VwGH 91/06/0204

VwGH91/06/02049.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Gemeinde St. Martin am Grimming, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 2. Oktober 1991, Zl. 03-10 M 17-91/63, betreffend Versagung der Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §62 Abs4;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lite;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2;
ROG Stmk 1974 §29 Abs9;
ROG Stmk 1974 §3 Abs12;
ROG Stmk 1974 §3 Abs6;
VwRallg;
BauO Stmk 1968 §62 Abs4;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lite;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2;
ROG Stmk 1974 §29 Abs9;
ROG Stmk 1974 §3 Abs12;
ROG Stmk 1974 §3 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gemeinde hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde beschloß in seiner Sitzung vom 6. März 1991 eine Änderung des Flächenwidmungsplans, wonach mehrere (näher bezeichnete) Grundstücke der KG Diemlern im Gesamtausmaß von ca. 5,5 ha als Sondernutzung im Freiland für die Schottergewinnung - Naßbaggerung - ausgewiesen wurden. Diese Ausweisung als Sondernutzung im Freiland sollte befristet auf die Dauer von zehn Jahren somit bis 31. Dezember 2000 erfolgen. Unmittelbar südlich an die vorerwähnten Sondernutzungsflächen anschließend, auf einem Teil des Grundstückes Nr. 318/1 im Ausmaß von ca. 3.000 m2 sollte Bauland der Kategorie "Industrie- und Gewerbegebiet II" als Aufschließungsgebiet befristet bis 31. Dezember 2000 ausgewiesen werden. Dieses Aufschließungsgebiet sollte erst als volles Bauland ausgewiesen werden, wenn eine wasserrechtliche Genehmigung für eine Abwasserbeseitigungsanlage, dem Stand der Technik entsprechend, vorliege. Das als Sondernutzung im Freiland und das als Aufschließungsgebiet zu Bauland der Kategorie J/2 ausgewiesene Gebiet sollte nach Ablauf der zehnjährigen Frist einer Folgenutzung zugeführt werden. Dieses sollte eine extensive Freizeitnutzung sein, wobei ökologisch wertvolle Flächen wieder hergestellt bzw. erhalten werden und die Gesamtgestaltung nach einem Rekultivierungsplan und Landschaftskonzept erfolgen sollte.

Die beschwerdeführende Gemeinde legte diese Flächenwidmungsplanänderung mit Schreiben vom 3. April 1991 der belangten Behörde zur Genehmigung vor. Im Erläuterungsbericht hiezu wird ausgeführt, daß ein näher bezeichnetes Unternehmen im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Gemeinde beabsichtige, Schotter abzubauen und zwar in Form einer Naßbaggerung, sowie ferner, ein Fertigbetonwerk zu errichten. Von der Flächenwidmungsplanänderung seien die - oben näher bezeichneten - Grundstücke im Gesamtausmaß von ca. 5,5 ha betroffen, die für die Naßbaggerung vorgesehen seien. Weiters sei ein Teil des Grundstückes Nr. 318/1 im Ausmaß von etwa 3.000 m2 für die Errichtung der Betriebsanlage vorgesehen. Sämtliche Grundstücke befänden sich in der KG Diemlern der beschwerdeführenden Gemeinde. Weiters befänden sich die Grundstücke im östlichsten Gemeindebereich unmittelbar an der Gemeindegrenze zur Gemeinde Pürgg-Trautenfels zwischen dem Ennsfluß und dem zugeschütteten Altarm der Enns, der die Gemeindegrenze bilde. Die Zufahrt zu diesen Grundstücken führe über näher bezeichnete Grundstücke ausgehend von der Landesstraße L 734, Niederöblarn-Irdning. Die Flächen seien derzeit landwirtschaftlich genutzt. Ein Teil des Grundstückes Nr. 316/1 sei eine Wasserfläche, ausgebaggert durch die Bundesstraßenverwaltung. Die Grundstücke befänden sich im Landschaftsschutzgebiet Nr. 43. Die Dauer des Schotterabbaues sei von dem genannten Unternehmen mit zehn Jahren angegeben worden; danach werde eine Fläche von ca. 4 ha als wasserbedeckte Fläche übrig bleiben. Es sei vorgesehen, daß nach Ende der zehnjährigen Dauer des Schotterabbaues die gesamte Fläche einer Folgenutzung zugeführt werde. Diese Sondernutzung solle eine extensive Freizeitnutzung sein, wobei ökologisch wertvolle Flächen wieder hergestellt werden sollten und die gesamte Gestaltung nach einem Landschaftskonzept erfolgen werde. In jenem Bereich, der als Aufschließungsgebiet für Industrie- und Gewerbegebiet II mit einer Dichte von 0,1 bis 0,6 ausgewiesen werden solle, solle ebenfalls begrenzt auf eine Dauer von zehn Jahren eine Betriebsanlage für die Erzeugung von Fertigbeton errichtet werden. Diese Anlage soll nach Ablauf von zehn Jahren zur Gänze entfernt werden und die Flächen gemäß einem Landschafts- und Rekultivierungsplan rückgeführt bzw. neu gestaltet werden. Es sei schon jetzt vorgesehen, daß die gesamte Anlage bepflanzt werde. Ein Landschaftskonzept werde dem Erläuterungsbericht beigelegt.

Vor Beschlußfassung hatte die beschwerdeführende Gemeinde eine Stellungnahme der Rechtsabteilung 6 der Steiermärkischen Landesregierung (Naturschutz) eingeholt; in dieser Stellungnahme vom 10. Jänner 1991 wurde ausgeführt, daß der Ennstalboden im Bereich der beschwerdeführenden Gemeinde im Landschaftsschutzgebiet liege. Als Eingriff sei neben den technischen Infrastrukturleitlinien wie Hochspannungsleitungen, Straßenbau, Flußwasserbau und Intensivierung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der vor Jahrzehnten durchgeführte Schotterabbau in Form einer Naßbaggerung existent. Trotz dieser Eingriffe könne aber aufgrund des großräumigen Erscheinungsbildes des Ennstalbodens die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung dieses Landschaftsraumes als erste und oberste Gestaltungsmaxime herangezogen werden. Die bäuerliche Besiedelung wie auch sonstige Besiedelungen hätten sich gerade in diesem Bereich aufgrund der klimatischen Gegebenheiten und der Bodennässe und ursprünglichen Hochwassergefährdung auf die Talrandzonen beschränkt, sodaß hier außer den Heustadeln des Ennstales keinerlei Bauwerke vorhanden seien. Nur aufgrund der Vorgabe der bereits bestehenden Naßbaggerung habe vom Landschaftsschutz überhaupt nur an die weitere Nutzung bzw. eine Erweiterung unter den ohnehin bekannten Rahmenbedingungen hinsichtlich einer weiteren Schotternutzung gedacht werden können. Daß das Rohstoffvorkommen und dessen Aufbereitung für die Bauwirtschaft in Form einer Schotteraufbereitungsanlage einen kausalen Zusammenhang aufweist, wurde auch von seiten des Landschaftsschutzes akzeptiert. Die auf 15 Jahre und nachfolgender Rekultivierung des Betriebsareals geplante Ausweisung als Gewerbegebiet und Industriegebiet für eine Betriebsanlage zur Erzeugung von Fertigbeton sei aus fachlicher Sicht des Landschaftsschutzes mit dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes nicht vereinbar. Durch die Errichtung dieser Anlage werde erstmals in diesem Landschaftsraum eine Bautätigkeit begonnen, die sich nicht nur kurzfristig im Zuge eines anderweitigen Baugeschehens, sondern längerfristig über 15 Jahre dort einstelle. Damit werde der Landschaftscharakter und das Landschaftsbild über die Nutzung des Schotters und dessen Aufbereitung durch die Betriebsanlagen der Teilfinalisierung weiterhin bzw. zusätzlich belastet. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, daß durch die Ausweisung dieses, wenn auch befristeten Industriegebietes der Anreiz bestehe, in einer von der Siedlungsentfernung her günstigen Lage in diesem Zeitraum weitere Gewerbe- und Industriebetriebe bei Interesse anzusiedeln. Es wäre keinem bäuerlichen Grundeigentümer im Umkreis der jetzt schon bestehenden Schottergewinnungsanlage zu verargen, wenn er bei entsprechendem Preisgefüge Verkaufsbereitschaft zeigen würde.

Es werde daher in einem Flächenwidmungsplanänderungsverfahren oder einem naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren zu einer Interessenabwägung zwischen den Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes und Landschaftscharakters und den öffentlichen Interessen bzw. regionalwirtschaftlichen Interessen kommen müssen. Sollte diese Interessenabwägung zugunsten der Ökonomie bzw. der Ansiedlung des Gewerbebetriebes auf dem Industriestandort erfolgen, so könne hinsichtlich der Anlagengestaltung festgestellt werden, daß das Bemühen um eine bestmögliche Milderung des Eingriffes durch Gestaltungsmaßnahmen vorhanden sei, dieses Bemühen aber ebenfalls zeige, daß der Eingriff in den dortigen Landschaftsraum für jedermann erkennbar sei.

Die Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion, Fachabteilung Landes-, Regional- und Ortsplanung empfahl die Versagung der Flächenwidmungsplanänderung. Dies wird im wesentlichen mit einem Widerspruch zu § 23 Abs. 12 ROG begründet. Eine Einwendung der zuständigen Rechtsabteilung betreffend eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes liege vor. Diese Einwendung sei (gemeint: bei Beschlußfassung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes seitens des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde) nicht berücksichtigt worden. Die Begründung hiefür erschöpfe sich in der Angabe, daß es für die Gemeinde aus wirtschaftlichen Überlegungen notwendig sei, daß Betriebe auf eigenem Gemeindegebiet errichtet würden, um den ständigen Abwanderungen und dem "Pendlertum" entgegenzuwirken. Dazu sei anzumerken, daß die Ausweisung mit einer Befristung bis 31. Dezember 2000 beschlossen werde und aufgrund dieser Fristsetzung nicht von der Schaffung von Dauerarbeitsplätzen ausgegangen werden könne. Die gegenständliche Bauausweisung widerspreche überdies dem § 3 Abs. 12 ROG, wobei hinsichtlich der Begründung auf die Einwendung der für Naturschutz zuständigen Rechtsabteilung verwiesen wurde.

Die belangte Behörde teilte ihre Absicht, der Änderung des Flächenwidmungsplanes Nr. 1.04 die Genehmigung zu versagen, mit Schreiben vom 11. Juni 1991 der beschwerdeführenden Gemeinde mit und gab ihr Gelegenheit, dazu innerhalb von vier Wochen Stellung zu nehmen. Es wurde in diesem Vorhalt u.a. auf die Stellungnahme der für Naturschutzangelegenheiten zuständigen Rechtsabteilung hingewiesen und ausgeführt, daß in der Behandlung der Einwendungen durch den Gemeinderat auf die dezentrale Lage und die inmitten eines Landschaftsschutzgebietes gegebene Beeinträchtigung in keiner Weise eingegangen worden sei. Es bestehe daher ein Widerspruch zu § 3 Abs. 12 und § 23 Abs. 1 Z. 4 ROG 1974.

In der vom Gemeinderat hiezu erstatteten Stellungnahme wird unter Bezugnahme auf den Vorhalt und die Bestimmungen des § 3 Abs. 6 und 12 ROG 1974 darauf hingewiesen, daß die beschwerdeführende Gemeinde ursprünglich die Absicht gehabt habe, eine Fläche von 8,5 ha als Sondernutzung im Freiland für die Schottergewinnung (Naßbaggerung) auszuweisen. Hiezu habe die Rechtsabteilung 6 der belangten Behörde in einer Stellungnahme vom 11. April 1990 ausgeführt, daß durch diese Ausweisung vegetationskundlich, floristisch und geomorphologisch erhaltenswerte Bereiche, insbesondere Irisstreuwiesen, betroffen würden. Weiters wurde in dieser Stellungnahme zur geplanten Ausweisung eines Industrie- und Gewerbegebietes II ausgeführt, daß diese Ausweisung zu einer nachhaltigen Störung des Landschaftscharakters und Landschaftsbildes in Form einer industriellen und gewerblichen Zersiedelung führen würde und ein Konfliktstoff zwischen Nachfolgenutzung, Landschaft "See" und Industrie und Gewerbe damit programmiert wäre. Diesen Einwendungen sei von der Gemeinde insoweit Rechnung getragen worden, als die ursprünglich vorgesehene Schotternutzung von 8,5 ha auf 5,5 ha reduziert worden und sowohl für die Ausweisung als auch Sondernutzung, als auch für die Ausweisung des Industrie- und Gewerbegebietes II eine Befristung bis 31. Dezember 2000 vorgesehen worden sei. In einer weiteren Stellungnahme der Rechtsabteilung 6 vom 10. Jänner 1991 sei die Ausweisung als Sondernutzung akzeptiert worden. Hinsichtlich der Gewerbe- und Industriegebietsausweisung werde nach wie vor ausgeführt, daß diese aus fachlicher Sicht des Landschaftsschutzes mit dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes nicht vereinbar sei, wobei von einer Befristung zur Erzeugung von Fertigbeton auf 15 Jahre ausgegangen werde. Dem sei zunächst entgegenzuhalten, daß nunmehr eine Befristung von zehn Jahren mit nachfolgender Rekultivierung des Betriebsareals vorgesehen sei. Dadurch sei der Einwendung der Rechtsabteilung 6 insoweit Rechnung getragen, als die Ausweisung als Industrie- und Gewerbegebiet II nur für den unbedingt notwendigen Zeitraum erfolgt sei. Durch die Befristung bis 31. Dezember 2000 sei auch sichergestellt, daß nach diesem Zeitpunkt eine Rekultivierung gemäß dem vorgelegten Rekultivierungsplan erfolge. Hierauf werde die Baubehörde in einem Baubewilligungsverfahren Bedacht nehmen und die Baubewilligung gemäß § 62 Abs. 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 zeitlich beschränken. Überdies sei eine Interessenabwägung dahin vorzunehmen, ob der Eingriff in eine Landschaft befristet bis 31. Dezember 2000 derart schwerwiegend sei, daß eine Versagung gerechtfertigt wäre. In der Stellungnahme der Rechtsabteilung 6 werde ausgeführt, daß derzeit bereits landschaftliche Eingriffe in Form technischer Infrastrukturleitlinien, wie Hochspannungsleitungen, Straßenbau, Flußwasserbau und Intensivierung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung vorlägen. Dem sei noch hinzuzufügen, daß sich in einer Entfernung von ca. 200 m vom geplanten Industriegebiet ein Bauernhof befinde, der ebenfalls einen Eingriff in das Landschaftsgebiet darstelle. Zwei weitere Bauernhöfe befänden sich in einer Entfernung von etwa 300 m. Der Transport des gewonnenen Schotters zu einer anderen Verarbeitungsstelle sei wirtschaftlich und ökologisch unvertretbar. Die Gemeinde habe 270 Auspendler gemeldet. Im Gemeindebereich selbst seien derzeit außerhalb öffentlicher Einrichtungen ca. 40 Dienstnehmer beschäftigt. Durch die Errichtung der Fertigbetonanlage würden nach Mitteilung des interessierten Unternehmens mindestens zehn Arbeitnehmer mehr beschäftigt werden. Dies bedeute, daß 25 vH mehr Arbeitsplätze für Dienstnehmer im eigenen Gemeindegebiet zur Verfügung stehen würden. Die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe habe stark ab-, die der Nebenerwerbsbetriebe in etwa demselben Ausmaß zugenommen. Hieraus sei die Freisetzung von Arbeitskräften ersichtlich, die ohne entsprechende Vorsorge in der Gemeinde nicht beschäftigt werden könnten, weshalb es ein vordringliches Anliegen sei, im Sinne des § 3 Abs. 6 ROG 1974 für die Bevölkerung günstige Arbeitsbedingungen zu sichern. Überdies würde sich durch den Betriebsstandort die finanzielle Lage der Gemeinde wesentlich verbessern. Hinsichtlich der dezentralen Lage und der inmitten eines Landschaftsschutzgebietes gegebenen Beeinträchtigung sei darauf zu verweisen, daß eine Ausweisung von Industrie- und Gewerbegebiet II in Nähe von Wohngebieten nicht zulässig erscheine und demgemäß nur eine dezentrale Einzelausweisung in Frage komme.

Gemäß Art. 119a Abs. 8 B-VG dürfe für die Versagung der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertige. Eine Versagung sei hier deshalb nicht gerechtfertigt, da überörtliche Interessen nicht eindeutig vorlägen und andererseits gewichtige Interessen der Gemeinde und der dort ansässigen Bevölkerung "dem" (gemeint offenbar: der Versagung) entgegenstünden.

Mit dem nunmehr wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Oktober 1991 wurde "die Änderung Punkt 1.04 des Flächenwidmungsplanes" der beschwerdeführenden Gemeinde "in der am 6. März 1991 vom Gemeinderat beschlossenen Fassung versagt".

In der Begründung dieses Bescheides werden im wesentlichen die der Gemeinde bereits mit Schreiben vom 11. Juni 1991 eröffneten Versagungsgründe wiederholt.

Die belangte Behörde hat zur vorliegenden Beschwerde der Gemeinde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 15/1989, ist Raumordnung im Sinne dieses Gesetzes die planmäßige, vorausschauende Gestaltung eines Gebietes, um die nachhaltige und bestmögliche Nutzung und Sicherung des Lebensraumes im Interesse des Gemeinwohles zu gewährleisten. Dabei ist, ausgehend von den gegebenen Strukturverhältnissen, auf die natürlichen Gegebenheiten, auf die Erfordernisse des Umweltschutzes sowie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung und die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft Bedacht zu nehmen.

§ 3 ("Raumordnungsgrundsätze") ROG 1974 lautet auszugsweise:

"(3) Raumbedeutsame Maßnahmen sind alle Vorhaben im Gebiet des Landes, für deren Verwirklichung Grund und Boden im größeren Umfang benötigt werden oder durch die - auch wenn Grund und Boden nicht beansprucht werden - die räumliche Struktur, die Entwicklung des Raumes oder das Landschaftsbild wesentlich beeinflußt werden.

(4) ...

(5) ...

(6) Ausgewogene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse, die der Bevölkerung günstige Lebens- und Arbeitsbedingungen sichern, sind in Übereinstimmung der Bevölkerungszahl mit der räumlichen Tragfähigkeit eines Gebietes anzustreben.

...

(12) Auf eine dem Wohl der Bevölkerung dienende Ordnung der Landschaft durch deren Gestaltung, Erhaltung und Pflege sowie auf den Schutz vor Beeinträchtigungen ist Bedacht zu nehmen. Insbesondere gilt dies für Gebiete, die als Landschaftstypus oder als Kulturlandschaft charakteristisch sind. Eine Zersiedelung der Landschaft ist zu vermeiden."

Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz ROG 1974 darf der Flächenwidmungsplan den Gesetzen und Verordnungen des Bundes und des Landes, insbesondere den Raumordnungsgrundsätzen und den Entwicklungsprogrammen des Landes sowie dem örtlichen Entwicklungskonzept (§ 21) nicht widersprechen.

Gemäß § 22 Abs. 4 leg. cit. können für verschiedene übereinanderliegende Ebenen desselben Planungsgebietes verschiedene Nutzungen und Baugebiete, soweit es zweckmäßig ist, auch verschiedene zeitlich aufeinanderfolgende Nutzungen und Baugebiete für ein und dieselbe Fläche festgelegt werden.

Gemäß § 31 Abs. 1 ROG 1974 gilt für das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes - ausgenommen dort näher bezeichnete, hier nicht vorliegende Ausnahmen - die Bestimmungen des § 29 sinngemäß.

Gemäß § 29 Abs. 8 ROG 1974 hat die Landesregierung über die Genehmigung des Flächenwidmungsplanes nach Prüfung der vorgebrachten Einwendungen mit Bescheid zu entscheiden. Nach Abs. 9 leg. cit. ist die Genehmigung zu versagen, wenn (lit. a) der Flächenwidmungsplan landesgesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Bestimmungen dieses Gesetzes, wie den darin enthaltenen Raumordnungsgrundsätzen widerspricht.

Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Beschwerde aus, daß die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Genehmigungsverfahren, aber auch den Befund der "Fachstelle Naturschutz" über bereits vorliegende Eingriffe in das Landschaftsbild nicht entsprechend berücksichtigt habe. Auch habe sich der angefochtene Bescheid zu Unrecht auf die Einwendungen dieser Fachstelle vom 10. Jänner 1991 gestützt, da diese von einer befristeten Ausweisung der Grundparzelle als Industrie- und Gewerbegebiet II (Aufschließungsgebiet) in der Dauer von 15 Jahren ausgehe, während die Befristung tatsächlich nur bis 31. Dezember 2000 vorgesehen sei. Dem Vorwurf der mangelhaften Behandlung der Einwendungen hält die Beschwerdeführerin schließlich entgegen, sie habe im aufsichtsbehördlichen Verfahren eingehend dargelegt, daß eine Interessenabwägung zwischen den Raumordnungsgrundsätzen des § 3 Abs. 12 und jenen des § 3 Abs. 6 ROG 1974 zugunsten letzterer Bestimmung auffallen müsse: Ein vermehrtes Pendlertum widerspreche nämlich dem zuletzt genannten Grundsatz ausgewogener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse.

Es kann im Beschwerdefall auf sich beruhen, ob § 29 Abs. 5 zweiter Satz ROG, wonach Einwendungen gegen den Flächenwidmungsplan "vom Gemeinderat zu beraten und in Abwägung mit den örtlichen Raumordnungsinteressen nach Möglichkeit zu berücksichtigen" sind, von der beschwerdeführenden Gemeinde verletzt wurde, worauf die Begründung des angefochtenen Bescheides hinauszulaufen scheint. Schon die von der beschwerdeführenden Gemeinde dargelegte Abwägung zwischen den Raumordnungsgrundsätzen des § 3 Abs. 12 ROG (Landschaftsschutz, Vermeidung der Zersiedelung) und des § 3 Abs. 6 ROG (wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, hier: Bekämpfung des Pendlertums) erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nicht zutreffend: Auf der einen Seite geht es im Beschwerdefall nämlich nicht nur um die Erhaltung einer Kulturlandschaft, sondern um Eingriffe in ein Landschaftsschutzgebiet. Wie aus der Stellungnahme der für Naturschutzangelegenheiten zuständigen Rechtsabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung hervorgeht, ist trotz verschiedener (infrastrukturell bedingter) Eingriffe angesichts des großräumigen Erscheinungsbildes des Ennstalbodens die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung dieses Landschaftsraumes als erste und oberste Gestaltungsmaxime heranzuziehen. Dem ist die beschwerdeführende Gemeinde weder in der Behandlung dieser Einwendungen noch im aufsichtsbehördlichen Verfahren entgegengetreten.

Demgegenüber fällt die Schaffung von (nur) zehn Arbeitsplätzen (von denen die Gemeinde im Zuge des Planerstellungsverfahrens auch nicht festgestellt hat, daß es sich um qualitativ hochwertige Arbeitsplätze handeln würde) bei einer Gesamtzahl von rund 270 Auspendlern nicht in einem solchen Ausmaß ins Gewicht, welches einen derartigen Eingriff in ein Landschaftsschutzgebiet rechtfertigen könnte. Darüberhinaus ist zu berücksichtigen, daß von der beschwerdeführenden Gemeinde eine sogenannte "Inselwidmung" beabsichtigt ist, die überdies der im Sinne des § 3 Abs. 12 Schlußsatz ROG anzustrebenden Vermeidung einer Landschaftszersiedelung widerspräche, zumal gemäß § 23 Abs. 5 lit. e ROG in solchen Gebieten nicht nur die entsprechenden Betriebe und Anlagen, sondern auch die erforderlichen Wohnungen, sowie Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden dürften.

Wenn die beschwerdeführende Gemeinde immer wieder auf die Befristung der beabsichtigten industriell-gewerblichen Nutzung bis 31. Dezember 2000 hinweist, so übersieht sie, daß dieses von ihr angestrebte Ziel mit dem Mittel der befristeten Ausweisung nicht erreicht werden kann, weil gemäß § 62 Abs. 4 der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 149/1968 in der derzeit geltenden Fassung die Baubehörde die Baubewilligung für Bauten nur dann zeitlich befristen darf, wenn es sich um Bauten vorübergehenden Bestandes handelt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 89/06/0124 (mit näheren Hinweisen) ausgeführt hat, sind darunter Bauten zu verstehen, deren vorübergehender Bestand sich aus der engen zeitlichen Begrenztheit des Zweckes ergibt, zu welchem sie (ausschließlich) errichtet werden und die sich (demzufolge) in ihrer Ausgestaltung von anderen Bauwerken, die auf Dauer errichtet sind, unterscheiden und darin den vorübergehenden Zweck ihrer Errichtung widerspiegeln. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zitierten Erkenntnis das Zutreffen dieser Voraussetzungen auf ein bis zum Jahre 2002 befristetes Faßlager verneint. Gleiches gilt aber auch für die hier beabsichtigte Errichtung eines Schotterwerkes, sodaß bei (bloß) BEFRISTETER Ausweisung der Fläche als Industrie- und Gewerbegebiet II eine Baubewilligung für ein Schotterwerk gar nicht erteilt werden dürfte. Die belangte Behörde hat daher der beabsichtigten Ausweisung als Bauland-Industrie- und Gewerbegebiet II (Aufschließungsgebiet) im Ergebnis zu Recht die Genehmigung versagt.

Hinsichtlich der Ausweisung einer Sondernutzung im Freiland für (weitere) Schottergewinnung - Naßbaggerung - übersieht die beschwerdeführende Gemeinde, daß die Schottergewinnung keine landwirtschaftliche Nutzung darstellt und es daher nicht zutrifft - wie in der Beschwerde behauptet wird - daß dagegen keine fachlichen oder rechtlichen Bedenken bestünden, zieht man die Einwendungen der Fachabteilung für Naturschutz in Betracht. Auch wird in der im aufsichtsbehördlichen Verfahren erstatteten Stellungnahme des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 19. Juli 1991 selbst ausgeführt, daß ein Schottertransport zu einer anderen Verarbeitungsstelle wirtschaftlich und ökologisch unvertretbar wäre, da durch die "vielfachen Mehrfahrten eine erhebliche Mehrbelastung für die Umwelt eintreten würde".

Damit geht die beschwerdeführende Gemeinde aber selbst von einem einheitlichen Planungswillen hinsichtlich aller von der geplanten Widmung betroffenen Grundparzellen aus, der eine Teilung (und daher auch eine teilweise Genehmigung) des Plans von vornherein nicht zuläßt, sodaß die Frage auf sich beruhen kann, ob nach § 29 Abs. 8 und 9 ROG eine Teilgenehmigung eines Flächenwidmungsplans überhaupt in Betracht kommt.

Da die beschwerdeführende Gemeinde durch den angefochtenen Bescheid somit in ihren Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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