Normen
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 8. Jänner 1991 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, Sozialreferat für den 1, 8 und 9 Bezirk (erstinstanzliche Behörde) einen Grundantrag auf Gewährung von Geldaushilfen, der mit mündlich verkündetem Bescheid vom selben Tag abgelehnt wurde. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am 10. Jänner 1991 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Gewährung einer Geldaushilfe, nach der Aktenlage allerdings lediglich für vier Tage. Darüber entschied die erstinstanzliche Behörde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 10. Jänner 1991 dahin, daß eine Geldaushilfe von S 558,-- für die Zeit vom 10. Jänner 1991 bis inklusive 13. Jänner 1991 bewilligt werde. Die Verkündung wurde in einer Niederschrift vom 10. Jänner 1991 beurkundet und darin vom Beschwerdeführer mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt, daß er den Bescheid zur Kenntnis genommen und über das Recht belehrt worden sei, binnen drei Tagen eine schriftliche Ausfertigung zu verlangen. Seiner Unterschrift fügte der Beschwerdeführer die Bemerkung bei: "mit Antrag auf Kopie", was letzlich von der erstinstanzlichen, aber auch von der belangten Behörde als Antrag auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides verstanden wurde.
Am 24. Oktober 1991 wurde dem Beschwerdeführer eine Fotokopie der genannten Niederschrift, am 11. Dezember 1991 eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides vom 10. Jänner 1991 zugestellt. Nach dem Spruch dieser schriftlichen Ausfertigung werde gemäß den §§ 8, 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 11/1973 in der geltenden Fassung, in Verbindung mit den § 1, 4 und 5 Abs. 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 27. Februar 1973, LGBl. für Wien Nr. 13/1973, in der Fassung der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 11. Dezember 1990, LGBl. für Wien Nr. 76/1990, dem Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Jänner 1991 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes stattgegeben und S 558,-- für vier Tage Lebensbedarf zuerkannt. Eine Begründung entfalle gemäß § 58 Abs. 2 AVG.
Mit Schreiben vom 6. November 1991 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1991, der ihm - seiner Deutung der an ihn am 24. Oktober 1991 übermittelten Fotokopie der Niederschrift vom 10. Jänner 1991 als Zustellung einer Bescheidausfertigung entsprechend - am 24. Oktober 1991 zugestellt worden sei. Mit Schreiben vom 24. Dezember 1991 erhob er neuerlich Berufung gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1991, diesmal bezogen auf die am 11. Dezember 1991 erfolgte Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung. In den beiden gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1991 gerichteten Rechtsmitteln beantragte er die Abänderung des bekämpften Bescheides dahin, daß ihm eine Geldaushilfe für den Zeitraum vom 7. Jänner 1991 bis 6. November 1991 bzw. 24. Dezember 1991, abzüglich der bereits erhaltenen Geldaushilfe für 4 Tage vom 10. Jänner bis 13. Jänner 1991, sohin in der Höhe von S 41.720,47 bzw. S 48.278,53, ausgezahlt werde.
