VwGH 91/04/0285

VwGH91/04/028525.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des Mag. F in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. August 1991, Zl. MA 63-S 64/90/Str., betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §367 Z26;
GewO 1973 §74;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1;
VStG §1 Abs1 idF 1987/516 ;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1 idF 1987/516 ;
VStG §5 Abs1 idF 1987/516;
VStG §9 Abs2;
VwRallg;
GewO 1973 §367 Z26;
GewO 1973 §74;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1;
VStG §1 Abs1 idF 1987/516 ;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1 idF 1987/516 ;
VStG §5 Abs1 idF 1987/516;
VStG §9 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. August 1991 - dessen Punkte 1 und 3 nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind - wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsrechtszug schuldig erkannt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der X-Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß in der Betriebsanlage dieser Gesellschaft m.b.H. in W, R-Gasse, am 17. Jänner 1990, die in den Punkten 27 und 57 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 17. August 1987 gemäß § 77 GewO 1973 vorgeschriebenen Auflagen insofern nicht eingehalten worden seien, als (2.) entgegen der Auflage in Punkt 27, wonach Hauptverkehrswege, Ausgänge und Fluchtwege nicht eingeengt oder verstellt werden dürfen, der Hauptverkehrsweg nach dem Eingang durch Lagerungen von Kaffee und im Bereich vor den Kassen durch Lagern von Schüttkisten auf weniger als 1,8 m eingeengt gewesen sei und (4.) entgegen der Auflage in Punkt 57, wonach das Tor für die Milchanlieferung derart ausgeführt werden muß, daß ein geräuscharmes Öffnen und Schließen gewährleistet ist (z.B. durch Gummidichtung im Türfalz), die an dem Tor für die Milchanlieferung vorgefundene Gummidichtung diesen Anforderungen insofern nicht entsprochen habe, als der Gehflügel dieses Tores durch einen daran befestigten Selbstschließer auf den Falz des Stehflügels schlage, der über keine Dichtung verfüge und darüber hinaus selbst scheppere, wodurch das Tor laut zuschlage. Der Beschwerdeführer habe dadurch (zu 2.) die Rechtsvorschrift des § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 27 des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 17. August 1987 und (zu 4.) die Rechtsvorschrift des § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 57 des zitierten Betriebsanlagengenehmigungsbescheides verletzt. Gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1973 wurden über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag) verhängt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, aus der Formulierung der Auflage Punkt 27 ergebe sich, daß jegliche Einengung von Hauptverkehrswegen verboten sei. Es sei somit nicht zu prüfen gewesen, welche Breite des gegenständlichen Hauptverkehrsweges neben den Lagerungen zur Tatzeit noch verblieben sei. Entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers sei in Punkt 4 des Schuldspruches durch die Unterlassung der Durchführung eines Augenscheines und durch die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens kein Verfahrensmangel bewirkt worden, weil die verfahrensursächliche Anzeige über die Nichteinhaltung von Bescheidauflagen auf einem am 17. Jänner 1990 in der Betriebsanlage von einem Amtsorgan der Abteilung für technische Gewerbeangelegenheiten und Feuerpolizei vorgenommenen Ortsaugenschein beruhe. Zufolge des Erhebungsberichtes dieses Amtssachverständigen schlage das Tor der Milchanlieferungen laut zu. Durch den am Gehflügel befestigten Selbstschließer schlage dieser auf den Falz des Stehflügels, der über keine Dichtung verfüge und darüber hinaus selbst scheppere. Es bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der unter der Wahrheitsverpflichtung des Dienstgelöbnisses getroffenen Feststellungen des Amtssachverständigen zu zweifeln, und daher auch kein Anlaß, neuerlich einen Ortsaugenschein durchzuführen und einen privaten Sachverständigen beizuziehen. Aus dem Wortlaut der Auflage Punkt 27 ergebe sich, daß nur eine solche Gummidichtung im Türfalz die Einhaltung der Auflage zur Folge habe, welche ein geräuscharmes Öffnen und Schließen des Tores für die Milchlieferung gewährleistet. Wie der Amtssachverständige festgestellt habe, entspreche die vorhandene Gummidichtung am Tor der Milchanlieferung deshalb nicht der Auflage, da der Gehflügel durch den daran befestigten Selbstschließer auf den Falz des Stehflügels schlage, welcher Falz über keine Dichtung verfüge. Die Gummidichtung in der vom Amtssachverständigen festgestellten Anbringungsart habe somit nicht die Einhaltung der in Punkt 57 des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vorgeschriebenen Auflage zur Folge gehabt, da nach Überprüfung des Amtssachverständigen das Tor der Milchanlieferung durch die beschriebene mangelhafte Ausführung der Gummidichtung laut zuschlage. Aus dem Erhebungsbericht des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 36 ergebe sich somit, daß das laute Schließen des Tores für die Milchanlieferung auf eine mangelhafte Ausführung der Gummidichtung und nicht auf eine mißbräuchliche Benützung des Tores durch Dritte zurückzuführen sei. Der Tatvorwurf in Punkt 4, wonach durch die Ausführung der Gummidichtung ein geräuscharmes Öffnen und Schließen des Tores zur Milchanlieferung nicht gewährleistet gewesen sei, genüge auch dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit.a VStG 1950.

Soferne es der Betriebsumfang eines Unternehmens nicht mehr zulasse, daß sich ein Unternehmer sämtlicher Belange und Aufgaben selbst persönlich annehme und offenbar auch nicht mehr sämtlichen Überwachungsaufgaben nachkommen könne, um die Einhaltung der beim Betrieb zu beachtenden Vorschriften sicherzustellen, müsse er zumindest angemessene Kontrolleinrichtungen schaffen, von denen er mit gutem Grund annehmen könne, daß sie unter den voraussehbaren Verhältnissen Verwaltungsübertretungen wirksam verhindern würden (vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1986, Zl. 85/09/0037, und vom 26. Mai 1986, Zlen. 86/08/0024, 0025). Eine Vorwerfbarkeit des dem Beschwerdeführer angelasteten strafbaren Verhaltens läge demnach nur dann nicht vor, wenn von ihm geeignete und zumutbare Kontrollmaßnahmen ergriffen worden wären, um die Einhaltung der Bescheidauflagen in der gegenständlichen Filiale sicherzustellen. Die vom Beschwerdeführer dargelegte bloße Delegation der Veranlassung der Einhaltung der Bescheidauflagen in der gegenständlichen Filiale an den Leiter der Bauabteilung und an den Leiter der gegenständlichen Filiale bilde daher keinen Schuldausschließungsgrund. Dies deshalb, weil der Berufungswerber es unterlassen habe, im einzelnen anzugeben, auf welche Art, in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Abständen er selbst Kontrollen bezüglich der Einhaltung der Bescheidauflagen durchgeführt habe (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1988,

Zlen. 88/08/0201, 0202 und die dort angefühte Vorjudikatur). Nach § 5 Abs. 2 erster Satz VStG 1950 bestehe in Verbindung mit § 45 Abs. 1 VStG 1950 bei Ungehorsamsdelikten die Rechtsvermutung für das Verschulden des Täters. Es sei daher Sache des Beschuldigten initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spreche. Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 VStG 1950 hätte daher erfordert, daß der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht hätte, die gegenständlichen Nichteinhaltungen von Bescheidauflagen seien erfolgt, obwohl er alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung dieser Auflagen getroffen habe. Der Beschwerdeführer habe jedoch mangels Darlegung seiner eigenen höchstpersönlichen Kontrollen kein taugliches und damit kein schuldausschließendes Überwachungssystem glaubhaft gemacht. Seine Bestrafung wegen der in den Punkten 2 und 4 des Schuldspruches umschriebenen Verwaltungsübertretungen sei daher zu Recht erfolgt:

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden.

Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, im Rahmen der Prüfung des Verschuldens komme die belangte Behörde zu dem Schluß, daß, sofern es der Betriebsumfang eines Unternehmens nicht mehr zulasse, daß sich ein Unternehmer sämtlicher Belange und Aufgaben selbst persönlich annehme und offenbar auch nicht mehr sämtlichen Überwachungsaufgaben nachkommen könne, der Unternehmer die Kontrolle der beim Betrieb zu beachtenden Vorschriften delegieren könne; er müsse allerdings angemessene Kontrolleinrichtungen schaffen, von denen er mit gutem Grund annehmen könne, daß sie unter voraussehbaren Verhältnissen Verwaltungsübertretungen wirksam verhindern; eine Vorwerfbarkeit des angelasteten strafbaren Verhaltens liege nach Ansicht der belangten Behörde nur dann nicht vor, wenn vom Beschwerdeführer geeignete und zumutbare Kontrollmaßnahmen ergriffen worden wären, um die Einhaltung der Bescheidauflagen sicherzustellen; eine bloße Delegation der Veranlassung der Einhaltung der Bescheidauflagen, wie im vorliegenden Fall, genüge vor allem deshalb nicht, weil es der Beschwerdeführer unterlassen hätte, anzugeben, auf welche Art, in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Abständen er Kontrollen bezüglich der Einhaltung der Bescheidauflagen durchführe; es sei daher auf Grund der bei Ungehorsam-Delikten im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Rechtsvermutung für das Verschulden des Täters Sache des Beschwerdeführers, alles darzulegen, was für seine Entlastung spreche; da er dies unterlassen habe, wäre eine Vorwerfbarkeit des ihm angelasteten strafbaren Verhaltens gegeben.

Dabei übersehe die belangte Behörde aber, daß nicht sämtliche Entlastungsbeweise allein dem Beschwerdeführer auferlegt werden können, sondern die Verwaltungsbehörden von Amts wegen zur Ermittlung der materiellen Wahrheit verpflichtet seien. Sobald im Verwaltungsverfahren die Delegation der Überwachung der Einhaltung der Bescheidauflagen vom Beschwerdeführer dargelegt worden sei, hätte die belangte Behörde von Amts wegen nähere Informationen über die Art der Delegation und die getroffenen Kontrollmaßnahmen einholen müssen. Jedenfalls entspreche die Begründung, die die belangte Behörde für das Vorliegen der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers abgebe, nicht dem dem Verwaltungsrecht und somit auch dem Verwaltungsstrafrecht immanenten Gebot der materiellen Wahrheitsfindung. Im übrigen handle es sich bei der Rechtsvermutung für das Verschulden des Täters bei Ungehorsams-Delikten, wie der Name bereits sage, um eine Vermutung, die schon begrifflich nur dann Platz greifen könne, wenn überhaupt keine entgegenstehenden Tatsachen amtsbekannt seien. Keinesfalls vermöge diese Vermutung aber jegliche Pflicht der Sachverhaltsfeststellung und somit jegliche Begründungspflicht der Behörde zu ersetzen. Aus diesen Gründen sei daher der angefochtene Bescheid, was die in ihm angeführte Begründung für die Vorwerfbarkeit des angelasteten strafbaren Verhaltens anlange, inhaltlich rechtswidrig.

Im angefochtenen Bescheid habe die belangte Behörde ausgeführt, daß das Berufungsvorbringen zu Punkt 2 des Schuldspruches, wonach konkret hätte festgestellt werden müssen, auf welche Breite der Hauptverkehrsweg nach dem Eingang eingeengt gewesen sei und die bloße Behauptung der Einengung dieses Verkehrsweges auf eine Breite unter 1,8 m zu wenig bestimmt sei, nicht geeignet sei, zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zu führen; dem sei nämlich der Wortlaut der Auflage in Punkt 27 des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides entgegenzuhalten, wonach Hauptverkehrswege, Ausgänge und Fluchtwege nicht eingeengt oder verstellt werden dürfen; aus der Formulierung dieser Auflage ergebe sich, daß jegliche Einengung von Hauptverkehrswegen verboten sei; die Erstinstanz habe somit nicht überprüfen müssen, welche Breite des gegenständlichen Hauptverkehrsweges neben den Lagerungen zur Tatzeit noch verblieben gewesen sei.

Dieser Ansicht der belangten Behörde sei entgegenzutreten, da Art und Ausmaß einer Übertretung selbstverständlich so konkretisiert werden müssen, daß eine Überprüfung jederzeit gegeben sei. Aus dem gesamten Akteninhalt gehe weder hervor, "wie groß" diese Übertretung gewesen sei, noch wie diese Übertretung festgestellt worden sei. Nach dem bekannten Akteninhalt könnte es nämlich durchaus sein, daß es sich lediglich um eine Einengung im Bereich von ein bis zwei Zentimetern handle, woraus wohl keine vorwerfbare Nichteinhaltung der Auflage des Punktes 27 des genannten Betriebsanlagengenehmigungsbescheides abzuleiten wäre. Auch in anderen Rechtsbereichen habe sich die Meinung durchgesetzt, daß Verstöße konkret glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt werden müßten, um daraus auf eine strafrechtliche Verantwortlichkeit schließen zu können. So genüge es zum Beispiel im Bereich der Straßenverkehrsordnung nicht, bloß eine Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu behaupten, diese Behauptung müsse ziffernmäßig konkretisiert werden, wobei allerdings eine Mindestangabe durchaus genüge. Da aber im vorliegenden Fall außer der Einengung überhaupt keine konkreten Feststellungen getroffen worden seien und weder erkennbar sei, wie groß das Ausmaß der Einengung gewesen sei, noch, wie die Einengung festgestellt worden sei, könne aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens weder mit Sicherheit auf eine Verletzung der Auflage des Punktes 27 des genannten Betriebsanlagengenehmigungsbescheides geschlossen werden, noch über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine eventuelle Auflagenverletzung und über ein eventuelles Verschuldensausmaß entschieden werden. Da das Straferkenntnis erster Instanz anhand der Ergebnisse des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens nicht überprüfbar sei, hätte die belangte Behörde das Straferkenntnis erster Instanz in seinem Punkt 2 aufheben müssen und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt einstellen müssen.

Zu Punkt 4 des Schuldspruches habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß die verfahrensursächliche Anzeige über die Nichteinhaltung von Bescheidauflagen auf einem am 17. Jänner 1990 in der Betriebsanlage vom Amtssachverständigen, einem Organ der Magistratsabteilung 36, technische Gewerbeangelegenheiten und Feuerpolizei, vorgenommenen Ortsaugenschein beruhe. Infolge dieses Erhebungsberichtes schlage das Tor der Milchanlieferung laut zu; durch den am Gehflügel befestigten Selbstschließer schlage dieser auf den Falz des Stehflügels, der über keine Dichtung verfüge und darüberhinaus selbst scheppere; die belangte Behörde habe keinen Anlaß, an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen des Amtssachverständigen zu zweifeln, dies umso mehr, als die inkriminierte Bescheidauflage in Punkt 57 laute, das Tor für die Milchanlieferung habe derart ausgeführt zu werden, daß ein geräuscharmes Öffnen und Schließen gewährleistet sei (z.B. durch Gummidichtung im Türfalz); es sei daher durch die Unterlassung der Durchführung des im erstinstanzlichen Verfahren beantragten Augenscheines und die Unterlassung der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens kein Verfahrensmangel gegeben.

Dem sei entgegenzuhalten, daß im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren wesentliche Feststellungen, die für die Konkretisierung der Verwaltungsübertretung erforderlich seien, unterlassen worden seien. Insbesondere sei nicht festgestellt worden, was unter dem Begriff "geräuscharm" im Punkt 57 des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides zu verstehen sei. Weiters lasse sich den Akten des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens nicht entnehmen, wie laut die Tür der Milchanlieferung zuschlage. Darüberhinaus habe sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen, demzufolge die eingebaute Tür der ÖNORM entspreche und mit einer ÖNORM-gemäßen Gummidichtung wie vorgeschrieben versehen sei, nicht auseinandergesetzt. ÖNORMEN beschreiben den anerkannten Stand der Technik. Bereits daraus ergebe sich, daß eine ÖNORM-gerechte Tür samt Dichtung wohl ein geräuscharmes Öffnen und Schließen gewährleiste. Wenn antragsgemäß ein Ortsaugenschein stattgefunden hätte und ein Sachverständigengutachten über die Ausführung der Milchanlieferungstür eingeholt worden wäre, hätte sich daraus die ÖNORM-gerechte und damit auch bescheidgerechte Ausführung der Milchanlieferungstür ergeben. Dies ergebe sich allein schon daraus, daß die Genehmigungsbehörde nicht Auflagen vorschreiben könne, die nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht realisierbar seien. Im angefochtenen Bescheid sei weder festgestellt worden, welchen Geräuschpegel das Öffnen und Schließen der Milchanlieferungstür erreichen dürfe, damit noch von einem geräuscharmen Öffnen und Schließen gesprochen werden könne, noch, inwieweit das beim Öffnen und Schließen der Milchanlieferungstür in der vorliegenden Ausführung entstehende Geräusch von dem vorher erwähnten geräuscharmen Öffnen und Schließen abweiche.

Weiters sei nicht erkennbar, auf welche Art und Weise der im angefochtenen Bescheid genannte Amtssachverständige zu der in seinem Erhebungsbericht enthaltenen Feststellung, daß das Tor der Milchanlieferung laut zuschlage, gekommen sei. Schon allein aus dem unbestimmten Begriff "laut" und dem im konkreten Strafvorwurf enthaltenen ebenfalls unbestimmten Begriff "geräuscharm" lasse sich erkennen, daß der erhobene Strafvorwurf völlig unbestimmt, undeutlich und damit nicht überprüfbar geblieben sei. Im übrigen schütze auch eine bescheidmäßige Torausführung nicht vor Mißbrauch bei Benützung des Tores durch Dritte und es stelle ein deratiger Mißbrauch keine Verletzung des "Gewerbebescheides" dar.

Wenn das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren mangelfrei geführt worden wäre, insbesondere die beantragten Beweise aufgenommen worden wären, der rechtserhebliche Sachverhalt richtig und vollständig festgestellt und dieser rechtserhebliche Sachverhalt auch richtig rechtlich beurteilt worden wäre, hätte die belangte Behörde das in erster Instanz ergangene Straferkenntnis bezüglich Punkt 2 und Punkt 4 aufheben müssen und das Verwaltungsstrafverfahren in diesen Punkten einstellen müssen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer u.a. die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Das Wesen von Auflagen im Sinne der §§ 74 bis 83 GewO 1973 besteht darin, daß die Verwaltungsbehörde in Verbindung mit einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote erläßt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Dadurch, daß § 367 Z. 26 GewO 1973 auf die in den Bescheiden nach den §§ 74 bis 83 vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, wird das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, daß derartige Auflagen so klar gefaßt sein müssen, daß sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (siehe hiezu u.a. das hg Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0053).

Der von der belangten Behörde herangezogene Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 17. August 1987 enthält u. a. folgende Auflagen:

"26. Im Verkaufsraum müssen die Hauptverkehrswege mindestens 1,8 m und die Nebenverkehrswege mindestens 1,2 m breit sein. ...

27. Hauptverkehrswege, Ausgänge und Fluchtwege dürfen nicht eingeengt oder verstellt werden. Als Begrenzung der Hauptverkehrswege und Fluchtwege dürfen nur standfeste und nicht leicht verrückbare Einrichtungsgegenstände verwendet werden."

Aus dem Zusammenhalt der beiden Auflagen ergibt sich, daß ein Einengen im Sinne der Auflage 27 jedenfalls dann vorliegt, wenn die Breite eines Hauptverkehrsweges auf eine 1,8 m unterschreitende Ausdehnung eingeschränkt wird. Diesem Tatbild entsprechend ist im Spruch des angefochtenen Bescheides die als erwiesen angenommene Tat mit den Worten, daß der Hauptverkehrsweg nach dem Eingang durch Lagerungen von Kaffee und im Bereich vor den Kassen durch Lagern von Schüttkisten auf weniger als 1,8 m eingeengt gewesen sei, im Sinne des § 44a lit. a VStG hinlänglich charakterisiert. Darin, daß die belangte Behörde davon ausging, daß jedenfalls jegliches Unterschreiten der für die Hauptverkehrswege vorgesehene Mindesbreite von 1,8 m den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt 27 des Genehmigungsbescheides vom 17. August 1987 erfüllt, liegt im Hinblick auf den sich aus Punkt 27 in Verbindung mit Punkt 26 ergebenden normativen Gehalt keine Rechtswidrigkeit.

Insoweit sich der Beschwerdeführer auf das Sprucherfordernis in Ansehung einer Überschreitung einer - bestimmten - zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 StVO beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß sich die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren hat. Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde somit nicht Erfordernissen Rechnung zu tragen, die sich etwa aus § 20 Abs. 2 StVO, sondern jenen, die sich aus § 44a lit. a VStG in Verbindung mit § 367 Z. 26 GewO 1973 und Punkt 27 des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides ergeben. Unter diesem Gesichtspunkt gesehen ist der angefochtene Bescheid aus den dargelegten Gründen nicht mit Rechtswidrigkeit belastet. Es sei allerdings ergänzend auch vermerkt, daß für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der Überschreitung einer ziffernmäßig bestimmten Höchstgeschwindigkeit im Sinne der Straßenverkehrsordnung 1960 die ziffernmäßige Feststellung der Überschreitung im Spruch des Straferkenntnisses entbehrlich ist (siehe u.a. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1971, Zl 23/71).

Den auf ein Einengen auf weniger als 1,8 m abgestellten Schuldspruch durfte die belangte Behörde auf die Anzeige vom 18. Jänner 1990 und den mit 9. Juli 1990 datierten Bericht des Amtsorganes, das die Erhebung durchgeführt hatte, stützen. Nach der Aktenlage hatte die belangte Behörde keine Anhaltspunkte dafür, daß sich der Sachverhalt zur festgestellten Tatzeit nicht so ereignet hätte, wie er sich aus diesen Beweismitteln ergibt. Auch unter diesem Blickwinkel betrachtet ist der im angefochtenen Bescheid unter Punkt 2 getroffene Schuldspruch nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Der von der belangten Behörde herangezogene Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 17. August 1987 enthält weiters u.a. folgende Auflage:

"57. Das Tor für die Milchanlieferung muß derart ausgeführt werden, daß ein geräuscharmes Öffnen und Schließen gewährleistet ist (z.B. durch Gummidichtung im Türfalz)."

Entsprechend dem Wortlaut des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vom 17. August 1987 handelt es sich um eine Auflage, die für die Errichtung und für den Betrieb der Betriebsanlage vorgeschrieben wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß die Auflage Punkt 57 auf jenen Zustand abgestellt ist, in dem das Tor fortdauernd ausgeführt zu sein hat.

Die in Rede stehende Auflage nimmt auf keine ÖNORM Bezug. Eine solche war von der belangten Behörde im gegebenen Zusammenhang nicht anzuwenden. Es bedurfte somit auch nicht der vom Beschwerdeführer beantragten Beweisaufnahmen, nämlich der Durchführung eines Ortsaugenscheins und der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer ÖNORM-gerechten Ausführung des Tores.

Der Begriff "geräuscharm" wird in der Auflage des Näheren dahin umschrieben, daß es etwa eines Lärmschutzes in Form einer Gummidichtung im Türfalz bedarf. In diesem Zusammenhang ist der Begriff "geräuscharm" als hinlänglich bestimmt anzusehen. Den Akten des Verwaltungsstrafverfahrens sind keine Verfahrensergebnisse zu entnehmen, denen zufolge es sich um eine Auflage gehandelt hätte, die nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht realisierbar gewesen wäre.

Der in dem unter Punkt 4 getroffenen Schuldspruch - entsprechend der Aktenlage ohne Verfahrensmangel - festgestellte Sachverhalt, daß der Gehflügel des Tores durch einen daran befestigten Selbstschließer auf den Falz des Stehflügels, der über keine Dichtung verfüge, geschlagen habe und darüber hinaus selbst scheppere, wurde von der belangten Behörde ohne Rechtsirrtum als Verletzung der in Rede stehenden Auflage beurteilt, ohne daß es in Ansehung der im Schuldspruch aufgezeigten Konsequenz der mangelhaften Art der Ausführung des Tores, nämlich, daß das Tor laut zugeschlagen habe, einer Feststellung bedurft hätte, wie laut das Zuschlagen gewesen sei.

Der Schuldspruch wurde entsprechend dem Wortlaut der Auflage 57 - mit Erwähnung der Konsequenz des lauten Zuschlagens - auf die Ausführung des Tores abgestellt. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet geht das auf den Mißbrauch bei Benützung des Tores abgestellte Beschwerdevorbringen an dem mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Abspruch vorbei.

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt im Grunde des § 5 Abs. 1 erster Satz VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesbestimmung ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften trifft einen Gewerbeinhaber (oder eine ihm hinsichtlich der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit gleichgestellte Person) somit dann, wenn er den Verstoß bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte hintanhalten können. Der Gewerbeinhaber hat dafür zu sorgen, daß der Gewerbebetrieb im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften geführt wird, seine Angestellten in dieser Hinsicht zu überprüfen bzw. solche Vorkehrungen zu treffen, die eine entsprechende Überwachung sicherstellen. Mit einem Vorbringen zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG muß dargetan werden, daß alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit Grund erwarten lassen (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 90/04/0027).

Im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens hatte der Beschwerdeführer seine Rechtfertigung vom 17. Mai 1990 abgegeben, in der er den namentlich genannten Leiter der Bauabteilung u.a. in Ansehung der Auflage 57 und den Filialleiter in Ansehung der Auflage 27 als verantwortlich bezeichnet hatte. Ferner hatte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20. August 1990 die Ablichtung zweier Geschäftsstücke betreffend die Ernennung der betreffenden Person zum Filialleiter und eine Stellungnahme der Bauabteilung vorgelegt. Für das Vorliegen bestimmter Sachverhalte, die in der Verschuldensfrage dem Beschwerdeführer hinsichtlich der "Art der Delegation" und der "getroffenen Kontrollmaßnahmen" zugute zu halten gewesen wären, ergaben sich für die belangte Behörde nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte. Wenn die belangte Behörde in dieser Hinsicht von Ermittlungen und Feststellungen Abstand nahm, wurde der Beschwerdeführer dadurch auf dem Boden der durch § 5 Abs. 1 VStG gegebenen Rechtslage in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht nicht verletzt.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher zur Gänze als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte