VwGH 92/10/0007

VwGH92/10/000728.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des JS in U, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Dezember 1991, Zl. 18.325/14-I A 8/91, betreffend Bescheidbehebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 i.A. einer Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
VwRallg;
AVG §66 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 27. Jänner 1988 gab die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung einem Rodungsansuchen des Beschwerdeführers gemäß § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 nicht statt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 27. Mai 1988 wies der Landeshauptmann von Salzburg die Berufung als unbegründet ab. Auch gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer.

1.3. Dieser Berufung gab der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft nicht statt.

1.4. Mit hg. Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 89/10/0037, wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

In der Begründung heißt es, daß eine der nachprüfenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugängliche Interessenabwägung hinsichtlich des im Siedlungswesen begründeten öffentlichen Interesses und des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung im Beschwerdefall fehle. Dazu wäre nämlich die Feststellung der - nach der Aktenlage nicht bekannten - Tatsachen erforderlich gewesen, die zur Festlegung der Baulandwidmung geführt hätten. Es werde auch zu untersuchen sein, ob die Aussage des Sachverständigen für Raumplanung in der Verhandlung vom 18. Februar 1987, bei der Erstellung des damals gültigen Flächenwidmungsplanes sei das gegenständliche Grundstück "offensichtlich nicht Wald im Sinne der damals forstrechtlichen Bestimmungen" gewesen, sodaß bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes seitens der Landesforstdirektion kein fachlicher Einwand erhoben worden sei, zutreffe.

1.5. Mit Ersatzbescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Dezember 1991 wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen.

Nach der Begründung dieses Bescheides wären in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren Stellungnahmen von Sachverständigen der Raumplanung bzw. Forsttechnik einzuholen, um jene Tatsachen erheben zu können, die zur Festlegung einer Baulandwidmung geführt hätten. In weiterer Folge wäre unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Erhebung zu prüfen, ob eine Interessenabwägung nunmehr für die Erteilung einer Rodungsbewilligung spreche und - wenn ja - unter welchen Vorschreibungen unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen aus den Bereichen der Forsttechnik, Geologie bzw. Wildbach- und Lawinenverbauung eine Rodungsbewilligung zu erteilen wäre. Im Hinblick auf die Notwendigkeit dieser ergänzenden Ermittlungen erscheine die neuerliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich.

1.6. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 66 Abs. 1 AVG 1991 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.

Die Abs. 2 und 3 des § 66 AVG 1991 lauten:

"(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

(3) Die Berufungsbehörde kann jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit ein Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist."

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall immer in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist.

2.2.1. Was die Frage der Unvermeidbarkeit der mündlichen Verhandlung anlangt, wird in der Beschwerde vorgebracht, zusätzliche Stellungnahmen von Sachverständigen für Raumplanung und Forsttechnik seien nicht notwendig, da diese nur das wiedergeben können, was sie selbst dem Verfahren, das der Erlassung des Flächenwidmungsplanes vorangegangen sei, entnehmen können. Die Berufungsbehörde müsse aber selbst in der Lage sein, die vom Verwaltungsgerichtshof als notwendig erachtete Feststellung der Tatsachen, die zur Festlegung der Baulandwidmung geführt hätten, vorzunehmen und auch die Frage zu beantworten, ob bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes seitens der Landesforstdirektion ein fachlicher Einwand erhoben worden und ob die gegenständliche Fläche damals Wald gewesen sei.

2.2.2. Nicht jeder Verfahrensmangel berechtigt die Berufungsbehörde, von der Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG 1991 Gebrauch zu machen, vielmehr ist eine Aufhebung nach der genannten Vorschrift nur dann zulässig, wenn sich der Mangel nicht anders als mit Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben läßt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Zl. 84/05/0240, Slg. N. F. Nr. 11.795/A = ZfVB 1986/1/30).

Im Beschwerdefall wäre nun die Feststellung der - nach der Aktenlage nicht bekannten - Tatsachen, die zur Festlegung der Baulandwidmung geführt haben, erforderlich gewesen. Auch hätte untersucht werden müssen, ob die Aussage des Sachverständigen für Raumplanung in der Verhandlung vom 18. Februar 1987, bei der Erstellung des gültigen Flächenwidmungsplanes sei das gegenständliche Grundstück offensichtlich nicht Wald im Sinne der forstrechtlichen Bestimmungen gewesen (sodaß bei der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes seitens der Landesforstdirektion kein fachlicher Einwand erhoben worden sei), zutreffend war. Somit erweist sich der Sachverhalt als so mangelhaft ermittelt, daß die neuerliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Eine bloße Einsichtnahme in die Aktenunterlagen betreffend die Festlegung der Baulandwidmung reicht nämlich nicht aus, um über den vorliegenden Rodungsantrag zu entscheiden. So ist es durchaus denkbar - und liegt wohl auch im Interesse des Beschwerdeführers -, daß durch die Beischaffung der Aktenunterlagen des Flächenwidmungsverfahrens Umstände auftreten, welche für eine Erteilung der Rodungsbewilligung sprechen. In diesem Fall wäre - wie dies im angefochtenen Bescheid dargelegt wurde - eine weitere Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zumindest durch Einholung eines forsttechnischen Gutachtens, unter welchen Bedingungen und Auflagen die Rodungsbewilligung erteilt werden kann, erforderlich. Derartige Vorschreibungen sind im Hinblick auf die bisher vorliegenden negativen Stellungnahmen zum Rodungsvorhaben nicht zur Sprache gebracht worden. Es erscheint durchaus zweckmäßig - und entspricht auch der Intention des § 19 Abs. 8 des Forstgesetzes, wonach vor der Entscheidung über den Rodungsantrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist -, diese Fragen im Rahmen einer (neuerlichen) mündlichen Verhandlung zu behandeln. Hinzu kommt, daß seit der letzten mündlichen Verhandlung bereits mehrere Jahre vergangen sind, sodaß nicht von vornherein auch eine Änderung der äußeren Umstände ausgeschlossen werden kann.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellt sich die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung im Interesse der Verfahrensökonomie als die zweckmäßigste Vorgangsweise zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens dar.

Aus den bisherigen Erwägungen folgt daher, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht dadurch mit Rechtswidrigkeit belastet hat, daß sie davon ausgegangen ist, eine mündliche Verhandlung sei unvermeidlich.

2.3.1. Hinsichtlich der Frage der Zurückverweisung an die "erste Instanz" macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte sich nicht mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzes begnügen dürfen, sie hätte vielmehr jene Behörde ausdrücklich bezeichnen müssen, an die sie die Angelegenheit zurückverweist, und zwar durch Bezeichnung derselben oder durch Benennung als "Behörde zweiter Instanz".

2.3.2. Gegenstand des kassatorischen Abspruches im angefochtenen Bescheid des Bundesministers ist der Bescheid des Landeshauptmannes. Zuständig zur neuerlichen Entscheidung wird in einem solchen Fall der Kassation durch die Behörde dritter Instanz die Behörde zweiter Instanz.

Denn zuständig zur neuerlichen Sachentscheidung ist jene Behörde, deren Bescheid angefochten und kassiert wurde, mithin im Fall der Behebung eines (Berufungs-)Bescheides der zweiten Instanz diese (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0108 = ZfVB 1990/5/2417; vgl. auch Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, 617, Anm. 7 zu § 66 Abs. 2 AVG).

Unter der "Behörde erster Instanz" im § 66 Abs. 2 AVG 1991 ist nicht die nach der instanzenförmigen Gliederung bestehende erste Instanz, sondern die der Berufungsbehörde unmittelbar vorangehende Unterinstanz, also jene Behörde, die den in Berufung gezogenen Bescheid, der ausschließlich Gegenstand der Kassation ist, erlassen hat, zu verstehen (vgl. das oben genannte Erkenntnis und auch Azizi, Zur Bindung an die Rechtsanschauung der zurückverweisenden Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 2 AVG, ZfV 1976, S. 133).

2.3.3. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung vertritt, sie habe ohnedies nur den Gesetzeswortlaut im Spruch des angefochtenen Bescheides verwendet, so wäre es - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - unklar und auslegungsbedürftig, an welche Behörde zurückverwiesen werden sollte. Die zuständige Behörde schiene nicht hinlänglich konkretisiert.

Nach dem Wortlaut des behebenden und zurückverweisenden Spruches des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft im Zusammenhalt mit der Schilderung des Verfahrensganges im Vorspruch dieses Bescheides (Zitierung des erst- und zweitinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft und des Landeshauptmannes) ist es allerdings ganz unzweifelhaft, daß als "erste Instanz" im vorliegenden Fall der Bezirkshauptmann gemeint ist. Denn wenn die belangte Behörde die Angelegenheit im Spruch an "die Behörde erster Instanz" zurückverweist, kann sie damit nur die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, die ja im Instanzenzug erste Instanz ist, gemeint haben, andernfalls hätte sie die Behörde ausdrücklich bezeichnen müssen. Diese Zurückverweisung an die Bezirkshauptmannschaft war aber nach der zitierten Rechtsprechung verfehlt.

2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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