VwGH 92/12/0086

VwGH92/12/008616.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 4. März 1992, GZ 252.552/8-110C/91, betreffend Vorrückungsstichtag, zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §12 Abs3;
GehG 1956 §12 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Universitätsassistent seit 1. März 1991 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Technische Universität Wien.

Diesem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorangegangen ist ein Dienstverhältnis als Vertragsassistent vom 18. März 1988 bis 28. Februar 1991 mit gleicher Verwendung.

Mit Antrag vom 7. Februar 1992 begehrte der Beschwerdeführer die volle Anrechnung der Vordienstzeiten vom 1. Mai 1986 bis 1. Dezember 1987 (Vertragsassistent TU-E), vom 2. Dezember 1987 bis 31. Dezember 1987 (Privatbeschäftigung) und vom 1. Jänner 1988 bis 17. März 1988 (Werkvertrag zur TU Wien).

Mit Bescheid vom 4. März 1992 wurde der Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung mit 19. Oktober 1983 festgesetzt, obwohl im vorangegangenen Verwaltungsverfahren die Vollanrechnung des zuletzt genannten Zeitraumes gemäß § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 strittig war.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Vordienstzeitenanrechnung gemäß § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 samt entsprechend günstigerer Festsetzung seines Vorrückungsstichtages durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39, 60 AVG) verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54, ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, daß unter Ausschluß der vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Absätze 4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

  1. a) die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze;
  2. b) die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

    Gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung können Zeiten gemäß Abs. 1 lit. b, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist.

    Von einer qualifizierten Bedeutung ist die Vortätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 nach der ständigen Rechtsprechung dann, wenn der durch sie verursachte Erfolg der Verwendung als Beamter ohne die Vortätigkeit nur in einem beträchtlich geringerem Ausmaß gegeben wäre (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1973, Zl. 993/73, uva.). Diese Prüfung ist auf den Zeitpunkt der Anstellung als Beamter und auf die Tätigkeit abzustellen, die dieser Beamter bei Antritt des Dienstes auszuüben hatte (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1973, Zl. 1183/72, Slg. NF Nr. 8393/A, uva.). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. Mai 1988, Zl. 88/12/0035, ausgesprochen, daß eine für die Vollanrechnung in Frage kommende Vortätigkeit für die erfolgreiche Tätigkeit in den ersten sechs Monaten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses von besonderer Bedeutung gewesen sein muß.

    Der Beschwerdeführer bringt diesbezüglich insbesondere vor, daß das für 1. Jänner 1988 projektierte Vertragsbedienstetenverhältnis an der TU Wien deshalb nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern erst ab 18. März 1988 begonnen habe, weil er als deutscher Staatsbürger nicht rechtzeitig die Arbeitsbewilligung erhalten habe. Daher sei er anstatt in Form eines Dienstverhältnisses im Rahmen eines Werkvertrages beschäftigt gewesen. Auf dieser Rechtsgrundlage habe er an der Durchführung von umfangreichen bibliographischen Recherchen für das Forschungsprojekt "X" des vorgenannten Institutes mitgewirkt. Auf diese Weise habe er sich auf jenem Gebiet einarbeiten können, welches der Forschungsschwerpunkt dieses Institutes sei. Ebenfalls sei eine entscheidende Verbesserung seines Verwendungserfolges als Vertrags- bzw. Universitätsassistent dadurch bewirkt worden, denn im Mittelpunkt seiner Assistententätigkeit stehe die Raumgestaltung in bezug auf die den Raum bewohnenden oder sonst nutzenden Menschen.

    Da dem Beschwerdeführer zu Beginn seiner Tätigkeit das einschlägige österreichische Dienst- bzw. Arbeitsrecht nicht bekannt gewesen sei, sei ihm das bescheidgegenständliche Problem der Nichtvollanrechnung der Zeit vom 1. Jänner bis 17. März 1988 auch nicht bewußt geworden. Als diese Frage jedoch im Rahmen der Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses wieder aktuell geworden sei, habe er sein diesbezügliches Anrechnungsbegehren geltend gemacht.

    Die belangte Behörde teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. April 1991 mit, daß ihrer Ansicht nach die Vollanrechnung deshalb nicht zu erfolgen habe, weil mit der fast drei Jahre dauernden Vertragsassistentenzeit bereits ein relativ langer Zeitraum vorliege, innerhalb dessen der Beschwerdeführer sich für die Anstellung als Universitätsassistent zusätzlich habe qualifizieren können. Inhaltlich gesehen erschöpfe sich durch diesen Zeitraum zur Gänze der Tatbestand des § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 insofern, als im Hinblick auf diesen Zeitraum nun beurteilt werden müsse, ob über die in diesem Zeitraum erworbene zusätzliche Qualifikation hinaus die vorangegangene Zeit zu einem solchen Ausmaß an weiterer Zusatzqualifikation geführt habe, daß ohne diese weitere zusätzliche Qualifikation dem Beschwerdeführer die Erfüllung seiner Dienstpflichten im Dienstverhältnis als Universitätsassistent nicht oder nur in einem beträchtlich geringerem Ausmaß möglich gewesen wäre. Es werde daher davon ausgegangen, daß die Bedeutung des Zeitraumes vor dem 18. März, also des Werkvertragszeitraumes, die Anwendung des § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes im gegenständlichen Fall nicht ermögliche.

    Darüber hinaus teilte die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit, daß durch ein bedauerliches Versehen der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Zeitraum der werkvertraglichen Beschäftigung nicht verständigt und der angefochtene Bescheid diesbezüglich nicht begründet worden sei, was sich aber nicht auf das Ergebnis auswirke.

    Wie aus den beiden Arbeitsbestätigungen und Stellungnahmen des Institutsvorstandes (Stellvertreters) des Institutes für XY an der TU Wien vom 20. Februar 1991 und vom 29. April 1991 hervorgeht, ermöglichte die werkvertragliche Tätigkeit des Beschwerdeführers eine Einarbeitung in die Forschungsschwerpunkte des Institutes. Daraus ist zu folgern, daß mit der gewählten Beschäftigungsart des Werkvertrages die Zeit der Verwendung des Beschwerdeführers im Hinblick auf das projektierte Vertragsbedienstetenverhältnis, das ja durch die verzögerte Erteilung der Arbeitsbewilligung vorerst verhindert wurde, sinnvoll überbrückt werden sollte. Daß eine wie immer geartete besondere Bedeutung einer Verwendung von der jeweiligen Art des Beschäftigungsverhältnisses abhängt, ist dem § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes nicht zu entnehmen. Fehlt einem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid in einem wesentlichen Punkt jedwede Begründung, so ist der in der Gegenschrift seitens der belangten Behörde unternommene Versuch, die unterlassene Begründung nachzuholen, nicht geeignet, die diesem Bescheid anhaftende Mangelhaftigkeit zu beseitigen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1960, Slg. Nr. 5186/A u.v.a.).

    Da die belangte Behörde eine Prüfung der genannten Vortätigkeit auf ihre qualifizierte Bedeutung im Sinne des § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 unterlassen und diese Unterlassung im angefochtenen Bescheid auch nicht begründet hat, war der angefochtene Bescheid in wesentlichen Bereichen einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich; er mußte schon deshalb ohne weitere Auseinandersetzung mit dem sonstigen Beschwerdevorbringen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

    Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

    Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte