt der erstinstanzliche Bescheid mit Ablauf des zuletzt genannten Datums gemäß § 51 Abs. 5 VStG als aufgehoben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die durch die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers verursachte Verzögerung der rechtswirksamen Zustellung und die dadurch bewirkte Überschreitung der Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG der belangten Behörde nicht als Verschulden angelastet werden kann (siehe das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, unter E. Nr. 1b zu § 51 Abs. 7 VStG zitierte Erkenntnis). Durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses trotz Verstreichens der Frist des § 51 Abs. 5 VStG hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (siehe die bei Hauer-Leukauf, aaO., unter E. 4 zu § 51 Abs. 7 VStG zitierte Rechtsprechung).

4. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil an Stempelgebühren nur S 570,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde, S 120,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und S 90,-- Beilagengebühr zur Bescheinigung der Ortsabwesenheit) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte