VwGH 92/05/0095

VwGH92/05/009522.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der N-Genossenschaft mbH in W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. März 1992, Zl. R/1-V-90020/02, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1;
GdO NÖ 1973 §50;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §7 Abs1;
GdO NÖ 1973 §50;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 23. November 1977 war der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage erteilt worden. Die Frist für die Ausführung dieses Vorhabens wurde zuletzt bis 23. November 1981 verlängert.

Mit der am 26. September 1989 bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangten Eingabe der Beschwerdeführerin vom 25. September 1989 stellte sie "einen Antrag auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde)" und begründete diesen mit einem Hinweis auf ihr "Ansuchen vom 8. 5. 1981, mit welchem ... um Verlängerung der Baubeginnsfrist für die ... bewilligte Errichtung von 40 Wohneinheiten angesucht" worden sei.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. Jänner 1990 im wesentlichen mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, daß der Stadtgemeinde kein Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 1981 vorliege.

Dieser Bescheid wurde mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 8. August 1991 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde zurückverwiesen, wobei die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides davon ausging, daß das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, wonach in keinem der Bauakten ein Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 1981 aufgefunden worden und im Eingangsbuch keine derartige Eingabe vermerkt sei, der Beschwerdeführerin im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis hätte gebracht werden müssen. Die Beschwerdeführerin habe in der Vorstellung darauf hingewiesen, daß nach dem Postausgangsbuch des planenden Architekten dieses Ansuchen an die mitbeteiligte Stadtgemeinde am 8. Mai 1981 abgesandt worden sei. Diesem Vorbringen könne allerdings, so meinte die Aufsichtsbehörde in der Begründung des erwähnten Bescheides weiters, nicht entnommen werden, ob diese Sendung eingeschrieben an die mitbeteiligte Stadtgemeinde übermittelt worden sei, sodaß allenfalls im Bereich der Postverwaltung noch Nachforschungen möglich seien, ob diese Sendung tatsächlich bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangt sei oder nicht. Da also das Ermittlungsverfahren in diesem Sinne unvollständig geblieben, bzw. das Recht der Beschwerdeführerin auf Parteiengehör verletzt worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden. Im fortgesetzten Verfahren werde zu beachten sein, daß ein Verlust der Postsendung, welche den Antrag vom 8. Mai 1981 enthalten habe, im Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung die Beschwerdeführerin träfe, da sie die Gefahr des Verlustes dieser Sendung trage.

Mit dem sodann ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. Jänner 1992 wurde "der Antrag auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht vom 25. 09. 1989 abgewiesen", wobei die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides auf das der Beschwerdeführerin mittlerweile gewährte Parteiengehör und das in diesem Zusammenhang eingelangte Schreiben der Beschwerdeführerin vom 12. September 1991 verwies, demzufolge außer den bereits vorgelegten Unterlagen (Kopien eines Schreibens der Beschwerdeführerin an ein Architekturbüro vom 24. April 1981, sowie eines Schreibens dieses Architekturbüros vom 8. Mai 1981 und eines Auszuges aus dem Posttagebuch dieses Büros) keine Nachweise über eine Zustellung des Schriftstückes vom 8. Mai 1981 hätten erbracht werden können. Die Berufungsbehörde ging daher davon aus, daß die Beschwerdeführerin keinen schlüssigen Beweis für die Absendung oder Zustellung des Antrages vom 8. Mai 1981 erbracht habe.

Mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 24. März 1992 wurde die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Die Aufsichtsbehörde vertrat in der Begründung dieses Bescheides die Auffassung, daß fristgebundene Anträge - um einen solchen handle es sich bei einem Antrag um Verlängerung der Baubeginnsfrist, da er innerhalb von zwei Jahren ab dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung zu stellen sei - im Sinne des § 13 Abs. 4 (richtig wohl: 1) AVG schriftlich bei der Behörde einzubringen seien. Erst mit dem Einlangen des Antrages bei der Behörde entstehe für diese die Verpflichtung zur Entscheidung über den Antrag. Bediene sich die Antragstellerin bei der Einbringung eines Antrages der Dienste der Post- und Telegraphenverwaltung, so trage sie das Risiko für den Verlust der Sendung auf dem Postwege. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, zu beweisen, daß der Antrag aus dem Jahre 1981 tatsächlich bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangt sei. Es könne nicht Sache der Behörde sein, zu beweisen, daß eine Eingabe bei ihr nicht eingelangt sei; vielmehr wäre es Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, den Nachweis dafür zu erbringen, daß ihre Eingabe bei der Behörde eingelangt sei. Es könne daher dem Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse sowie der Stellungnahme der Beschwerdeführerin davon ausgegangen sei, daß ein (neuerlicher) Antrag auf Verlängerung der Baubeginnsfrist vom 8. Mai 1981 nie bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangt sei. Das habe zur Folge, daß eine Verpflichtung des Bürgermeisters zur Entscheidung über einen Antrag nicht habe entstehen können und diesen daher folgerichtig auch kein alleiniges Verschulden an der Nichtentscheidung über diesen Antrag habe treffen können. Die Geltendmachung der Entscheidungspflicht setze voraus, daß überhaupt eine Verpflichtung der Behörde zur Entscheidung über einen Antrag entstanden sei. Eine solche Verpflichtung könne naturgemäß dann nicht entstehen, wenn ein Antrag gar nicht bei der Behörde eingelangt sei. Daß wegen des zwischen der behaupteten Einbringung des Antrages im Jahre 1981 und der Geltendmachung der Entscheidungspflicht im Jahre 1989 verstrichenen langen Zeitraumes Beweise über das Einlangen des Antrages bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Jahre 1981 im Bereiche der Post- und Telegraphenverwaltung X nicht mehr hätten erbracht werden können, habe sich die Beschwerdeführerin selbst zuzuschreiben. Darüber hinaus gehe der bautechnische Amtssachverständige der Abteilung B/4 des Amtes der NÖ. Landesregierung in seinem Gutachten vom 26. Juli 1989 ebenfalls von einer "abgelaufenen" Baubewilligung aus. Die Tatsache, daß vorherige Anträge auf Verlängerung der Baubeginnsfrist aus den Jahren 1979 und 1980 positiv erledigt worden seien, spreche nach Ansicht der Aufsichtsbehörde eher gegen das Einlangen eines neuerlichen Verlängerungsantrages im Jahre 1981. Durch die Abweisung eines Devolutionsantrages zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht über einen Antrag, der bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde nie eingelangt sei, sei die Beschwerdeführerin in keinen Rechten verletzt worden.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, Feststellungen darüber unterlassen zu haben, "ob und wie die Bauakten" der mitbeteiligten Stadtgemeinde "geordnet sind, insbesondere ob sie durchlaufend numeriert und journalisiert sind". Dies sei für die Beantwortung der Frage von Bedeutung, ob das in Rede stehende Ansuchen auf dem Postweg oder bei der Gemeinde oder überhaupt nicht verloren gegangen, sondern nur nach dem Einlangen verreiht oder im Zusammenhang mit anderen Vorgängen aus dem Akt genommen worden ist.

Der Gerichtshof ist nicht der Meinung, daß die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn sie die von der Beschwerdeführerin für notwendig erachteten Feststellungen hinsichtlich der Numerierung und Protokollierung der bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde einlangenden Eingaben getroffen hätte, weil sich daraus keine zwingenden Schlußfolgerungen hinsichtlich der im Beschwerdefall allein entscheidenden Frage ergeben hätten, ob bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein schriftliches Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 1981 tatsächlich eingelangt ist. Im übrigen lassen die mit der Gegenschrift vorgelegten Verwaltungsakten der mitbeteiligten Stadtgemeinde erkennen, daß bei ihr einlangende Schriftstücke mit einem Datumsstempel und einer laufenden Zahl versehen werden, und schon im Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. Jänner 1990 wurde ausdrücklich festgehalten, daß im "Eingangsbuch" der Stadtgemeinde keine Eingabe der Beschwerdeführerin an die Stadtgemeinde "vermerkt" sei.