Mit Bescheid vom 30. März 1992 wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1991 eingebrachte Berufung ab und bestätigte den bekämpften Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer am 10. Jänner 1991 den Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes in Form einer Geldaushilfe für vier Tage gestellt. Da er zu diesem Zeitpunkt Zulassungsbesitzer dreier Kraftfahrzeuge gewesen sei, sei ihm aufgetragen worden, bis Montag, den 14. Jänner 1991 die Fahrzeuge zu verwerten oder beim Dorotheum schätzen zu lassen bzw. Unterlagen über die behauptete Verschrottung eines Fahrzeuges beizubringen. Zur Überbrückung der akuten finanziellen Notsituation habe er antragsgemäß die Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in der Höhe des Richtsatzes für vier Tage bescheidmäßig zuerkannt und ausbezahlt erhalten. Die vom Beschwerdeführer begehrte Zustellung der schriftlichen Ausfertigung dieses Bescheides sei erst am 11. Dezember 1991 erfolgt. Die erstinstanzliche Behörde habe den Zusatz "mit Antrag auf Kopie" vorerst nicht als Antrag auf Ausstellung einer schriftlichen Ausfertigung gedeutet. Unter Berücksichtigung der Verzögerung bei der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des am 10. Jänner 1991 mündlich verkündeten Bescheides erweise sich die am 24. Dezember 1991 zur Post gegebene Berufung als rechtzeitig. Der Beschwerdeführer habe sich nach dem 10. Jänner 1991 erstmals wieder am 9. Oktober 1991 mit einem schriftlichen Antrag auf "unverzügliche Zusendung einer Aktenkopie" an die erstinstanzliche Behörde gewendet und am gleichen Tag einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde gerichtet, dies mit der Begründung, die erstinstanzliche Behörde habe es bis dato verabsäumt, über seinen Antrag vom 10. Jänner 1991 abzusprechen. Die behauptete Säumnis sei jedoch, wie im Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 1992 (mit dem der Devolutionsantrag vom 9. Oktober 1991 abgewiesen wurde) ausgeführt worden sei, nicht vorgelegen. Offenkundig unterliege der Beschwerdeführer dem Irrtum, am 10. Jänner 1991 einen unbefristeten Antrag gestellt zu haben, was ihn auch veranlaßt habe, in seiner Berufung (vom 24. Dezember 1991) die Nachzahlung von S 48.278,53 zu begehren. Es sei sowohl dem Antrag als auch der Beurkundung der mündlichen Entscheidung unzweifelhaft zu entnehmen, daß aufgrund der ungeklärten Vermögensverhältnisse lediglich eine Überbrückungshilfe für vier Tage beantragt und auch zugesprochen worden sei. Es sei daher gemäß § 58 Abs. 2 AVG rechtmäßig gewesen, daß die erstinstanzliche Behörde die schriftliche Ausfertigung des Bescheides nicht begründet habe. Da sich die Berufung im wesentlichen nicht auf den vom bekämpften Bescheid erfaßten Zeitraum (10. Jänner bis 13. Jänner 1991) richte, sondern einen weiteren Zeitraum erfasse, sei es der belangten Behörde verwehrt, sich inhaltlich mit dem diesbezüglichen Vorbringen auseinander zu setzen; der "Prozeßgegenstand" des Berufungsverfahrens sei durch die erstinstanzliche Entscheidung definiert. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer, wie sich aus der Aktenlage (nämlich aus einem Schreiben des Verfassungsgerichtshofes an die belangte Behörde vom 14. Mai 1992) eindeutig ergibt, jedenfalls vor dem 14. Mai 1992 zugestellt.
Mit der vorliegenden, am 2. Juni 1992 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde hinsichtlich seiner Berufung vom 6. November 1991 geltend und beantragt den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 10. Jänner 1991 dahin abzuändern, daß ihm eine Geldaushilfe für den Zeitraum vom 7. Jänner 1991 bis 6. November 1991, abzüglich der bereits erhaltenen Geldaushilfe für die Zeit vom 10. Jänner bis 13. Jänner 1991, in der Höhe von S 41.720,47 ausgezahlt werde.
Die belangte Behörde beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, daß die beiden vom Beschwerdeführer als "Berufung" bezeichneten Schriftsätze vom 6. November und 24. Dezember 1991, die sich auf den Bescheid vom 10. Jänner 1991 bezögen, aufgrund des sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges als eine Berufung gegen diesen Bescheid gewertet und darüber mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 1992 abgesprochen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 1 AVG können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Nach § 62 Abs. 2 leg. cit. ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides am Schluß der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren. Nach § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.
Ein mündlich verkündeter Bescheid gilt bereits mit seiner Verkündung als erlassen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 19. Februar 1951, Slg. Nr. 1941/A). Die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Bescheides ist nur mehr für den Lauf der Rechtsmittelfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG von Bedeutung. Wird ein Bescheid mündlich verkündet und aufgrund eines rechtzeitigen Verlangens gemäß § 62 Abs. 3 leg.cit. eine schriftliche Ausfertigung zugestellt, so beginnt nämlich die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung der Ausfertigung. Gegen einen mündlich verkündeten und daher rechtlich existierenden Bescheid kann aber auch schon vor der Zustellung der verlangten schriftlichen Ausfertigung zulässigerweise Berufung erhoben werden. D.h.: wenngleich die Berufungsfrist gegen einen mündlich erlassenen Bescheid erst mit dem Tag der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides beginnt, so hindert dies nicht die Erhebung der Berufung bereits zwischen der Verkündung des Bescheides und der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung dieses Bescheides (vgl. das Erkenntnis vom 7. September 1990, Zl. 86/18/0207).
Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, daß der Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 10. Jänner 1991 bereits mit seiner Verkündung an diesem Tag rechtlich existent wurde. Die vom Beschwerdeführer begehrte schriftliche Ausfertigung wurde ihm aber erst am 11. Dezember 1991 zugestellt. Die Übermittlung einer Fotokopie der Niederschrift vom 10. Jänner 1991 stellte schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG keine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides vom 10. Jänner 1991 dar. Dennoch war der Beschwerdeführer nach den obigen Darlegungen berechtigt, schon vor der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides eine Berufung gegen diesen zu erheben. Der von ihm am 6. November 1991 eingebrachten Berufung stand daher nicht der Umstand entgegen, daß ihm eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides erst am 11. Dezember 1991 zugestellt wurde. Gegen den Bescheid einer Behörde steht einer Partei allerdings nur eine Berufung zu. Bringt die Partei innerhalb offener Berufungsfrist mehrere Schriftsätze, mit denen Berufung gegen denselben Bescheid erhoben wird, ein, so sind diese als eine Berufung anzusehen und hat daher die Berufungsbehörde darüber (wenn nicht die Voraussetzungen für eine Trennung nach mehreren Punkten gemäß § 59 Abs. 1 AVG vorliegen) in einem zu entscheiden (vgl. Erkenntnis vom 19. November 1985, Slg. Nr. 11.943/A). Da im Beschwerdefall die Berufungsfrist erst mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides vom 10. Jänner 1991 am 11. Dezember 1991 zu laufen begann, ist die "Berufung" des Beschwerdeführers vom 24. Dezember 1991 als eine noch innerhalb offener Berufungsfrist eingebrachte Ergänzung seiner Berufung vom 6. November 1991 anzusehen. Über diese eine Berufung hat aber die belangte Behörde mit dem obgenannten, gegenüber dem Beschwerdeführer erlassenen Bescheid vom 30. März 1992 entschieden, auch wenn sie sich einerseits in der Begründung nur mit dem "Berufung" genannten Ergänzungsschriftsatz vom 24. Dezember 1992 befaßte, weil das Begehren im Ergänzungsschriftsatz vom 24. Dezember 1991 jenes in der Berufung vom 6. November 1991 jedenfalls einschloß, und sie andererseits darüber, wenn auch verbal verfehlt, durch "Abweisung" der Berufung entschied. Unter Bedachtnahme auf die Begründung des Bescheides, wonach das Berufungsbegehren des Beschwerdeführers, ihm eine Geldaushilfe für einen den Zeitraum vom 10. Jänner bis 13. Jänner 1991 übersteigenden Zeitraum zu gewähren, außerhalb des "Prozeßgegenstandes" der Berufung, d.h. außerhalb der "Sache" des § 66 Abs. 4 AVG, liege und daher unzulässig sei, muß nämlich die Abweisung der Berufung als Zurückweisung verstanden werden.
Aus diesen Überlegungen folgt, daß die belangte Behörde bereits vor Einbringung der vorliegenden Säumnisbeschwerde ihrer Entscheidungspflicht hinsichtlich der Berufung des Beschwerdeführers vom 6. November 1991 nachgekommen ist. Die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
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