VwGH 91/12/0156

VwGH91/12/015618.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des N N in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. April 1991, Zl. 8113/70-II/4/91, betreffend Zuteilungsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
RGV 1955 §22 Abs3 lita;
RGV 1955 §22 Abs3 litb;
AVG §56;
RGV 1955 §22 Abs3 lita;
RGV 1955 §22 Abs3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor der Gendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist der Gendarmerieposten H. In der Zeit vom 9. August bis 12. November 1990 war der Beschwerdeführer dem Gendarmerieposten G dienstzugeteilt. Er hatte seinen Dienst im Wachlokal A zu versehen. Er beanspruchte dafür mit Reiserechnung vom 1. September 1990 Tagesgebühren und Nächtigungsgebühren im Gesamtbetrag von S 8.602,-- und brachte vor, der Weg vom Bahnhof X zu A betrage 3,5 km; die Wegstrecke mehr als zwei Stunden hin und zurück. In einer weiteren Reisegebührenrechnung betreffend den Zeitraum vom 1. September bis 1. Oktober 1990 begehrte er an Tages- und Nächtigungsgebühr einen Betrag von S 8.247,90. Eine weitere gleichartige Reisegebührenrechnung für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 1. November 1990 legte der Beschwerdeführer am 1. November 1990 über den Betrag von S 8.414,30 an Tages- und Nächtigungsgebühr. Schließlich legte er am 18. November 1990 eine weitere Reisegebührenrechnung für den Zeitraum vom 1. bis 12. November 1990 über Tages- und Nächtigungsgebühr im Gesamtbetrag von S 2.714,30.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 1990 forderte das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich den Gendarmerieposten H auf, die Verzeichnisse des Beschwerdeführers über den Bezug von Zuteilungsgebühren an diesen zur Neuverfassung zu übermitteln. Da die fahrplanmäßige Fahrzeit zwischen der Wohnung des Beamten in H für die Fahrt zu dem am Zuteilungsort G (A) in Betracht kommenden Bahnhof und zurück nicht mehr als zwei Stunden betrage, ohne daß durch die Rückfahrt eine ununterbrochene elfstündige Ruhezeit verhindert werde, gebühre dem Beamten anstelle der Zuteilungsgebühr die Gebühr gemäß § 22 Abs. 3 lit. a und b RGV 1955 (Zuteilungszuschuß). Diese Gebühr bestehe aus dem Ersatz der Fahrtauslagen für die Fahrstrecke und die notwendige Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Zuteilungsort, sowie der Tagesgebühr (Teiltagesgebühr) nach Tarif I für den Zeitraum des fahrplanmäßigen Abganges des Massenbeförderungsmittels im Wohnort bis zum tatsächlichen Eintreffen des Massenbeförderungsmittels im Wohnort. Dem Beamten gebühre neben der Tagesgebühr auch die Nächtigungsgebühr, wenn ihm auf Grund der Diensteinteilung kein Massenbeförderungsmittel für die Anreise in den Zuteilungsort oder nach Beendigung des Dienstes für die Heimfahrt in den Wohnort zur Verfügung stehe und er den überwiegenden Teil der Nachtzeit im Zuteilungsort verbringen müsse. Dies gelte auch, wenn dem Beamten im Wohnort keine ununterbrochene elfstündige Ruhezeit gewährleistet sei. Der Beschwerdeführer habe ein Verrechnungsverzeichnis über die Gebühr gemäß § 22 Abs. 3 lit. a und b RGV 1955 zu erstellen.

