VwGH 91/08/0158

VwGH91/08/015816.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 29. Oktober 1991, Zl. IVa-AlV-7022/9/B/1414 231049/Vöcklabruck, betreffend Rückforderung unberechtigt empfangener Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwRallg;
ABGB §2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezieht seit 1987 Notstandshilfe; zuletzt mit Antrag vom 19. Dezember 1988 beantragte er wiederum die Gewährung von Notstandshilfe, die ihm bewilligt und angewiesen wurde. In der Zeit vom 18. bis 20. Jänner 1989 absolvierte der Beschwerdeführer eine Waffenübung des österreichischen Bundesheeres. Am 23. Jänner 1989 trat er ein neues Dienstverhältnis an. Die ordnungsgemäße Meldung der Begründung des Dienstverhältnisses wurde von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt.

Obwohl dieses Dienstverhältnis aufrecht weiterbestand, wurde dem Beschwerdeführer in der Zeit vom 23. Jänner bis 18. Juni 1989 Notstandshilfe in Höhe von insgesamt S 9.584,-- überwiesen. Soweit der unstrittige Sachverhalt.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes vom 6. Dezember 1990 wurde der Bezug der Notstandshilfe für die Zeit vom 23. Jänner bis 18. Juni 1989 mangels Arbeitslosigkeit widerrufen und der Beschwerdeführer zum Ersatz der in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe in Höhe von insgesamt S 9.584,-- verpflichtet.

In der Begründung wurde nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nur darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer in dem aus dem Spruch ersichtlichen Zeitraum in einem aufrechten Dienstverhältnis gestanden sei.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge gegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde nach Darstellung des insoweit unstrittigen Sachverhaltes und Zitierung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen aus, der dritte Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG sei nach ständiger Rechtsprechung dann erfüllt, wenn dem Leistungsempfänger bei einer ihm nach den Umständen des Einzelfalles zumutbaren Aufmerksamkeit auffallen hätte müssen, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebühre, wobei weder der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit überspannt noch - ganz allgemein - überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden dürften. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, daß der Beschwerdeführer bei zumutbarer Aufmerksamkeit hätte erkennen können, daß ihm ab dem Tag der Arbeitsaufnahme eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nicht mehr gebühre. Dem Einwand, der Beschwerdeführer hätte die Weiterzahlung der Notstandshilfe nicht bemerkt, weil er und seine Gattin auf das gemeinsame Konto schwankende Einkünfte erhalten hätten und überdies die finanziellen Angelegenheiten von der Gattin des Beschwerdeführers abgewickelt würden, könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Immerhin handle es sich um einen Zeitraum von beinahe sechs Monaten, in dem die Notstandshilfe weiter auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesen worden sei, obwohl er in einem aufrechten Dienstverhältnis gestanden sei. Im Zeitalter der bargeldlosen Anweisung von Geldleistungen müsse von jedermann verlangt werden, daß eingehende Zahlungen anhand der Kontoauszüge regelmäßig überprüft würden. Aus der in der Berufung enthaltenen Erwähnung, daß der Beschwerdeführer "oft wochenlang keinen Kontoauszug sehen" würde, sei doch abzuleiten, daß er Kontobewegungen, wenn auch in größeren Zeitabständen dennoch überprüfe. Dabei hätte ihm auffallen müssen, daß trotz erfolgter Arbeitsaufnahme weiterhin Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung angewiesen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, soweit darin die Verpflichtung zum Rückersatz der zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe bestätigt wurde; der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Allein entscheidende Frage ist im vorliegenden Fall, ob die belangte Behörde hinsichtlich der vom Beschwerdeführer empfangenen Notstandshilfe, dessen Zuerkennung durch den angefochtenen Bescheid widerrufen wurde, zu Recht den dritten Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG angenommen hat, ob der Beschwerdeführer also hätte erkennen müssen, daß die Leistung nicht gebührte.

Dabei ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nach dem Wortlaut "..., wenn er erkennen mußte, daß ..." der hier heranzuziehende Tatbestand nicht erst dann erfüllt, wenn der Leistungsempfänger die Ungebührlichkeit der Leistung an sich erkannt hat; das Gesetz stellt vielmehr auf das bloße Erkennenmüssen ab und statuiert dadurch eine - allerdings nicht näher definierte - Sorgfaltspflicht. Aus der Gegenüberstellung mit den zwei anderen im § 25 Abs. 1 leg. cit. genannten Tatbeständen (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) wird jedoch deutlich, daß bei Anwendung des dritten Rückforderungstatbestandes des § 25 Abs. 1 leg. cit. eine gegenüber den beiden anderen Tatbeständen abgeschwächte Verschuldensform normiert wurde. Setzen die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz (dolus eventualis) voraus, genügt zur Anwendung des dritten Rückforderungstatbestandes bereits Fahrlässigkeit ("... erkennen mußte"). Fahrlässige Unkenntnis davon, daß die Geldleistung nicht gebührte, setzt voraus, daß die Ungebühr bei Gebrauch der (iS des § 1297 ABGB zu vermutenden) gewöhnlichen Fähigkeiten erkennbar gewesen ist. Ob dies zutrifft, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei jedoch der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit weder überspannt noch überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden dürfen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Februar 1983, Zl. 81/08/0151, Slg. Nr. 10.968/A). Insbesondere ist im gegebenen Zusammenhang die (allgemeine) Vermutung von der Gesetzeskenntnis (§ 2 ABGB) nicht ohne weiteres heranzuziehen, weil dies der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, nicht schon die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung allein auch für die Rückforderung genügen zu lassen, zuwiderliefe.

Die in der Beschwerde angestellten Erwägungen hiezu erweisen sich als keineswegs überzeugend. Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer konkret lediglich die Unterlassung von Erhebungen zur Frage des gutgläubigen Empfangs bzw. Verbrauches der an ihn zur Auszahlung gelangten Beträge. Die Berücksichtigung des gutgläubigen Verbrauchs des Empfangenen als Rückforderungshindernis kann nur dann und nur insoweit erfolgen, als dies die im Gesetz abschließend geregelten Rückforderungstatbestände vorsehen. Die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung von Erhebungen zu dieser Frage durch die belangte Behörde müßte daher unter dem Gesichtspunkt eines der im § 25 Abs. 1 AlVG genannten Rückforderungstatbestände von denkbarem Einfluß auf das Verfahrensergebnis sein, um der Beschwerde zum Erfolg verhelfen zu können. Dies ist jedoch aus Gründen, aus denen auch die erhobene Rechtsrüge versagt, nicht der Fall:

Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sieht der Beschwerdeführer zunächst darin, die belangte Behörde habe unrichtigerweise die Auffassung vertreten, es müsse im Zeitalter der bargeldlosen Anweisung von Geldleistungen von jedermann verlangt werden, daß eingehende Zahlungen anhand der Kontoauszüge regelmäßig überprüft werden; die belangte Behörde übersehe dabei, daß der Beschwerdeführer und seine Gattin Konsumenten und Dienstnehmer seien; der von der belangten Behörde aufgestellte Sorgfaltsmaßstab sei möglicherweise auf selbständige Berufstätige und Unternehmer oder sonstige geschäftsgewandte Staatsbürger anzuwenden, nicht jedoch auf "unselbständig Berufstätige".

Dieser Einwand erweist sich aber schon deshalb als unbegründet, weil das Gesetz - die Kenntnis des Arbeitslosen vom tatsächlichen Erhalt des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe voraussetzend - nur darauf abstellt, ob ihm IN KENNTNIS DES BEZUGES erkennbar gewesen wäre, daß dieser nicht oder nicht in dieser Höhe gebühre. Die dieser Bestimmung zugrundeliegende unwiderlegliche Vermutung von der Kenntnis des Arbeitslosen (zumindest) davon, daß ihm eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung zugeflossen ist, führt zwar dazu, daß jeder Einwand der (auch unverschuldeten) Unkenntnis von der Tatsache des Zufließens rechtlich unbeachtlich ist, begegnet jedoch keinen sachlichen Bedenken: es ist nämlich weder der Arbeitslose im Hinblick auf die Rückforderung schutzwürdig, der noch gar keine Kenntnis vom Bezug erlangt (und daher über ihn auch noch nicht disponiert) hat, noch jener, der über Geldmittel disponiert, ohne sich zumindest über die Tatsache seiner Verfügungsberechtigung (und damit über die Herkunft der Mittel) ins Klare zu setzen (wie dies im Falle des Beschwerdeführers, wie aus der Behauptung des gutgläubigen Verbrauchs hervorgeht, der Fall zu sein scheint).

Der Beschwerdeführer bleibt allerdings jegliche Erklärung dafür schuldig, aus welchen Gründen ihm bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit und Sorgfalt - Kenntnis des Erhaltes der Leistungen vorausgesetzt - die Herkunft derselben verborgen geblieben sind. Zu dem von § 25 Abs. 1 AlVG normierten Tatbestand des Erkennenmüssens, "daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebühre" enthält die Beschwerde überhaupt keine Ausführungen. Es ist dem Verwaltungsgerichtshof auch kein Grund ersichtlich, aus dem dem Beschwerdeführer nicht erkennbar hätte sein können, daß ihm neben Arbeitsentgelt nicht auch Notstandshilfe gebühren konnte.

Da der angefochtene Bescheid im Rahmen der Beschwerdepunkte daher weder mit der geltend gemachten noch mit einer allenfalls vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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