VwGH 91/09/0193

VwGH91/09/019325.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des M in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. Juli 1991, Zl. SV - 2005/6 - 1991, betreffend Feststellung der Behinderteneigenschaft nach § 2 BEinstG, zu Recht erkannt:

Normen

BEinstG §23 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
BEinstG §23 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahre 1940 geborene Beschwerdeführer stellte am 1. Juli 1989 beim Landesinvalidenamt für Oberösterreich (LIA) den formularmäßigen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Invaliden gemäß den Bestimmungen der §§ 2 und 14 des Invalideneinstellungsgesetzes 1969 (seit 1. Jänner 1989 gemäß BGBl. Nr. 721/1988: Behinderteneinstellungsgesetz - BEinstG), wobei er als Gesundheitsschädigungen "Bandscheiben, Kniegelenke, Hüftgelenke, Hand- und Armgelenke, Magenbeschwerden, Spreizfüße, Zwölffingerdarm" geltend machte.

Das LIA holte daraufhin zu diesem Antrag und zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Unterlagen einen Röntgenbefund des Facharztes für Radiologie Dr. N vom 25. Mai 1990 sowie ein ärztliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. K vom 28. Mai 1990 ein. Dr. K stellte dabei beim Beschwerdeführer "degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit geringer Funktionseinschränkung" fest, wobei sich hiefür nach der Richtsatzposition I/f/190 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in der Höhe von 20 vH ergebe. Der untere Rahmensatz der Richtsatzposition 190 sei wegen der geringen Funktionseinschränkung gewählt worden. Für einen Bandscheibenschaden bzw. für Arthrosen im Bereich der Hüftgelenke, Kniegelenke, sowie der Hand- und Armgelenke habe weder klinisch noch röntgenologisch ein morphologisches Substrat gefunden werden können. Auch für ein manifestes Ulkusleiden bestehe derzeit kein Hinweis. Der leitende Arzt stimmte diesem Gutachten zu.

Der Beschwerdeführer erhielt im Rahmen des Parteiengehörs von diesem Gutachten Kenntnis. In seiner (am 21. Juni 1990 beim LIA eingelangten) Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer vor, daß er "gegen diesen Bescheid Einspruch" erhebe, weil seines Erachtens wichtige Punkte bei der Bewertung seines Gesundheitszustandes zu wenig bzw. gar nicht berücksichtigt worden seien. Er werde in kürzester Zeit neue Befunde nachreichen und ersuche um eine neuerliche ärztliche Begutachtung.

Nachdem der Beschwerdeführer in der Folge eine Reihe von ärztlichen Unterlagen über seine angemeldeten Gesundheitsschädigungen vorgelegt hatte, beauftragte das LIA die ärztliche Sachverständige Dr. B (vom ärztlichen Dienst beim LIA) mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Diese beurteilte die von ihr festgestellten Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers wie folgt:

"1. Degenerative Veränderungen

der Lendenwirbelsäule mit

geringer Funktionseinschränkung RS-Pos. 190 MdE 20 vH

2. Spreizfuß beidseitig RS-Pos. 150 MdE 30 vH

3. Beginnende Arthrose des

Femoropatellargelenkes

beidseits RS-Pos. 417 MdE 0 vH

4. Gastritisneigung (Hiatushernie) RS-Pos. 347 MdE 10 vH

5. chron. mykotisches Ekzem an

beiden Fußsohlen RS-Pos. 696 MdE 20 vH

Wie im Vorgutachten bereits dargelegt, findet sich kein Anhaltspunkt für Arthrosen im Bereich der großen Gelenke. Klinisch auch kein Hinweis für eine chron. Bronchitis.

Gesamtgrad der Behinderung 40 vH."

Dazu führte die Sachverständige begründend aus:

"PUNKT 1: unverändert zum Vorgutachten

PUNKT 2: mäßige Spreizfüße beidseits, aber deutliche

Verhornung über den Mittelfußköpfchen.

PUNKT 3: nur geringe röntgenologische Veränderungen und

keine Bewegungseinschränkung

PUNKT 4: außer einer Hiatusinsuffizienz (mittlerer RS)

Magen-Duodenum röntgenologisch unauffällig.

PUNKT 5: abgesehen von der patholog. Verhornung, die in

Pkt. 2 bereits miteingestuft ist, bestehen nur

geringe Hautveränderungen deshalb unterer RS

GES.MDE: 40 vH Die führende Pos. unter Pkt. 2 wird durch

Pkt. 1 u. 5 zusammen um eine Stufe

angehoben."

In seiner (handschriftlichen) Stellungnahme vom 21. November 1990 sprach sich der leitende Arzt gegen eine Steigerung aus, weil die WS-Funktion unauffällig sei und die Hautveränderungen teilweise schon in Pos. 150 miteingeschätzt seien.

Mit Bescheid des LIA vom 27. November 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Juli 1989 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2, 3 und 14 BEinstG abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen darauf hingewiesen, daß nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die MdE des Beschwerdeführers WENIGER ALS 50 V.H. betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

Seiner gegen diesen Bescheid erhobenen (vom Beschwerdeführer als "Einspruch" bezeichneten) Berufung ließ der Beschwerdeführer ein Attest des Facharztes für Pneumologie Dr. L vom 9. Jänner 1991 folgen, in welchem "chron. Bronchitis/anamnestisch" diagnostiziert wurde.

Die belangte Behörde ergänzte daraufhin das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. S vom 22. April 1991, der - nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers - bei diesem "chronische Bronchitis Stadium I (ohne Infektion und obstruktive Ventilationsstörung)" feststellte; die MdE wegen dieser Gesundheitsschädigung schätzte er nach der Richtsatzposition 283 mit 0 vHein. Zur Begründung führte Dr. S aus, die Diagnose chron. Bronchitis werde auf Grund der anamnestischen Angaben des Beschwerdeführers gestellt (WHO Def.: Husten und Auswurf jeweils während drei Monaten innerhalb eines Jahres für insgesamt drei Jahre). Eine radiologische Diagnose sei nicht möglich. Bei fehlenden bronchit. RGs im Auskultationsbefund der Lunge habe Dr. B daher KLINISCH keinen Hinweis für eine chron. Bronchitis, Dr. L anamnestisch eine chronische Bronchitis gefunden. Die Diagnose chronische Bronchitis beruhe auf den Angaben des Beschwerdeführers. Bei seiner Untersuchung seien keine bronchitischen "RGs" auskultierbar gewesen. Der lungenfunktionsanalytische Befund sei normal, eine pulmonale Beeinträchtigung sei daher nicht gegeben, daher auch keine MdE. Der leitende Arzt stimmte diesem Gutachten zu.

In der Folge legte der Beschwerdeführer als Nachweis für seinen Standpunkt eine Reihe von ärztlichen Befunden vor, so unter anderem den ärztlichen Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Bad Aussee vom 23. Februar 1991. In diesem ärztlichen Entlassungsbericht wurde u.a. folgendes ausgeführt:

"Gastroskopie: freie Passage bis in die Pars descend. duodeni, diese unauffällig. Der Bulbus duodendi geräumig, Schleimhaut oB. Pylorus gut passierbar, oB. Juxtapylorisch eine etwas verbreiterte Schleimhautfalte, in diesem Bereich 2 kleine Erosionen erkennbar (Biopsie). Übriges Antrum unauffällig. Corpus-Schleimhaut oB., Faltenrelief regelrecht. Schon beim Einführen des Instrumentes und auch in Inversion zeigt sich eine kleine Hiatushernie, die Cardia nur mäßig schließend, geringe Zeichen einer Refluxoesophagitis. Übriger Oesophagus oB.

BEURTEILUNG: kleine Erosionen im praepylorischen Antrum. Kleine Hiatushernie, Cardiainsuffizienz mit geringen Refluxoesophagitiszeichen.

HISTOLOGIE: mittelgradig aktive, mittelschwere chronische Gastritis vom Antrumtyp mit angedeuteter foveolärer Hyperplasie und konfluierenden Leistenspitzenerosionen. Keine Malignität."

Die belangte Behörde holte zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Befunden eine Stellungnahme des leitenden Arztes (vom 14. Juni 1991) ein, der darauf hinwies, daß die beigebrachten neuen Befunde dem Gutachten Dris. S entsprächen; insbesondere seien die Lungenfunktionsprüfungen ohne pathologische Werte. Eine Abänderung der Einschätzung mit 0 vH könne aus ärztlicher Sicht daher nicht erfolgen. Die anderen Einschätzungen seien wie auf Abl. 50 (das ist das Beiblatt des erstinstanzlichen Bescheides) beizubehalten, weil auch diesbezüglich gegenüber den Vorbefunden keine Änderung aus den Unterlagen hervorgehe.

Der Beschwerdeführer erhielt auch vom Gutachten Dris. S im Rahmen des Parteiengehörs Kenntnis. Hiezu erstattete - im Auftrag des Beschwerdeführers - ein Vertreter des Österreichischen Zivilinvaliden-Verbandes eine (an einen Organwalter der belangten Behörde gerichtete) Stellungnahme folgenden Inhaltes:

Auf Grund eines Telefongespräches in dem Sie mir erklärten, Hr. Johann M sollte neue Gutachten an Sie übersenden um eine 50 vH Einstufung zu erreichen hat Herr Johann M dies auch getan und sogar Gutachten mit noch nicht bewerteter Einstufung an Sie übersandt. Trotzdem wurde Ihrerseits, der meiner Meinung nach unterbewertete Bescheid von Ihnen neuerlich abgesagt. Dies ist mir unerklärlich. Herr Johann M erhebt daher gegen diesen Bescheid Einspruch und wir hoffen, daß diese Angelegenheit zu einem positiven Ergebnis gelangt."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof

angefochtenen Bescheid vom 18. Juli 1991 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 BEinstG nicht den Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne dieses Bundesgesetzes zugehörig sei.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, im vorliegenden Fall sei der erstinstanzliche Bescheid nach Einholung mehrerer ärztlicher Sachverständigengutachten ergangen. Diese Gutachten vom 28. Mai und 13. November 1990 ergäben beim Beschwerdeführer nach den gemäß § 7 Abs. 2 KOVG 1957 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Verordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, festgesetzten Richtsätzen folgende Einschätzung seiner Gesundheitsschädigungen und seien wie folgt begründet worden:

"Art der Gesundheits- Position in den Höhe der MdE

schädigung Richtsätzen:

01 Degenerative Verän-

derungen der Lenden-

wirbelsäule mit ge-

ringer Funktions-

einschränkung 190 20 v.H.

Rahmensatz 20-30 v.H.: Entsprechend der geringen Funktions-

einschränkung erfolgte die Ein-

schätzung mit 20 v.H.

02 Spreizfuß beiderseits 150 30 v.H.

Rahmensatz 30-50 v.H.: Es besteht ein mäßiger Spreizfuß

beiderseits mit deutlicher

Verhornung über den

Mittelfußknöpfchen. Dem Ausmaß

entsprechend, erfolgte die

Einstufung mit 30 v.H.

03 Beginnende Arthrose des Fermoropatellargelenkes

beiderseits 417 0 v.H.

Rahmensatz 0-10 v.H.: Da nur geringe röntgenologische

Veränderungen vorliegen und keine

Bewegungseinschränkung besteht,

erfolgte die Einstufung mit 0 v.H.

04 Gastritisneigung

(Hiatushernie) 347 10 v.H.

Rahmensatz 0-20 v.H.: Außer einer Hiatusinsuffizienz konnte

röntgenologisch nichts nachgewiesen

werden. Die Einstufung erfolgte daher

mit dem mittleren Rahmensatz von

10 v.H.

05 Chronisch mykotisches

Ekzem an beiden

Fußsohlen 696 20 v.H.

Rahmensatz 20-60 v.H.: Abgesehen von der pathologischen

Verhornung, die in Punkt 02 bereits

miteingestuft ist, bestehen nur

geringe Hautveränderungen. Eine Einschätzung erfolgte daher mit dem

unteren Rahmensatz von 20 v.H.

Ein Anhaltspunkt für Arthrosen im Bereich der großen Gelenke konnte nicht gefunden werden. Ebenso findet sich auch klinisch kein Hinweis auf eine chronische Bronchitis.

Der Grad der Behinderung beträgt somit 40 v.H., weil die unter Punkt 02 angeführte Gesundheitsschädigung durch die Leiden unter Punkt 01 und 05 zusammen um eine Stufe angehoben werden kann."

Auf Grund des Berufungsvorbringens und der beigebrachten ärztlichen Atteste sei aber der Beschwerdeführer auf Veranlassung der belangten Behörde neuerlich einer ärztlichen Begutachtung zugeführt worden (Lungenfacharzt Dr. S). Dieses Gutachten vom 22. April 1991 habe wie folgt gelautet:

"Art der Gesundheits- Position in den Höhe der MdE:

schädigung Richtsätzen:

Chronische Bronchitis

Stadium I (ohne Infektion

und obstruktive

Ventilationsstörung) 283 0 v.H.

Gesamtgrad der Behinderung 0 v.H.

Nach Wiedergabe der Begründung dieses Gutachtens führte die belangte Behörde weiters aus, der ärztliche Dienst beim LIA habe sich dieser Einschätzung angeschlossen. Dieses Gutachten gehe nun auf alle vom Beschwerdeführer in der Berufung geltend gemachten Gesundheitsschädigungen ein. Die belangte Behörde sehe keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieses Gutachtens, welches dem Beschwerdeführer einen Grad der Behinderung von insgesamt 40 v.H. zuerkenne, Zweifel zu erheben. Da somit nach den vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten eine MdE von mindestens 50 v.H. beim Beschwerdeführer nicht vorliege, seien die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in den Kreis der begünstigten Behinderten nicht gegeben und habe wie im Spruch entschieden werden müssen. Es stehe dem Beschwerdeführer aber frei, bei einer allfälligen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes neuerlich einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Personen im Sinne des § 2 in Verbindung mit § 14 BEinstG als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.

Nach § 3 Abs. 1 BEinstG ist Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 3 Abs. 2 BEinstG sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, daß Gesundheitsstörungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Liegt - wie im Falle des Beschwerdeführers - ein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 BEinstG über die Einschätzung seiner Behinderung nicht vor, dann hat nach § 14 Abs. 2 BEinstG auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Landesinvalidenamt unter Mitwirkung von amtlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (§ 3) festzustellen. § 90 KOVG 1957 gilt sinngemäß.

Nach § 1 Abs. 1 der auf Grund des § 7 Abs. 2 KOVG 1957 ergangenen Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965 über die Richtsätze für die Einschätzung der MdE nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (RichtsatzV zum KOVG 1957) ist die MdE im Sinne des § 7 Abs. 1 KOVG 1957 nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und der Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage festgesetzt sind. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die im krassen Widerspruch stehenden Diagnosen des Lungenfacharztes Dr. S und des Facharztes für Pneumologie Dr. L im Hinblick auf die chronische Bronchitis nicht in ausreichendem Maße aufgeklärt worden seien. Dr. S gelange in seinem Gutachten vom 22. April 1991 zu dem Ergebnis, daß keine chronische Bronchitis und daher keine MdE vorliege. Dieser Sachverständige stütze sich dabei auf den klinischen Befund Dris. B; die Diagnose Dris. L werde einfach damit abgetan, daß sich dieser bloß auf die Angaben des Beschwerdeführers gestützt hätte. Auch aus dem ärztlichen Entlassungsbefund des Rehabilitationszentrum Bad Aussee vom 23. Februar 1991 ergebe sich der Hinweis, daß eine chronische Bronchitis vorliege. Dieser Umstand sei jedenfalls völlig unberücksichtigt geblieben, sodaß das Gutachten mangelhaft sei.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die vom LIA

herangezogene ärztliche Sachverständige Dr. B (vom ärztlichen Dienst beim LIA) in ihrem Gutachten vom 12. November 1990 das Vorliegen einer chronischen Bronchitis beim Beschwerdeführer verneint. Nachdem der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens ein ärztliches Attest des Facharztes für Pneumologie Dr. L vom 9. Jänner 1991 vorgelegt hatte, in welchem die Diagnose aber auf "chron. Bronchitis/anamnestisch" lautete, hat die belangte Behörde den ärztlichen Sachverständigen Dr. S mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat - nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer dabei angegebenen jetzigen Beschwerden ("wöchentlich bis zu fünf Atemnotanfälle, Atemnot bei Belastung (2. Stock) Husten und schleimiger Auswurf") sowie der Diagnose "chron. Bronchitis" im ärztlichen Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Bad Aussee vom 23. Februar 1991 - eine "chron. Bronchitis Stadium I (ohne Infektion und obstruktive Ventilationsstörung)" beim Beschwerdeführer festgestellt und nach Richtsatzposition 283 mit 0 vH MdE eingeschätzt, wobei der dies auch näher begründet hat. Zu Unrecht wirft der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang dem Sachverständigen Dr. S vor, dieser habe seine Angaben, daß er jedenfalls Husten und Auswurf jeweils während drei Monaten innerhalb eines Jahres für insgesamt drei Jahre gehabt habe, völlig übergangen. In der Begründung seiner richtsatzmäßigen Einschätzung der "chron. Bronchitis Stadium I (ohne Infektion und obstruktive Ventilationsstörung)" hat der Sachverständige Dr. S ausgeführt, daß die Diagnose chronische Bronchitis auf Grund der anamnestischen Angaben des Beschwerdeführers gestellt werde, wobei er dann in einem Klammerausdruck die WHO-Definition der chronischen Bronchitis wiedergegeben hat, die wie folgt laute:

"Husten und Auswurf jeweils während drei Monaten innerhalb eines Jahres für insgesamt drei Jahre". Die vom

Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgelegten zahlreichen ärztlichen Befunde sind von der belangten Behörde dem ärztlichen Dienst beim LIA übermittelt worden, wobei der leitende Arzt (in der Frage der Beurteilung der chronischen Bronchitis) ausgeführt hat, daß die beigebrachten neuen Befunde dem Gutachten Dris. S entsprächen; insbesondere seien die Lungenfunktionsprüfungen ohne pathologische Werte. Eine Abänderung der Einschätzung mit 0 vH könne aus ärztlicher Sicht daher nicht erfolgen.

Das Gutachten Dris. S vom 22. April 1991 ist auch Gegenstand des Parteiengehörs gewesen, wobei der Beschwerdeführer den auf ärztliches Fachwissen gestützten Ausführungen keine medizinisch fundierten Gegenbehauptungen mehr entgegengestellt hat.

Wenn daher die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der Frage der richtsatzmäßigen Einschätzung der chronischen Bronchitis in freier Beweiswürdigung dem Sachverständigengutachten Dris. S gefolgt ist, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen können, nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 90/09/0059).

Der Beschwerdeführer bringt weiters unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, im angefochtenen Bescheid werde unter Zugrundelegung der Gutachten vom 28. Mai bzw. 13. November 1990 unter Punkt 4. ausgeführt, daß lediglich Gastritisneigung bestehe und außer einer Hiatusinsuffizienz röntgenologisch nichts nachgewiesen habe werden können. Aus diesem Grund sei daher eine Einstufung mit einem mittleren Rahmensatz von 10 v.H. erfolgt. Diese Angaben stünden jedoch im krassen Widerspruch mit dem ebenfalls der belangten Behörde vorliegenden ärztlichen Entlastungsbefund des Rehabilitationszentrums Bad Aussee vom 23. Februar 1991, aus welchem sich eindeutig eine mittelschwere chronische Gastritis ergebe und von einer bloßen Gastritisneigung, wie dies von der belangten Behörde festgestellt worden sei, keine Rede sei. Trotz Kenntnis dieser Widersprüchlichkeit seien von der belangten Behörde keinerlei weitere Gutachten bzw. Ergänzungen von Gutachten eingeholt worden, sodaß der festgestellte Sachverhalt in diesem Punkt jedenfalls ergänzungsbedürftig sei. In diesem Widerspruch sei zweifellos auch eine Aktenwidrigkeit zu erblicken, welche einen wesentlichen Entscheidungsgrund betreffe und zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führe. Hätte die belangte Behörde den Umstand, daß nicht bloß eine Gastritisneigung, sondern vielmehr eine mittelschwere chronische Gastritis vorliege, entsprechend berücksichtigt, so wäre zweifellos eine höhere Einstufung der MdE erfolgt, was schließlich zur Einbeziehung des Beschwerdeführers in den Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 BEinstG geführt hätte.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 des auch im Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz geltenden AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach der Anordnung des § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

In Abschnitt III lit. d) der RichtsatzV zum KOVG 1957 werden Erkrankungen des Magen- und Darmtraktes eingestuft, darunter auch Gastritis, und zwar in Richtsatzposition 347 "leichte Form bei gutem Ernährungszustand" mit 0 bis 20 vH MdE und in Richtsatzposition 348 "schwere Form bei herabgesetztem Ernährungszustand" mit 30 bis 40 vH MdE.

Die Sachverständige Dr. B (vom ärztlichen Dienst beim LIA) hat in ihrem Gutachten vom 13. November 1990 festgestellt, daß beim Beschwerdeführer Gastritisneigung (Hiatushernie) bestehe und außer einer Hiatusinsuffizienz röntgenologisch nichts habe nachgewiesen werden können; die Einstufung sei daher mit dem mittleren Rahmensatz (der RS. Pos. 347) von 10 v.H. erfolgt. Diese Erkrankung des Beschwerdeführers stellt daher nach Auffassung dieser Sachverständigen jedenfalls eine leichte Form der Gastritis dar, wobei der gute Ernährungszustand des Beschwerdeführers nie in Zweifel gezogen worden ist. Auf dieses Gutachten haben sich in der Frage der richtsatzmäßigen Einschätzung der - beim Beschwerdeführer unbestritten vorhandenen - gastritischen Erkrankung sowohl der erstinstanzliche als auch der angefochtene Bescheid gestützt. Strittig ist im Beschwerdefall die Schwere dieser gastritischen Erkrankung im Zeitpunkt der Einschätzung durch die belangte Behörde sowie das Ausmaß der daraus resultierenden MdE des Beschwerdeführers.

In dem vom Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens (neben zahlreichen anderen ärztlichen Befunden) vorgelegten ärztlichen Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Bad Aussee vom 23. Februar 1991 wird - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - dargelegt, daß beim Beschwerdeführer "eine mittelgradig aktive, mittelschwere chronische Gastritis vom Antrumtyp mit angedeuteter foveolärer Hyperplasie und konfluierenden Leistenspitzenerosionen" bestehe. Diese Feststellung stützt sich auf eine beim Beschwerdeführer durchgeführten GASTROSKOPIE. Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer zum Nachweis seines Standpunktes vorgelegten ärztlichen Befunde (unter anderem auch den ärztlichen Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Bad Aussee vom 23. Februar 1991) dem leitenden Arzt zur Stellungnahme vorgelegt, dieser hat sich jedoch damit begnügt auszuführen (abgesehen von den bereits oben wiedergegebenen Ausführungen zur richtsatzmäßigen Einschätzung der chronischen Bronchitis), daß die anderen Einschätzungen wie im erstinstanzlichen Bescheid beizubehalten seien, weil auch diesbezüglich gegenüber den Vorbefunden keine Änderung aus den Unterlagen hervorgehe. Mit dem ärztlichen Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Bad Aussee haben sich weder der von der belangten Behörde herangezogene leitende Arzt noch die belangte Behörde in der Bescheidbegründung ausreichend auseinandergesetzt, obwohl eine medizinisch begründete Auseinandersetzung hätte erfolgen bzw. ein neuerlicher Beweis durch Untersuchung angestellt hätte werden müssen.

Die belangte Behörde hat sich somit nicht ausreichend mit dem Inhalt eines vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittels auseinandergesetzt. Sie hat damit Verfahrensvorschriften, nämlich die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Begründungspflicht (§ 58 Abs. 2 und § 60) verletzt, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß das Verfahren in Angelegenheiten nach dem BEinstG nach dessen § 23 Abs. 1 von der Gebührenpflicht befreit ist, weshalb ein Ersatz für vom Beschwerdeführer aufgewendete Stempelgebühren nicht in Betracht kam (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1992, Zl. 92/09/0030).

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