VwGH 91/19/0239

VwGH91/19/023930.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Juni 1991, Zl. MA 63-K 38/90/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §24 Abs6;
ASchG 1972 §27 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §33 Abs7;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;
AAV §24 Abs6;
ASchG 1972 §27 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §33 Abs7;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 18. Juni 1991 bestätigte der Landeshauptmann von Wien (die belangte Behörde) das dem Beschwerdeführer gegenüber ergangene und von diesem mit Berufung bekämpfte Straferkenntnis des magistratischen Bezirksamtes für den 6./7. Bezirk vom 20. April 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Maßgabe, daß sein Spruch wie folgt zu lauten habe:

"1. Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin XY-AG zu verantworten, daß am 15. Februar 1989 im Betrieb in Wien, Z-Straße 98,

a) auf der Stiege in das Kellerlager drei Säcke Zwiebel und fünf Säcke Kartoffel zu je 20 kg gelagert wurden, und

b) der Steilförderer (B = 500 mm, L = 5000 mm, Geschwindigkeit 0,3 m/sek.) nicht mindestens einmal jährlich auf seinen betriebssicheren Zustand geprüft wurde, da die letzte Überprüfung am 20. Jänner 1988 stattfand.

2. Außerdem haben Sie als gewerberechtlicher Geschäftsführer der XY-AG zu verantworten, daß beim Betrieb der gewerblichen Betriebsanlage in Wien, Z-Straße 98, am 15. Feber 1989 die Auflage nach dem Punkt 2) des Bescheides vom 28. Juli 1982, Zl. MBA 6/7 - Ba 11.179/2/82, wonach im Kellerlager unter dem Förderband (Front - S-Gasse) eine lichte Durchgangsmöglichkeit von 1,00 m x 2,00 m gewährleistet sein muß, insofern nicht eingehalten wurde, als der Verkehrsweg unter dem Steilförderer durch Getränkekisten so verlagert war, daß die Durchgangshöhe nur mehr ca. 1,60 m betragen hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. a) § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 24 Abs. 6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung,

zu 1. b) § 31 Abs. 2 lit. p in Verbindung mit § 33 Abs. 7 Arbeitnehmerschutzgesetz sowie weiters in Verbindung mit § 95 Abs. 7 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung, und zu 2.) § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit dem Punkt 2) des Bescheides vom 28. Juli 1982, MBA 6/7 - Ba 11179/2/82. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von zu 1. a) S 2.000,--, zu 1. b) S 1.000,-- und zu

2. S 2.000,--, zusammen von S 5.000,--.

Falls die Geldstrafen uneinbringlich sind, treten an ihre Stelle Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von zu 1. a) zwei Tagen, zu 1. b) ein Tag und zu 2. zwei Tagen, zusammen von fünf Tagen. Die Strafen werden zu 1. a) gemäß § 31 Abs. 2 Einleitungs- und Schlußsatz des Arbeitnehmerschutzgesetzes in Verbindung mit § 100 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu 1. b) nach § 31 Abs. 2 Einleitungs- und Schlußsatz Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 113 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung, und zu 2. nach § 367 Einleitungssatz GewO 1973 verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen: S 500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der verhängten Strafen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 5.500,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)."

Begründend führte die belangte Behörde dazu u.a. - nur insoweit ist die Bescheidbegründung für die Erledigung der Beschwerde von Belang - folgendes aus: Die vom Beschwerdeführer behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens (durch Nichteinvernahme eines namhaft gemachten Zeugen) in Ansehung der Frage der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten in der Person des Filialleiters liege nicht vor, weil im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens nie ein Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Dr. R gestellt worden sei. Im übrigen wäre diese Zeugeneinvernahme deshalb entbehrlich gewesen, weil feststehe, daß der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter für den Bereich aller Filialen der XY-AG in Österreich bestellt worden sei (vgl. die diesbezügliche Vereinbarung vom 19. März 1987) und für den gleichen Verantwortungsbereich - dies ergebe sich aus § 9 Abs. 4 VStG 1950 - nicht noch eine zweite Person als verantwortlicher Beauftragter fungieren könne. Da der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, daß seine am 19. März 1987 erfolgte Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für den Bereich aller Filialen inzwischen widerrufen und eine andere Person an seiner Stelle zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, verbleibe die strafrechtliche Verantwortung beim Beschwerdeführer. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten, der seinerseits wieder verantwortliche Beauftragte bestellen könne, würde der Absicht des Gesetzgebers, jeweils nur einer Person die strafrechtliche Verantwortlichkeit zu überbinden, zuwiderlaufen und in einer Umgehung des Gesetzes enden. Wenn ein verantwortlicher Beauftragter daher nicht in der Lage sei, hinsichtlich einzelner räumlicher oder sachlicher Bereiche, für die er bestellt worden sei, persönlich für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu sorgen, dann habe er daraus die Konsequenz zu ziehen und diesen Verantwortungsbereich wieder abzugeben. Die belangte Behörde sei daher der Auffassung, daß der Beschwerdeführer durch sein Vorbringen, er habe im Hinblick darauf, daß die XY-AG 300 Filialen in ganz Österreich führe, seine Verantwortung delegiert und ein Kontrollsystem geschaffen, von dem er habe erwarten dürfen, daß damit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gesorgt werde, nicht glaubhaft gemacht habe, daß ihn im vorliegenden Fall an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften keine Schuld treffe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, daß der Beschwerdeführer aufgrund der "Vereinbarung" vom 19. März 1987, derzufolge er als verantwortlicher Beauftragter für sämtliche Filialen der XY-AG in Österreich bestellt worden sei, auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides für die im Schuldspruch genannte Filiale diese Funktion bekleidet habe. Dies im Hinblick darauf, daß einerseits der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, seine vorerwähnte Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten sei widerrufen worden, und anderseits für den gleichen Verantwortungsbereich nicht noch eine zweite (später bestellte) Person als verantwortlicher Beauftragter fungieren könne.

1.2. Der Gerichtshof vermag der belangten Behörde nicht beizupflichten, wenn sie eine für einen bestimmten Bereich vorgenommene Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nur für den Fall rechtswirksam hält, daß eine früher für eben diesen Bereich erfolgte Bestellung einer Person in diese Funktion (ausdrücklich) widerrufen worden ist. Derartiges kann aus der für die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten maßgeblichen Norm des § 9 VStG 1950 nicht abgeleitet werden.

Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens mehrmals (zuletzt in seiner Berufung) dezidiert behauptet, daß für die einzelnen Filialen der XY-AG, so auch für die im Schuldspruch angeführte, jeweils der Filialleiter zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, und für diese Behauptung konkrete Beweismittel angeboten. In diesem Sinne wurde mit der Berufung ein "Merkblatt für die Filialführung" (Beiblatt zum Filialleitervertrag) "des betroffenen Filialleiters zum Nachweis dafür, daß dieser die Verantwortlichkeit für die Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften und Auflagen expressis verbis übernommen hat, sie ihm übertragen wurde und er natürlich auch die entsprechenden Anordnungsbefugnisse innehat", vorgelegt. Dieses Merkblatt ist am Ende unter dem Wort "Einverstanden" und neben dem Datum 17. Oktober 1988 (also einem Zeitpunkt vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung) mit einer zwar unleserlichen Unterschrift versehen, die aber im Zusammenhalt mit dem Berufungsvorbringen und der handschriftlichen Anführung des Namens des Leiters der besagten Filiale auf der ersten Seite des "Merkblattes" ("H............R....") wohl unschwer diesem Filialleiter zuzuordnen ist. Da dieses Merkblatt unter Punkt 4) "Beachtung der gesetzlichen Vorschriften" unter lit. h) den Aufgabenbereich "im übrigen die Einhaltung aller die Filiale betreffenden Verwaltungsvorschriften" anführt, besteht für den Gerichtshof kein Zweifel, daß unter Bedachtnahme auf den einleitenden Passus des "Merkblattes" - "Wir haben Ihnen die Leitung der Filiale übertragen und fassen im Folgenden Ihre Verantwortlichkeit zusammen" - den genannten Filialleiter auch die Verantwortung für die Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften trifft und ihm die entsprechende Anordnungsbefugnis zukommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0323).

Da somit unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren und der dazu vorgelegten Beweise die belangte Behörde auf dem Boden der durch § 9 VStG 1950 konstituierten Rechtslage zu dem Ergebnis hätte gelangen können, daß ab 2. Juli 1990 - dem Tag des Einlangens des besagten Merkblattes bei der Behörde - nur der Filialleiter der spruchmäßig erfaßten Filiale, R....H............, als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 und damit als derjenige in Betracht kam, der für die im Schuldspruch inkriminierten Verstöße gegen Vorschriften des Arbeitnehmerschutzrechtes verwaltungsstrafrechtlich einzustehen hatte, sie aber dessenungeachtet ohne weitere Prüfung den Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten dafür haftbar machte, belastete sie den angefochtenen Bescheid im Umfang des Spruchpunktes 1. a) und b) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

2.1. Mit Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheides zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer als gewerberechtlichen Geschäftsführer zur Verantwortung, weil entgegen einer Auflage eines näher bezeichneten Bescheides aus dem Jahr 1982 im Kellerlager der mehrfach erwähnten Filiale die vorgeschriebene Durchgangshöhe des Verkehrsweges unter dem Steilförderer durch Lagerung von Getränkekisten nicht eingehalten worden sei. Die Behörde erblickte darin einen Verstoß gegen die GewO 1973 in Verbindung mit der besagten Bescheidauflage.

2.2. Bei der im genannten gewerbebehördlichen Bescheid enthaltenen Vorschreibung, wonach im Kellerlager ein bestimmter Verkehrsweg eine bestimmte Durchgangshöhe aufzuweisen habe, handelt es sich zweifelsohne um eine solche zum Schutz der Arbeitnehmer (vgl. § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes). Die Mißachtung dieser Vorschreibung stellt, da sie nicht zu den gewerberechtlichen Vorschriften zu zählen ist, keine Übertretung der GewO 1973 dar; für diesen Verstoß ist folglich auch nicht der gewerberechtliche Geschäftsführer verwaltungsstrafrechtlich haftbar. Dies verkannte die belangte Behörde, weshalb Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides gleichfalls mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist.

3. Nach dem Gesagten war der in Beschwerde gezogene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht zum einen darauf, daß eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand im Gesetz nicht vorgesehen ist, zum anderen darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung an Stempelgebühren lediglich S 660,-- (Eingabengebühr S 360,--, Vollmachtgebühr S 120,--, Beilagengebühr S 180,--) zu entrichten waren.

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