Dazu brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27. Oktober 1990 vor, laut Zuteilungsbefehl vom 15. Juni 1990 sei der Beamte zwar dem Gendarmerieposten G zugeteilt, doch habe er nach diesem Befehl seinen Dienst jeweils um sieben Uhr in A anzutreten. Bei Dienstantritt in A sei bei der Berechnung der Wegzeit, die Zeit für die Dauer der Reisebewegung mit einem Massenbeförderungsmittel zu berücksichtigen (Bahnhof H - Bahnhof X zehn Minuten). A befinde sich jedoch außerhalb der Ortschaft X. Der Weg vom Bahnhof zu A (Wachlokal) betrage 3,5 km, was einen Fußmarsch von 53 Minuten ergäbe. Die Reisebewegung vom Bahnhof des Wohnortes zum Dienstort dauere daher 63 Minuten. Er bitte um Berücksichtigung dieses Schreibens bzw. bei negativer Beurteilung um bescheidmäßige Behandlung.

Der Postenkommandant des Bezirksgendarmeriekommandos H legte diese Eingabe vor und bestätigte die Angaben des Beschwerdeführers, wobei er allerdings ausführte, ein kürzerer Fußweg vom Ortsgebiet X zum Schloß X sei laut Beschilderung in 20 Minuten zu bewältigen.

Das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich erließ am 24. Jänner 1991 folgenden Bescheid:

"Auf Grund Ihres Antrages vom 27. Oktober 1990 wird festgestellt, daß Ihnen aus Anlaß Ihrer Dienstzuteilung vom Gendarmerieposten H zum Gendarmerieposten G (Wachlokal A) für den Zeitraum vom 9. August 1990 bis 12. November 1990 die Gebühr gemäß § 22 Abs. 3 lit. a und b RGV 1955 zusteht."

Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, die fahrplanmäßige Fahrzeit für die Strecke von dem für die Fahrt in Betracht kommenden Bahnhof in H zum Zuteilungsort A und zurück betrage nicht mehr als zwei Stunden. Dazu werden die Ankunfts- und Abfahrtszeiten für die Anreise und Rückreise im einzelnen festgestellt. Die Angaben des Beschwerdeführers, daß die Wegstrecke vom Bahnhof X zu A 3,5 km betrage und die Bewältigung derselben einen Fußmarsch in der Dauer von 53 Minuten erfordere, begründeten keinen Anspruch auf die Zuteilungsgebühr nach § 22 Abs. 1 RGV. Die Zeit eines Fußmarsches im Zuteilungsort dürfe der Berechnung der fahrplanmäßigen Fahrzeit nicht hinzugerechnet werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 22 Abs. 1 und 3 sowie § 2 Abs. 5 RGV keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG vollinhaltlich. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens folgender Sachverhalt festgestellt: Der Beschwerdeführer sei gemäß Befehl des Gendarmerieabteilungskommandos H vom 15. Juni 1990 in der Zeit vom 9. August bis 12. November 1990 vom Gendarmerieposten H dem Gendarmerieposten G zugeteilt worden, habe jedoch ausschließlich im Wachlokal A, Gemeinde X, seinen Dienst zu verrichten gehabt. Zuteilungsort sei die Gemeinde X. Die fahrplanmäßige Fahrzeit zwischen dem der Wohnung des Beschwerdeführers nächstgelegenen Bahnhofes (H Hauptplatz) und der Ausstiegshaltestelle in A (X-Bahnhof) betrage in einer Richtung mit öffentlichen Beförderungsmitteln zwischen sieben und dreizehn Minuten, sodaß (ohne Einrechnung des Zeitaufwandes für den Fußmarsch) die fahrplanmäßige Fahrzeit für die Hin- und Rückreise zusammen nicht mehr als zwei Stunden betrage. Das Wachlokal A (Dienstverrichtungsstelle) liege im Gemeindegebiet X. Die Entfernung vom Bahnhof betrage 3,5 km. Auf dieser Strecke verkehre kein öffentliches (innerstädtisches) Beförderungsmittel. Strittig sei ausschließlich die Frage, ob der erforderliche Zeitaufwand für den Fußmarsch vom Bahnhof X zur Dienstverrichtungsstelle (Wachlokal A) zur fahrplanmäßigen Fahrzeit im Sinne des § 22 Abs. 3 RGV zähle oder nicht. Der Gesetzgeber verwende in der maßgeblichen Bestimmung des § 22 Abs. 3 RGV den Begriff "fahrplanmäßige Fahrzeit" als Grundlage dafür, welche Gebühr einem Beamten zustehe. Da die Reisegebührenvorschrift grundsätzlich von der Benützung öffentlicher Massenbeförderungsmittel ausgehe und Fahrpläne in diesem Sinn nur bei öffentlichen Beförderungsmitteln bestünden, ergebe sich eindeutig, daß für die Feststellung der fahrplanmäßigen Fahrzeit nur jene Zeit zu berechnen sei, die notwendig sei, um mit einem öffentlichen Beförderungsmittel den Zuteilungsort zu erreichen und allfällige Wegzeiten im Zuteilungsort nicht zu berücksichtigen seien.