Die Beschwerdeführerin führt ferner ins Treffen, sie habe der mitbeteiligten Stadtgemeinde in dem Schreiben vom 12. September 1991 zu erkennen gegeben, daß "Funktionäre und Mitarbeiter der Gemeinde von unserem Ansuchen Kenntnis hatten und daß im Anschluß an unser Verlängerungsansuchen mit der Gemeinde Gespräche stattgefunden haben, die bewilligten Baumaßnahmen zu reduzieren", weshalb es naheliegend sei, daß die Genannten diese Kenntnis aus dem Akt, also aus dem bei der Gemeinde eingelangten Verlängerungsansuchen, erhalten haben.

Dazu ist zu bemerken, daß die Beschwerdeführerin nach dem in der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wiedergegebenen Wortlaut dieses Schreibens (dessen Original sich nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindet) darin die Auffassung vertreten hat, "für die Kenntnis dieses Ansuchens in der Gemeinde spricht jedenfalls, daß Gespräche mit Funktionären und Mitarbeitern der Gemeinde im Anschluß an unser Verlängerungsansuchen mit dem Ziel stattgefunden haben, die bewilligten Baumaßnahmen zu reduzieren". Aus dem Umstand, daß "im Anschluß" an das "Verlängerungsansuchen" Gespräche über eine Reduzierung der bewilligten Baumaßnahmen stattgefunden haben, ergibt sich aber nicht, daß die erwähnten "Funktionäre und Mitarbeiter" von dem in Rede stehenden Ansuchen Kenntnis hatten, sondern lediglich, daß diese Gespräche danach stattgefunden haben. Weder der Berufungsbehörde noch der belangten Behörde kann daher unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG angelastet werden, daß sie im Hinblick auf diese Äußerung der Beschwerdeführerin im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens die "Funktionäre und Mitarbeiter" nicht befragt haben, "ob sie eine derartige Kenntnis haben und bejahendenfalls woher". Im übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, daß Gespräche mit dem Ziel, "die bewilligten Baumaßnahmen zu reduzieren", eher darauf schließen lassen, daß von der bereits erteilten Baubewilligung kein Gebrauch gemacht, sondern eine weitere Baubewilligung für ein "reduziertes" Bauvorhaben erwirkt werden soll, sodaß eine Verlängerung der Frist für die Ausführung des schon bewilligten Vorhabens im Sinne des § 103 Abs. 5 der NÖ. Bauordnung 1976 in Ermangelung eines Interesses an der Ausführung des bewilligten Vorhabens gar nicht erforderlich gewesen wäre.

Auch wenn man der Beschwerdeführerin zugesteht, daß die in der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnte Auffassung des bautechnischen Amtssachverständigen von der "abgelaufenen" Baubewilligung ebensowenig als Beweis für das Nichteinlangen eines schriftlichen Ansuchens um Verlängerung der Ausführungsfrist anzusehen ist, wie der Umstand, daß in den Jahren 1979 und 1980 derartige Ansuchen positiv erledigt worden sind, so kann der belangten Behörde trotzdem nicht entgegengetreten werden, wenn sie der Auffassung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde gefolgt ist, daß bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde nie ein Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 1981 um Verlängerung der Ausführungsfrist eingelangt ist, was zur Folge hat, daß auch keine Säumnis der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde eintreten konnte. Der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin vom 25. September 1989 konnte daher auch zu keiner Sachentscheidung führen.

Der abschließenden Erwägung der Beschwerdeführerin, über ihr Ansuchen vom 8. Mai 1981 hätte der Bürgermeister entscheiden müssen, mit dem Devolutionsantrag werde ihm Säumnis vorgeworfen, weshalb er bei der Entscheidung über den Devolutionsantrag nicht stimmberechtigt gewesen sei, ist zu erwidern, daß die Mitwirkung des Bürgermeisters an der Beschlußfassung über den Bescheid des Gemeinderates nur dann einen wesentlichen Verfahrensmangel begründet hätte, wenn der Gemeinderat bei Abwesenheit des befangenen Organs nicht beschlußfähig gewesen oder wenn ohne dessen Stimme die für die Beschlußfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht zustande gekommen wäre (vgl. u.a. VwSlg. Nr. 8171/A/1972). Anhaltspunkte für eine derartige Annahme liegen aber nicht vor und wurden auch von der Beschwerdeführerin nicht geliefert.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Abhaltung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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