Normen
LMG 1975 §26 Abs1 litd;
LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMG 1975 §9 Abs1 litb;
LMG 1975 §26 Abs1 litd;
LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMG 1975 §9 Abs1 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. November 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Betriebsinhaber zu verantworten, daß im Rahmen seines Gewerbebetriebes in I, X-Straße, am 14. Juni 1989 ein Kosmetikum, und zwar 36 Packungen sog. Haar-Entferner insofern unter Außerachtlassung der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 lit. b bzw. § 26 Abs. 1 lit. d des Lebensmittelgesetzes in Verkehr gebracht worden sei, als die vorangeführte Ware am 14. Juni 1989 durch die Unternehmung des Beschwerdeführers an einen namentlich genannten Gewerbebetrieb geliefert und auf der Verpackung "klinisch auf Hautverträglichkeit und Entfernung des Haares mitsamt Wurzel geprüft" angebracht und somit verbotenerweise auf ein Gutachten hingewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 lit. b sowie § 26 Abs. 1 lit. d und § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Angabe "klinisch getestet" sei unter die Ausnahmebestimmungen des § 26 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975), BGBl. Nr. 86/1975, zu subsumieren. Der Hinweis auf eine klinische Prüfung sei kein Gutachten. Der Zuordnung eines solchen Hinweises zum Begriff "Gutachten" stehe schon das Verbot entgegen, Strafvorschriften analog oder auch nur erweiternd auszulegen. Eine allzu ausdehnende Auslegung des schon an sich nicht ganz unbedenklichen § 9 LMG 1975 führe auch zu einer massiven Einschränkung der durch Art. 10 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit. Der belangten Behörde sei nicht zu folgen, daß ein durchschnittlicher Konsument unter den gegebenen Umständen davon ausgehe, daß dem Hinweis "klinisch auf Hautverträglichkeit und Entfernung der Haare mitsamt Wurzel geprüft" ein Gutachten zugrundeliege. Gehe man davon aus, daß die eingeschränkte Geltung des § 9 LMG 1975 im Sinne des § 25 leg. cit. für kosmetische Mittel auch dann gelte, wenn ein Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung oder ein Gutachten vorliege, dann wäre der in Rede stehende Aufdruck auch im Hinblick auf die Wahrheit seiner Aussage ein gesetzlich zulässiger "nicht irreführender Hinweis" im Sinne des § 26 Abs. 2 LMG 1975.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 26 Abs. 1 lit. d LMG 1975 ist es verboten, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.
Nach § 26 Abs. 2 leg. cit. gelten § 8 lit. a, b und f sinngemäß, § 9 gilt mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind. Werden solche Wirkungen behauptet, sind der Behörde auf Verlangen die wirksamen Komponenten bekanntzugeben.
§ 8 lit. f LMG 1975 bestimmt, daß Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet sind, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.
Nach § 9 Abs. 1 LMG 1975 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen
a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;
b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;
c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.
Die auf dem vom Beschwerdeführer in Verkehr gebrachten Haarentferner angebrachte Aufschrift "klinisch auf Hautverträglichkeit und Entfernung des Haares mitsamt Wurzel geprüft" enthält die Aussage, daß dieses Kosmetikum hautverträglich sei, d.h. daß seine Anwendung keine negativen, der Gesundheit abträglichen Hautreaktionen hervorruft und daß es das Haar mitsamt der Wurzel entferne. Die Aussage gibt damit Auskunft über zumindest Teilaspekte der Auswirkungen des Kosmetikums auf den menschlichen Körper.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren einen Bericht der Medizinischen Hochschule Hannover - Hautklinik Linden vom Juni 1979 über die klinische Prüfung des Haarentferners S vorgelegt. Darin wird zunächst die Durchführung des klinischen Tests näher beschrieben und dann zusammenfassend festgehalten:
"Der Haarentferner S wurde in der Hautklinik Linden der Medizinischen Hochschule und der Landeshauptstadt Hannover an 20 Patienten getestet. Nach eingehenden Beobachtungen über mehrere Stunden nach der Haarentfernung kann der Haarentferner S als hautfreundlich bezeichnet werden.
Nach Betrachtung der entfernten Haare unter dem Auflichtmikroskop kann man eine fast 100%ige Entfernung der Haare mitsamt den Haarwurzeln bestätigen."
Die mit dem Hinweis verbundene Behauptung der Hautverträglichkeit und der wirksamen Haarentfernung entspricht somit den Tatsachen. Es ist auch nicht erkennbar, daß der Hinweis beim Konsumenten einen anderen Eindruck hervorrufen könnte als den der Hautverträglichkeit und der wirksamen Haarbeseitigung. Die Aufschrift "klinisch auf Hautverträglichkeit und Entfernung des Haares mitsamt Wurzel geprüft" stellt daher einen nicht irreführenden Hinweis im Sinne des § 26 Abs. 2 LMG 1975 dar. Ob der Zusatz "klinisch getestet" auf ein Gutachten schließen läßt, kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn diese Frage bejaht wird, ändert sich an der rechtlichen Beurteilung nichts. Es wäre ein unauflöslicher Wertungswiderspruch, wollte man annehmen, ein nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 zulässiger Hinweis würde allein deswegen strafbar, weil er die Grundlage, auf die er sich stützt, nämlich ein Gutachten, offenlegt. Anderes würde allerdings gelten, wenn mit der Anführung (Andeutung) eines Gutachtens weitere, über den zulässigen Hinweis hinausgehende Inhalte verbunden wäre, insbesondere solche irreführender Art. Auf Grund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die die Schriftsätze der Parteien und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwenden war.
Da der obsiegenden Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann, war das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 687 und die dort angeführte Judikatur).
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