Der Zeitaufwand für die Benützung eines innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Zuteilungsort sei nicht in die Fahrzeit im Sinn des § 22 Abs. 3 RGV einzurechnen, sodaß umso weniger der Zeitaufwand für zu Fuß zurückzulegende Wegstrecken im Zuteilungsort einrechenbar sei. Nach der Begriffsbestimmung des Dienstortes im § 2 Abs. 5 RGV ergebe sich, daß als Zuteilungsort die Ortsgemeinde anzusehen sei, in der die (vorübergehende) Dienstverrichtungsstelle liege. Da das Wachlokal A im Gemeindegebiet X liege, gehe das Argument des Beschwerdeführers, daß die Dienststelle außerhalb des Zuteilungsortes gelegen sei, ins Leere. Somit seien für die Feststellung des Gebührenanspruches des Beschwerdeführers nur die Fahrzeiten des öffentlichen Beförderungsmittels zwischen den Bahnhöfen H und X heranzuziehen. Es bestehe daher kein Anspruch auf die begehrte Zuteilungsgebühr.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Die Behörde erster Instanz hat über den Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßigen Abspruch betreffend die von ihm geltend gemachten Reisegebühren einen Feststellungsantrag erlassen, mit dem nur ausgesprochen wurde, daß dem Beschwerdeführer aus Anlaß seiner Dienstzuteilung vom Gendarmerieposten H zum Gendarmerieposten G (Wachlokal A) für den Zeitraum vom 9. August bis 12. November 1990 die Gebühr gemäß § 22 Abs. 3 lit. a und b RGV zustehe. Ein Feststellungsanspruch dieses Inhaltes ist im Gesetz nicht vorgesehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide erlassen, wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen. Unzulässig ist es hingegen, über die den Gegenstand des Feststellungsantrages bildende Rechtsfrage einen gesonderten Feststellungsbescheid zu erlassen, wenn diese Frage im Rahmen eines anderen Verfahrens zu entscheiden ist. Es muß mithin für die Feststellung ein im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gegründeter Anlaß gegeben sein. Ein solcher Anlaß liegt nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlichen vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, zu dem auch das Verfahren hinsichtlich einer in einem bestimmten Zeitraum konkret gebührenden Reisegebührenvergütung gehört, zu entscheiden ist. Daraus ergibt sich, daß im Streitfall ein Feststellungsanspruch des Beschwerdeführers hinsichtlich der Frage, ob Zeiten notwendiger Fußmärsche am Dienstort bei Bemessung der Zeit nach § 22 Abs. 3 RGV zu berücksichtigen sind oder nicht, nicht erkennbar ist. Vielmehr war im Verwaltungsverfahren ausschließlich über die Gebührlichkeit der vom Beschwerdeführer gelegten Reisegebührenrechnungen bescheidmäßig abzusprechen. Der Feststellungsbescheid wurde daher durch die Behörde erster Instanz zu Unrecht erlassen (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1986, Zl. 85/12/0106 und 85/12/0119 und vom 15. Juni 1992, Zl. 90/12/0274 sowie die dort zitierte Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts).

Da die belangte Behörde dies verkannt und den Bescheid erster Instanz nicht behoben hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird auf das bei teilweise gleichgelagertem Sachverhalt ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1992, Zl. 91/12/0226, hingewiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte