Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Linz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz.
Im Rahmen eines Einsatzes erlitt der Beschwerdeführer am 8. November 1985 einen Unfall. Wegen dieses Unfalles stand der Beschwerdeführer vorerst nur kurze Zeit im Krankenstand. Später zeigte sich jedoch, daß die bei diesem Unfall erlittenen Verletzungen schwerer als ursprünglich angenommen waren. Auf Grund einer ärztlichen Untersuchung wurde der Beschwerdeführer im Mai 1987 arbeitsunfähig "geschrieben". Mit Bescheid vom 19. September 1989 wurde der Unfall vom 8. November 1985 als Dienstunfall anerkannt, da ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom festgestellt worden sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde mit 20 v.H. festgesetzt.
In der Zwischenzeit wurde der Beschwerdeführer jedoch straffällig und wegen eines eingeleiteten strafgerichtlichen Verfahrens mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 26. August 1987 deshalb eine Disziplinaruntersuchung gemäß § 84 Abs. 3 des Statutargemeinden-Beamtengesetzes (StGBG) eingeleitet und das Ruhen des Disziplinarverfahrens bis zur Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens verfügt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 105 Abs. 1 StGBG vom Dienst - unter Herabsetzung seiner Bezüge auf zwei Drittel (§ 107 Abs. 1 StGBG) - enthoben. Nach einem in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerk vom 4. September 1987 wurden die vom Beschwerdeführer bis dahin monatlich bezogene Wechseldienstzulage, die Branddienstzulage, die Sonn- und Feiertagszulage sowie der Fahrtkostenzuschuß (mit dem Zeitpunkt der Bezugskürzung) eingestellt, weil es sich bei diesen Nebengebühren um "leistungsbezogene Zulagen" handle.
Mit Urteil des Landesgerichtes Linz wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146 und 147 Abs. 3 StGB und des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unbedingt verurteilt. Mit Beschluß vom 23. Mai 1990 stellte das genannte Gericht gemäß § 260 Abs. 2 und 3 StPO fest, daß auf die vorsätzlich begangenen strafbaren Handlungen eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe entfalle. Das Strafurteil ist am 6. September 1990 in Rechtskraft erwachsen.
Noch vor Abschluß des strafgerichtlichen Verfahrens - nämlich am 13. September 1989 - hatte der Beschwerdeführer bei seiner Dienstbehörde den Antrag eingebracht, ihn gemäß § 43 StGBG wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, da es sein Dienstgeber bislang verabsäumt habe, von Amts wegen ein derartiges Verfahren nach § 43 Abs. 1 leg. cit. einzuleiten. Dieses Schreiben des Beschwerdeführers enthielt auch den Antrag auf Nachzahlung der Zulagen sowie auf rückwirkende Aufhebung der Suspendierung.
Mit Schreiben vom 27. März 1991 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf sein Schreiben vom 13. September 1987 (neuerlich) die Nachzahlung der Zulagen (bis September 1990). Er wies darauf hin, daß er sich im Zeitpunkt seiner Suspendierung bereits im Krankenstand auf Grund einer Operation nach einem Dienstunfall befunden habe, der bis zu seiner Entlassung angedauert habe. Nach dem Dienst- und Besoldungsrecht stünden dem Bediensteten, der auf Grund eines Dienstunfalles dienstunfähig sei, die "Fortzahlung aller Zulagen" (speziell der für den Branddienst anfallenden Zulagen) zu. Im Bescheid über die Suspendierung sei lediglich eine 25 %ige Kürzung der Bezüge ausgesprochen worden. Ihm seien jedoch die ihm gebührenden Zulagen aus dem Branddienst seither (zur Gänze) nicht ausgezahlt worden.
Mit Schreiben vom 17. April 1991 teilte das Personalamt der Landeshauptstadt Linz dem Beschwerdeführer mit, die Einstellung der für im Branddienst stehenden Bediensteten vorgesehenen Zulagen sowie des Fahrtkostenzuschusses sei mit dem Zeitpunkt der Dienstenthebung des Beschwerdeführers erfolgt, weil es sich bei diesen Nebengebühren um leistungsbezogene Zulagen handle.
Da die Dienstbehörde über seinen Antrag auf Nachzahlung der Zulagen keine Entscheidung traf, brachte der Beschwerdeführer am 14. Mai 1991 einen Devolutionsantrag ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. September 1991 setzte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz (belangte Behörde) als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß § 73 in Verbindung mit § 38 AVG und § 1 Abs. 1 DVG das Verfahren betreffend Nachzahlung der Zulagen an den Beschwerdeführer (Antrag vom 13. September 1989 in Verbindung mit dem Devolutionsantrag vom 14. Mai 1991) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beantragte Ruhestandsversetzung und die beantragte rückwirkende Aufhebung der Suspendierung des Beschwerdeführers aus.
Die belangte Behörde begründete diesen Bescheid im wesentlichen damit, die Entscheidungen über die Pensionierung bzw. rückwirkende Aufhebung der Suspendierung des Beschwerdeführers bildeten unentbehrliche Grundlagen für die Entscheidung im Zulagenverfahren. Keines dieser beiden Verfahren sei bisher rechtskräftig entschieden worden. Im Verfahren auf Pensionsierung sei derzeit eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (dabei handelt es sich um das in der Zwischenzeit mit abweisendem Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 91/12/0185, abgeschlossene Beschwerdeverfahren) und im Verfahren betreffend rückwirkende Aufhebung der Suspendierung eine Beschwerde des Beschwerdeführers beim Verfassungsgerichtshof anhängig. Aus verfahrensökonomischen Gründen sei daher das Verfahren auf Nachzahlung der Zulagen gemäß § 38 AVG auszusetzen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 DVG ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- und Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG mit den nachstehenden Abweichungen anzuwenden.
Mangels einer abweichenden Bestimmung im DVG findet § 38 AVG auch im Anwendungsbereich des DVG voll Anwendung.
§ 38 AVG lautet:
"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."
Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der belangten Behörde zutrifft, es liege zwischen dem Verfahren auf Nachzahlung der Zulagen und dem Verfahren betreffend vorzeitige Versetzung in den Ruhestand bzw. rückwirkende Aufhebung der Suspendierung überhaupt das Verhältnis von Vorfrage und Hauptfrage vor. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist auf Grund der Angaben im angefochtenen Bescheid im Beschwerdefall unbestritten, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits rechtskräftige Bescheide über den Antrag des Beschwerdeführers auf Ruhestandsversetzung bzw. auf rückwirkende Aufhebung der Suspendierung vorlagen. Durch die vom Beschwerdeführer gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts wurden diese Bescheide ihrer Rechtskraftwirkung nicht entkleidet. Liegt aber eine bereits rechtskräftige Entscheidung der Verwaltungsbehörde vor, so mangelt es jedenfalls ab diesem Zeitpunkt an einer Voraussetzung für die Anwendung des § 38 AVG. Die möglichen Auswirkungen der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes über eine bei ihm anhängige Bescheidbeschwerde, in der die Rechtmäßigkeit des (jeweils) angefochtenen Bescheides zu prüfen ist, auf den Ausgang eines anderen anhängigen Verwaltungsverfahrens, berechtigt die Verwaltungsbehörde nicht, in diesem Verfahren § 38 AVG anzuwenden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1988, Zl. 87/09/0256 = Slg. N.F. Nr. 12.686/A - nur Leitsatz veröffentlicht).
Da die belangte Behörde dies verkannt hat und dessen ungeachtet einen Aussetzungsbescheid gemäß § 38 AVG erlassen hat, obwohl sie hiezu nicht berechtigt war, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
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