VwGH 91/05/0224

VwGH91/05/022428.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der MK in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Oktober 1991, Zl. MD-Vfr-B III-12/91, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: K-GmbH und Co KG in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134;
BauO Wr §71;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §8;
BauO Wr §134;
BauO Wr §71;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Oktober 1991 wurde der von der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Liegenschaft Wien, X-Str 42, eingebrachte Antrag, verschiedene, die Nachbarliegenschaft betreffende, gemäß § 71 der Bauordnung für Wien auf jederzeitigen Widerruf erteilte Baubewilligungen zu widerrufen, "gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen".

Die Berufungsbehörde wies in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß auf der Nachbarliegenschaft der Beschwerdeführerin mit Zustimmung der betroffenen Anrainer gemäß § 71 der Bauordnung für Wien Bauten bewilligt worden seien. In dem von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Überprüfungsverfahren seien keine sachlichen Widerrufsgründe, die durch die Bestimmungen der Bauordnung gedeckt wären, hervorgekommen. Den Nachbarn stünde kein Rechtsanspruch auf Widerruf der Baubewilligungen zu. Da die Bescheide rechtskräftig seien und einer Berufung nicht mehr unterliegen, sei das Anbringen, da kein Anlaß zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgelegen sei, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist von der Beantwortung der Frage abhängig, ob der Nachbar im Verfahren über den Widerruf einer mit dem Widerrufsvorbehalt im Sinne des § 71 der Bauordnung für Wien erteilten Baubewilligung Parteistellung genießt, ob also die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf eine Sachentscheidung über ihren Antrag besessen hat.

Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermögen eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Diese gesetzliche Regelung hat nur die Feststellung zum Inhalt, welche Rechtsstellung durch die Verwaltungsvorschriften den im Verfahren auftretenden Personen eingeräumt werden muß, damit diesen die Eigenschaft einer Partei oder eines Beteiligten zukommt. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, an Hand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muß vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden; auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechtes muß sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden (vgl. das h. g. Erkenntnis vom 1. April 1960, Slg. N.F. Nr. 5258/A).

Weder aus § 71 der Bauordnung für Wien noch aus dem die Parteistellung im Verfahren nach diesem Gesetz regelnden § 134 leg. cit. läßt sich ableiten, daß der Nachbar das Recht besäße, einen Antrag auf Widerruf einer mit dem Widerrufsvorbehalt gemäß § 71 leg. cit. erteilten Baubewilligung zu stellen, über welchen die Behörde meritorisch zu entscheiden hat. (Die Bestimmung des § 101 Abs. 3 leg. cit., die ausnahmsweise ein solches Recht ausdrücklich einräumt, war hier nicht anzuwenden). Auch die Beschwerdeführerin geht in der Beschwerde ausdrücklich davon aus, daß keine der beiden gesetzlichen Regelungen eine "Bestimmung darüber enthält, wer in einem Widerrufsverfahren Parteistellung hat", meint allerdings, aus dem letzten Satz des § 71 der Bauordnung für Wien ergäbe sich, daß subjektiv- öffentliche Rechte durch die Ausnahmegenehmigung nicht berührt werden dürfen, weshalb wesentlich sei, daß eine nach § 71 leg. cit. bewilligte Abweichung von den Bebauungsvorschriften nicht zulässig sei, wenn subjektiv- öffentliche Nachbarrechte dadurch berührt werden. Ferner lasse sich aus § 134 Abs. 3 leg. cit. ableiten, daß Anrainer im Baubewilligungsverfahren immer dann Parteistellung haben, wenn die in der Bauordnung festgelegten subjektiv- öffentlichen Rechte berührt werden. Dazu würden auch jene Bestimmungen gehören, die dem Schutz der Nachbarn dienen, also insbesondere jene, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen zum Inhalt haben, welche sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können.

Mit diesen Erwägungen vermag die Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, weil die Vorschriften des § 71 der Bauordnung für Wien, wonach der Bewilligung (u.a. auf Widerruf) durch dieses Gesetz gegebene subjektiv- öffentliche Rechte nicht entgegenstehen dürfen, ausdrücklich nur für die Erteilung der widerruflichen Bewilligung, aber nicht für das Verfahren über deren Widerruf gelten. Auch die Regelungen des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien, auf die die Beschwerdeführerin mit dem wiedergegebenen Beschwerdevorbringen Bezug nimmt, haben nur die Frage der Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zum Gegenstand.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin läßt sich auch daraus, daß durch das gemäß § 71 der Bauordnung für Wien auf Widerruf bewilligte Bauwerk subjektiv- öffentliche Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden, in Ermangelung diesbezüglicher gesetzlicher Anhaltspunkte nicht ableiten, daß dem Nachbarn in diesem Falle ein Anspruch auf Widerruf einer derartigen Baubewilligung zusteht. Im übrigen ist im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidend, daß bei der Erteilung der Baubewilligung auf Widerruf nach der damals geltenden Rechtslage nicht nur subjektiv- öffentliche Rechte, sondern auch Privatrechte nicht verletzt werden durften, weil sich aus der für die Erteilung der Baubewilligung auf Widerruf gegoltenen anderslautenden Rechtslage nicht ableiten läßt, daß die Beschwerdeführerin im Verfahren über den Widerruf einer solchen Baubewilligung Parteistellung genießt. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der Widerruf einer auf Widerruf erteilten Baubewilligung nur aus Gründen des öffentlichen Interesses erfolgen darf.

Die belangte Behörde hat das Ansuchen der Beschwerdeführerin sohin mit Recht zurückgewiesen, weshalb in Ermangelung eines Anspruches der Beschwerdeführerin auf eine Sachentscheidung auch nicht untersucht zu werden braucht, ob die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel vorliegen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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