VwGH 92/18/0411

VwGH92/18/041122.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M, in der Türkei, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter (Vater) Y, dieser vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Österreichischen Generalkonsulates in Istanbul vom 15. September 1992, Zl. 7.11/304/92, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
PaßG 1969 §25 Abs3 lite;
AVG §45 Abs2;
PaßG 1969 §25 Abs3 lite;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Eingabe vom 24. Juli 1992 an das Österreichische Generalkonsulat in Istanbul (die belangte Behörde) hatte der Beschwerdeführer den Antrag auf Ausstellung eines befristeten Wiedereinreise-Sichtvermerkes gestellt und begründend dazu ausgeführt, daß seine Eltern seit vielen Jahren in Österreich lebten und er bei ihnen sein möchte. Er habe mehrere Urkunden, darunter auch eine "Wohnbestätigung" der D Ges.m.b.H. vom 29. April 1992 vorgelegt. Die belangte Behörde habe daraufhin mitgeteilt (Schreiben vom 11. August 1992), daß ein Sichtvermerk erteilt werden könne, wenn entweder eine Sichtvermerksbescheinigung oder eine Bestätigung darüber, wie viele Personen in der Werkswohnung wohnhaft seien, beigebracht werde. Mit Schreiben vom 4. September 1992 habe der Beschwerdeführer die Bestätigung der genannten Gesellschaft vom 3. September 1992 vorgelegt, aus der ersichtlich sei, daß zwei Erwachsene und zwei Kinder in der Werkswohnung wohnten.

2. Unter dem Datum 15. September 1992 erging an den anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers (den nunmehrigen Beschwerdevertreter) ein Schreiben folgenden Wortlautes:

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt

Zu Ihrem Schreiben Zl. 922132 vom 4.9.1992 teilt Ihnen das Generalkonsulat mit, daß dem Antrag auf Sichtvermerkserteiung für M nicht entsprochen werden kann.

Gemäß der von Ihnen übermittelten Mietbestätigung wohnen in einer Wohnung mit einer Nutzfläche von 35 m2 bereits vier Personen. Bei Zuzug einer fünften Person ist das Erfordernis einer ortsüblichen Unterkunft nicht mehr gegeben - weniger als 7 m2 reine Wohnfläche pro Person.

......

Mit freundlichen Grüßen

(X)

Generalkonsul"

3. Durch dieses vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete Schreiben erachtet er sich in "seinem Recht verletzt, eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Sichtvermerk) für Österreich zu bekommen". Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was zunächst die rechtliche Qualifizierung der angefochtenen Erledigung (oben I.2.) anlangt, so pflichtet der Gerichtshof dem Beschwerdeführer bei, daß diese als Bescheid im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu werten ist (vgl. das zu einem gleichgelagerten Fall ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1992, Zl. 91/19/0067, m.w.N.).

2. Gemäß § 23 Abs. 1 des Paßgesetzes, BGBl. Nr. 422/1969, (PaßG 1969) bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument (§ 22) eines österreichischen Sichtvermerkes; dies gilt nicht, wenn durch zwischenstaatliche Vereinbarung anderes bestimmt wird oder wenn der Fremde während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum nicht verläßt (Transitreisender).

Im Beschwerdefall bedurfte der Beschwerdeführer eines Sichtvermerkes, da durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist. Zur näheren Begründung wird diesbezüglich im Sinne des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 91/19/0067 verwiesen.

3.1. Nach § 25 Abs. 1 PaßG 1969 kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt. Zufolge des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen. Gemäß § 25 Abs. 3 PaßG 1969 ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn (lit. e) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

3.2. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, es sei die angefochtene Entscheidung schon deshalb rechtswidrig, "weil nicht nachvollziehbar ist, ob sich die belangte Behörde auf einen Versagungsgrund des Abs. 3 dieser Bestimmung stützt oder ob sie vom eingeräumten freien Ermessen zu Lasten des Sichtvermerkswerbers Gebrauch gemacht hat", ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß die im bekämpften Bescheid für die Versagung des beantragten Sichtvermerkes gegebene Begründung, nämlich das Fehlen einer "ortsüblichen Unterkunft", erkennbar auf den Tatbestand des § 25 Abs. 3 lit. e PaßG 1969 Bezug nimmt. Diese Subsumtion kann nicht als rechtswidrig befunden werden, steht es doch mit den Denkgesetzen, aber auch der Lebenserfahrung durchaus in Einklang, daß das Nichtvorhandensein einer Unterkunft für einen Fremden zu einer finanziellen Belastung der Republik führen könnte. War aber der Tatbestand des § 25 Abs. 3 lit. e PaßG 1969 als verwirklicht anzusehen - was in bezug auf die sachverhaltsmäßige Grundlage zu prüfen sein wird -, so hatte die belangte Behörde dem klaren Wortlaut des § 25 Abs. 3 lit. e leg. cit. zufolge den begehrten Sichtvermerk zu versagen.

4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die "Wohnbestätigung" der besagten Gesellschaft vom 3. September 1992 sei insofern mißverständlich gewesen, als bei den zwei in der Werkswohnung als wohnhaft genannten Kindern der Beschwerdeführer - als "zukünftiger Bewohner" - bereits berücksichtigt worden sei. Da die belangte Behörde das Parteiengehör nicht gewahrt habe, sei es nicht möglich gewesen, dieses Mißverständnis, nämlich daß in dieser Wohnung nicht insgesamt fünf, sondern lediglich vier Personen wohnen würden, aufzuklären.

4.2. Damit zeigt die Beschwerde keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Selbst wenn die "Wohnbestätigung" mißverständlich in der vom Beschwerdeführer bezeichneten Art gewesen sein sollte, würde auch die Vermeidung des (behaupteten) Versäumnisses der Behörde, diesen Umstand mit dem Beschwerdeführer zu erörtern, im Ergebnis zu keiner anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung geführt haben.

Der Beschwerdeführer hat die maßgebliche Feststellung nicht bestritten, daß die für seine Unterkunft in Aussicht genommene Werkswohnung lediglich eine Fläche von 35 m2 aufweist. Dies aber hat zur Folge, daß auch bei Zutreffen der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, es würde diese Wohnung nicht fünf, sondern nur vier Personen Unterkunft bieten, die entscheidungswesentliche Annahme der belangten Behörde, es stehe für den Beschwerdeführer keine geeignete Unterkunft, bezogen auf die ortsüblichen Verhältnisse, zur Verfügung, nicht unzutreffend wäre. Die dazu in der Beschwerde vertretene Ansicht, daß eine 35 m2-Wohnung, bestehend aus einem Schlafzimmer für die Eltern und einem Schlafzimmer für die Kinder (sogar wenn es drei wären) "durchaus als ortsübliche Unterkunft" anzusehen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis Zl. 91/19/0067, in dem eine ca. 72 m2-Wohnung, in welcher der damalige Beschwerdeführer als siebente Person wohnen sollte, unter Zugrundelegung der maßgeblichen örtlichen Verhältnisse, vom Gerichtshof als keine für den Beschwerdeführer geeignete Unterkunft gewertet wurde).

5. Was die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, es hätte die belangte Behörde ihre "Entscheidung" vom 11. August 1992 durch den angefochtenen Bescheid nicht abändern dürfen, so genügt es, dazu auf die an anderer Stelle der Beschwerde gegebene Darstellung zu verweisen, wonach dieses Schreiben der belangten Behörde die Mitteilung enthielt, unter welchen (alternativen) Voraussetzungen dem Beschwerdeführer ein Sichtvermerk erteilt werden könne (u.a. wurde die Beibringung einer "Wohnbestätigung" angeführt, die der Beschwerdeführer dann auch tatsächlich vorlegte). Eine Mitteilung dieses Inhaltes ist aber nicht als "Entscheidung" zu werten. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt demnach nicht vor.

6. Unter Bezugnahme auf die in der Beschwerde geäußerte Ansicht, es sei "auch im Paß- und Fremdenrecht der Gedanke der Familieneinheit zu berücksichtigen", wird auf die ständige hg. Rechtsprechung verwiesen, wonach eine Bedachtnahme auf die familiären Verhältnisse eines Sichtvermerkswerbers von vornherein nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 25 Abs. 1 und 2 PaßG 1969 in Betracht kommt, also nicht auch bei einer - wie hier - Entscheidung nach § 25 Abs. 3 leg. cit. (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0092).

7. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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