VwGH 92/15/0146

VwGH92/15/014614.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der T in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 7. Jänner 1992, Zl. 1819-2/91, betreffend Gewährung von Geburtenbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art50 Abs2;
FamLAG 1967 §32 Abs2;
FamLAG 1967 §33 Abs1;
FlKonv Art23;
FlKonv;
VwRallg;
B-VG Art50 Abs2;
FamLAG 1967 §32 Abs2;
FamLAG 1967 §33 Abs1;
FlKonv Art23;
FlKonv;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Betreffend die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 27. März 1991 festgestellt, daß sie gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 i.d.F. BGBl. 1974/796 (AsylG), Flüchtling und gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Sie hat in Östereich seit 26. November 1990 ständigen Aufenthalt, am 9. August 1991 ein Kind geboren (das unbestrittenermaßen auch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt) und begehrte mit Antrag vom 2. September 1991 die Gewährung des ersten Teiles der Geburtenbeihilfe. Sie begründete dies damit, den Status eines anerkannten Flüchtlings zu genießen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, die im § 33 Abs. 1 FLAG normierten Voraussetzungen lägen nicht vor.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab, nachdem schon das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung abweislich entschieden und die Beschwerdeführerin daraufhin die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt hatte. Begründet wurde die Berufungsentscheidung nach Wiedergabe der geltenden Rechtslage im wesentlichen damit, daß weder die Beschwerdeführerin noch ihr Kind die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, die Beschwerdeführerin auch nicht zu dem in § 26 Abs. 3 BAO genannten Personenkreis gehöre und sich schließlich vor der Geburt ihres Kindes nicht ständig drei Jahre in Österreich aufgehalten habe. Anders als in Ansehung des Anspruches auf Familienbeihilfe (§ 3 Abs. 2 FLAG) werde betreffend die Gewährung des ersten Teiles der Geburtenbeihilfe die österreichische Staatsbürgerschaft nicht durch die Rechtsstellung als Flüchtling ersetzt. Aus Art. 24 der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, ergebe sich nicht, daß die "dort angesprochene Familienbeihilfe" auch die Geburtenbeihilfe umfasse. Dieser Artikel regle die Arbeitsgesetzgebung und Sozialversicherung und im Zusammenhang damit die gesetzliche Regelung betreffend "Remunerationen einschließlich Familienbeihilfen, wo diese einen Teil der Remunerationen darstellen ...". Die Geburtenbeihilfe stelle nach der österreichischen Rechtslage wie auch die Familienbeihilfe keinen Teil der in Rede stehenden Remunerationen, d.h. Arbeitsvergütungen dar. Auch handle es sich bei der Geburtenbeihilfe nicht um eine öffentliche Unterstützung i.S. des Art. 23 BGBl. Nr. 55/1955. Folglich könne auch die im Vorlageantrag "deponierte" Ansicht nicht geteilt werden, der Gesetzgeber hätte, wenn er die nach der Genfer Konvention anerkannten Flüchtlinge aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten für die Geburtenbeihilfe ausschließen hätte wollen, diesen Ausschluß im (jüngeren) Familienlastenausgleichsgesetz ausdrücklich postulieren müssen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem ihr nach Art. 23 der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), BGBl. Nr. 55/1955, i.V.m. § 33 Abs. 1 FLAG i.d.g.F., zustehenden Recht auf Gewährung des ersten Teils der Geburtenbeihilfe verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Rücksicht auf die Fassung des Beschwerdepunktes ist ein Eingehen auf die von der belangten Behörde unter anderem herangezogene Bestimmung des Art. 24 der Genfer Flüchtlingskonvention BGBl. Nr. 55/1955 (im folgenden kurz GFK) entbehrlich.

Das Familienlastenausgleichsgesetz unterscheidet innerhalb der von ihm zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familien vorgesehenen Leistungen u.a. zwischen der Familienbeihilfe (Abschnitt I, §§ 2 ff), der Geburtenbeihilfe (Abschnitt II, §§ 32 ff) und Zuwendungen im Rahmen des Familienhärteausgleichs (Abschnitt IIa, §§ 38a ff) und knüpft die Gewährung dieser Beihilfen an unterschiedliche persönliche und sachliche Voraussetzungen. Unter anderem ist betreffend die Familienbeihilfe in § 3 Abs. 2 FLAG für Flüchtlinge i.S. des Art. 1 des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, eine Ausnahme von § 3 Abs. 1 leg. cit. normiert (die hinsichtlich Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, besondere - hier nicht weiter interessierende - Anspruchsvoraussetzungen enthält). Ebenso nimmt das Gesetz im § 38a Abs. 3 betreffend den Familienhärteausgleich ausdrücklich auf Flüchtlinge i.S. der gerade zitierten Abkommen Bedacht, indem sie in den Kreis der Zuwendungsempfänger einbezogen werden. Für den Bereich der Geburtenbeihilfe ist hinsichtlich der Voraussetzung des (hier streitgegenständlichen) ersten Teiles der Geburtenbeihilfe (§ 32 Abs. 2 FLAG) die besondere Regelung des § 33 Abs. 1 leg. cit. maßgeblich:

"(1) Anspruch auf den ersten Teil der Geburtenbeihilfe (§ 32 Abs. 2) hat die Mutter, wenn sie oder das Kind die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und wenn sie im Bundesgebiet einen Wohnsitz hat oder zu den im § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, genannten Personen gehört. Die östereichische Staatsbürgerschaft der Mutter wird durch einen dreijährigen ständigen Aufenthalt der Mutter im Bundesgebiet unmittelbar vor der Geburt des Kindes ersetzt."

Eine Berücksichtigung der Flüchtlingseigenschaft einer Person i.S. der GFK bzw. des § 1 AsylG 1968 findet sich in den Bestimmungen über die Voraussetzungen der Geburtenbeihilfe im Gegensatz zu den oben erwähnten Vorschriften des § 3 Abs. 2 bzw. § 38a Abs. 3 FLAG aber nicht.

Art. 23 der GFK lautet:

"Öffentliche Unterstützungen

Die vertragsschließenden Staaten sollen den Flüchtlingen, die sich erlaubterweise auf ihrem Gebiete aufhalten, die gleiche Behandlung in der öffentlichen Unterstützung und Hilfeleistung gewähren, wie sie ihren eigenen Staatsbürgern zuteil wird."

Vorauszuschicken ist, daß es sich bei der Geburtenbeihilfe - anders als dies die belangte Behörde gesehen hat - dann, wenn allein der Wortlaut des Art. 23 GFK maßgeblich wäre, sehr wohl um eine öffentliche Unterstützung bzw. Hilfeleistung i.S. der gerade zitierten Konventionsnorm handelt, was sich insbesondere aus den Regelungen über die Aufbringung der Mittel und die Tragung des Aufwandes für die nach dem Familienlastenausgleichsgesetz vorgesehenen Beihilfen sowie über die Verwaltung des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im III. Abschnitt dieses Gesetzes (§§ 39 ff) ergibt (vgl. i. d.S. auch z.B. OGH 23. Oktober 1991, 9 Ob 713/91, ÖA 1/1992, 25).

Im Gegensatz zu der von der belangten Behörde insbesondere in ihrer Gegenschrift vertretenen Rechtsansicht, es handle sich bei den Bestimmungen der GFK im allgemeinen und deren Art. 23 im besonderen um Normen, die nicht in das innerstaatliche Recht übernommen worden seien, wird in Judikatur und Lehre der gegenteilige Standpunkt vertreten, nämlich der, daß es sich bei der GFK um unmittelbar anzuwendendes, einfaches Bundesrecht handelt, das "self executing" ist (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1966, Zl. 759/1965 Slg. N.F.

Nr. 6948/A, das Urteil des OGH vom 4. April 1956, 3 Ob 70/6

SZ 29/32 sowie Veiter, Die Flüchtlingskonvention in der

österreichischen Rechtsprechung, JBl. 1972, 349 ff insb. 351

und Steiner, Östereichisches Asylrecht 2 FN 1). Daß dies

insbesondere auch für den Fall des Art. 23 der Konvention gilt,

ergibt sich aus dem eben zitierten hg. Erkenntnis

Slg. N.F. 6948/A welches zu Art. 31 der GFK ergangen ist,

dessen maßgeblicher Wortlaut mit dem des hier in Rede stehenden

Art. 23 in den entsprechenden Passagen ident ist, nämlich: "Die

vertragsschließenden Staaten sollen ... keine Strafen wegen ...

verhängen" (Art. 31) bzw. "die vertragsschließenden Staaten

sollen ... gewähren" (Art. 23).

Damit ist aber im Ergebnis für das Anliegen der Beschwerdeführerin noch nichts gewonnen. Die Republik Österreich hat nämlich die GFK u.a. mit der Maßgabe ratifiziert, daß unter den im Art. 23 angeführten "Öffentlichen Unterstützungen und Hilfeleistungen" nur Zuwendungen aus der Öffentlichen Fürsorge (Armenversorgung) zu verstehen sind.

Unter Fürsorge (deren Vorläufer die sogenannte Armenversorgung war - vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht 31 und 33 - und die heute ein Teil der Sozialhilfe ist) verstand man im Zeitpunkt der Ratifizierung und versteht man heute Instrumente zur Vorsorge für einen im Einzelfall eventuell auftretenden Bedarf bei Eintritt bestimmter sozialer Risken (vgl. Pfeil aaO. 31-33). Für Fürsorgeleistungen kennzeichnend sind die Prinzipien der Subsidiarität und Individualität (Pfeil aaO.). Betreffend den Fall der Mutterschaft, der ein solcher Risikofall sein kann, sehen die einzelnen Sozialhilfegesetze der Länder neben diversen Sachleistungen auch Geldleistungen vor, nämlich Entbindungskostenbeitrag und Wochengeld (vgl. bei Pfeil aaO. 466-468).

Um solche Fürsorgezuwendungen handelt es sich aber bei der Geburtenbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz nicht, weil dieses Gesetz eine ganz andere Zielsetzung verfolgt, nämlich die Abdeckung der finanziellen Lasten, die durch die Erziehung und Erhaltung von Kindern entstehen, womit u.a. auch das sozialpolitische Ziel verfolgt wird, dem Geburtenrückgang zu begegnen. Dies wird als "gesellschaftliche Existenznotwendigkeit" erachtet, um einen Ausgleich zwischen jenen, die die Lasten einer Familie im Interesse der gesamten Gesellschaft tragen, und jenen, die solche Lasten nicht zu tragen haben, zu schaffen (vgl. Urban, Familienlastenausgleichsgesetz 59/60). Der Gesetzgeber des Familienlastenausgleichsgesetzes hat daher frei von Konflikt mit Art. 23 GFK (wie oben aufgezeigt) nur jeweils punktuell im Bereich der Familienbeihilfe und des Familienhärtenausgleiches auf Konventionsflüchtlinge Bedacht genommen, nicht aber bei der Regelung der Voraussetzungen der Geburtenbeihilfe. Da er in diesem Bereich an der österreichischen Staatsbürgerschaft der Mutter oder des Kindes als persönliche Voraussetzung festgehalten hat, hat er diesbezüglich eine Berücksichtigung des Status eines Konventionsflüchtlings anstelle der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Aus diesem Grund haftet dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht an.

Da die Beschwerde betreffend den ebenfalls geltend gemachten Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften keinerlei Ausführungen enthält und derartige Rechtsverletzungen den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen sind, war die Beschwerde insgesamt als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Der Anspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.

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