Normen
EGVG 2008 Art9 Abs1 Z1;
EGVG 2008 Art9 Abs1 Z2;
PolStG Slbg 1975 §2 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs2;
EGVG 2008 Art9 Abs1 Z1;
EGVG 2008 Art9 Abs1 Z2;
PolStG Slbg 1975 §2 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung erließ unter dem Datum 11. April 1990 gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Schuldspruch:
"Sie haben am 2.03.1989 um 21.25 Uhr in S, (Anhalteort)
1) ... die Ordnung an einem öffentlichen Ort dadurch gestört, indem Sie lautstark schrien: 'Warum halten Sie mich an? Was habe ich falsch gemacht? Ich weiß genau, daß Sie mich kennen, und weil ich oft verboten parke, können Sie mich auch nicht leiden.'
2) ... sich ungeachtet vorausgegangener Abmahnung durch ein Organ der öffentlichen Aufsicht, welches sich in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befand, ungestüm benommen, indem Sie weiter mit großer Heftigkeit schrien und dabei gestikulierten:
'Ich möchte wissen, was Sie wollen. Ich bin auf keinen Fall alkoholisiert. Alle Ihre Angaben sind aus der Luft gegriffen. Ich möchte auf der Stelle eine neutrale Person bei mir, die feststellen wird, daß ich nicht alkoholisiert bin. Sie können mit mir ja alles machen.'
3) ... dadurch ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, indem Sie die vorstehenden Äußerungen mit großer Lautstärke von sich gaben."
Der Beschwerdeführer habe durch das unter 1) und 2) umschriebene Verhalten gegen Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG, durch das zu 3) umschriebene Verhalten gegen § 2 Abs. 1 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975, verstoßen. Die Behörde verhängte jeweils eine Geldstrafe von S 1.000,-- (zwei Tage Ersatzarrest).
Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied die Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 26. April 1991 im Umfang des Punktes 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, indem sie die Berufung insoweit abwies und das Straferkenntnis in diesem Teil bestätigte. Zur Begründung des Schuldspruches führte die Berufungsbehörde aus, sie nehme es auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse entgegen dem bestreitenden Vorbringen des Beschwerdeführers als erwiesen an, daß er "durch Schreien in großer Lautstärke" ungebührlicherweise störenden Lärm erregt habe. Diese Sachverhaltsannahme stützte sie zum einen auf die Anzeige und zum anderen auf die von ihr als glaubwürdig erachteten Zeugenaussagen der mit der Amtshandlung vom 2. März 1989 befaßt gewesenen Sicherheitswachebeamten F und W.
Dieser Bescheid wurde noch vor Einbringung der vorliegenden Beschwerde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. Mai 1991 berichtigt. Die Beschwerde richtet sich nicht auch gegen den Berichtigungsbescheid. In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, weil darin nur vom Amt der Salzburger Landesregierung als bescheiderlassender Behörde gesprochen werde und ihr daher nicht zu entnehmen sei, gegen welche Behörde sie sich richte, zeigt kein der meritorischen Erledigung der Beschwerde entgegenstehendes Hindernis auf. Es trifft zu, daß die Beschwerde durchgehend vom Hilfsapparat der belangten Behörde statt von dieser selbst spricht. Dies gereicht ihr aber deshalb nicht zum Nachteil, weil sich aus dem gleichzeitig vorgelegten angefochtenen Bescheid die belangte Behörde im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG, das ist hier die Salzburger Landesregierung, eindeutig ergibt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Slg. 11625/A).
2. Da die Beschwerde den Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 1991 unbekämpft läßt, hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 26. April 1991 in der Fassung des Berichtigungsbescheides seiner Prüfung zugrundezulegen (vgl. die bei Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 546, Abs. 4 angeführte Rechtsprechung).
3. Gemäß § 2 Abs. 1 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Lärm dann störend, wenn er seiner Art und/oder seiner Intensität nach geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen. Lärm wird ungebührlicherweise erregt, wenn das Verhalten, das zur Erregung des Lärms führt, jene Rücksicht vermissen läßt, die im Zusammenleben verlangt werden kann. Strafbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Lärmerregung - nach einem objektiven Maßstab - geeignet erscheint, von anderen, nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 12. Oktober 1987, Zl. 87/10/0116, und vom 27. März 1991, Zl. 90/10/0210).
4. Mit dem Vorbringen, die Meldungsleger hätten die "Passantensituation" unzutreffend geschildert, sie seien "offenbar gleichzeitig" als Zeugen vernommen worden, bei ihrer Vernehmung im Berufungsverfahren sei nicht auf die "objektivierten und objektivierbaren Umstände in meiner Berufungsschrift" eingegangen worden, die Vernehmung des von ihm angebotenen Zeugen X sei unzulässigerweise aus Gründen der Verfahrensökonomie abgelehnt worden, und die Behörde sei eine Begründung dafür schuldig geblieben, warum sie seinem Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Kfz-Fach nicht entsprochen habe, bestreitet der Beschwerdeführer der Sache nach die Richtigkeit der auf Grund freier Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) getroffenen Annahme des "Schreiens in großer Lautstärke".
Der Beschwerdeführer vermag damit keine vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner insoweit eingeschränkten Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angfochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die in Rede stehende Annahme hat die belangte Behörde damit begründet, daß sie insoweit den mit den Ausführungen in der Anzeige übereinstimmenden, widerspruchsfreien Aussagen der beiden als Zeugen vernommenen Sicherheitswachebeamten F und W folge. Gründe, die gegen deren Glaubwürdigkeit sprächen, seien nicht ersichtlich. Dazu komme, daß auch ein weiterer, zufällig zur Amtshandlung hinzugekommener Sicherheitswachebeamter bei seiner Vernehmung als Zeuge im Rahmen seiner Wahrnehmungen die Angaben der anderen zwei Sicherheitswachebeamten bestätigt habe. Diese Beweiswürdigung widerspricht weder den Denkgesetzen noch der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Vorwurf, die beiden mit der Amtshandlung vom 2. März 1989 unmittelbar befaßt gewesenen Sicherheitswachebeamten seien "offenbar gleichzeitig" als Zeugen vernommen worden, steht mit der Aktenlage insofern nicht im Einklang, als ihre neuerliche Vernehmung im Berufungsverfahren zwar am selben Tag, jedoch nicht gleichzeitig erfolgte. Das Vorbringen, es sei bei ihrer Vernehmung nicht auf die "objektivierten und objektivierbaren Umstände" in der Berufungsschrift eingegangen worden und die Meldungsleger hätten die "Passantensituation" unzutreffend geschildert, entbehrt einer näheren Konkretisierung. Daher ist die Relevanz dieses Vorbringens in bezug auf die in Rede stehende Annahme nicht ersichtlich. Gleiches gilt für den Vorwurf des Unterbleibens einer Begründung für die Nichtbeiziehung eines Sachverständigen aus dem Kfz-Fach. Schließlich läßt auch der Vorwurf, die Vernehmung des (im Ausland lebenden) Zeugen X sei unzulässigerweise aus Gründen der Verwaltungsökonomie unterblieben, keinen relevanten Verfahrensmangel erkennen. Die Beschwerde übergeht, daß die belangte Behörde die Nichtaufnahme dieses Beweises nicht allein mit dem Hinweis auf die Verfahrensökonomie begründet, sondern insbesondere auch deshalb für entbehrlich erachtet hat, weil sie die in Rede stehende Annahme bereits auf Grund der Zeugenaussagen der beiden mit der Amtshandlung befaßten Sicherheitswachebeamten für ausreichend erwiesen hielt, wobei sie noch hinzufügte, daß nach der glaubhaften Schilderung des Zeugen F der Zeuge X von der Amtshandlung eigentlich nichts mitbekommen habe. Die Beschwerde enthält dazu kein konkretes Vorbringen.
5. Der Beschwerdeführer meint, daß im Falle einer rechtskräftigen Feststellung, "daß strafbares Verhalten gemäß Art. IX EGVG nicht vorliegt", bei identem Sachverhalt die Annahme einer Übertretung nach § 2 Abs. 1 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes unzulässig sei. In diesem Zusammenhang ist sein Hinweis auf das Schreiben der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 14. Mai 1991 zu sehen, laut dem das gegen ihn aus Anlaß desselben Vorfalles geführte Verwaltungsstrafverfahren wegen der Übertretungen nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG eingestellt worden sei.
Dieses Vorbringen läßt deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen, weil dieses Schreiben erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangen ist und daher - unabhängig von der Frage seiner Bescheidqualität - keine die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bindende "rechtskräftige Feststellung" darstellen konnte. Ergänzend sei dazu bemerkt, daß es sich bei der ungebührlichen Erregung störenden Lärms nach § 2 Abs. 1 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes einerseits und der Ordnungsstörung sowie dem ungestümen Benehmen andererseits um unterschiedliche Tatbestände handelt, die zwar durch ein bestimmtes Verhalten gleichzeitig erfüllt sein können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1980, Zlen. 725, 727/80). Es trifft aber nicht zu, sollte das gegenständliche Beschwerdevorbringen so zu verstehen sein, daß in bezug auf ein bestimmtes Verhalten entweder nur alle drei Tatbestände erfüllt sein können oder keiner von ihnen.
6. Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt Ausführungen zur Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des Ungebührlichen und des Störenden durch das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers vermissen. Dieser Begründungsmangel ist in Ansehung des Merkmales des Ungebührlichen deshalb nicht relevant, weil das Schreien des Beschwerdeführers nach der insoweit unbestritten gebliebenen Tatumschreibung im erstinstanzlichen Straferkenntnis im Zuge einer Amtshandlung gegenüber den intervenierenden Sicherheitswachebeamten erfolgt ist. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung (vgl. die Erkenntnisse vom 12. Oktober 1987, Zl. 87/10/0116, und vom 27. März 1991, Zl. 90/10/0210), daß Schreien mit einem Polizeibeamten gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden kann. Die Wertung des Schreiens des Beschwerdeführers mit den Sicherheitswachebeamten als ungebührlich entspricht daher dem Gesetz.
Hingegen vermag der Verwaltungsgerichtshof in Ansehung des Tatbestandsmerkmales des Störenden die Relevanz des aufgezeigten Begründungsmangels nicht zu verneinen. Mangels entsprechender Ermittlungen und Feststellungen ist nämlich nicht ersichtlich, daß das Schreien des Beschwerdeführers unter den gegebenen Umständen nach einem objektiven Maßstab tatsächlich geeignet war, das Wohlbefinden anderer anwesender nicht beteiligter Personen zu beeinträchtigen. Dazu hätte es ergänzender Ermittlungen und Ausführungen über die Anwesenheit solcher Personen und die Lärmsituation überhaupt im Tatortbereich zur Tatzeit bedurft (vgl. auch dazu die genannten Erkenntnisse vom 12. Oktober 1987 und vom 27. März 1991). Der maßgebende Sachverhalt ist insoweit in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
7. Der angefochtene Bescheid ist aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenschriften aufzuheben.
8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des gestellten Kostenbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren für Stempelgebühren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer hiefür nur insgesamt S 450,-- gebühren (S 240,-- für die zwei Ausfertigungen der Beschwerde, S 150,-- für den Bescheid vom 26. April 1991 und S 60,-- für den Berichtigungsbescheid).
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