VwGH 91/03/0300

VwGH91/03/030026.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dr. H in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. April 1991, Zl. IIb 2-V-954/1-91, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

MEG 1950 §13 Abs2 Z8;
MEG 1950 §15 Z2;
MEG 1950 §38 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2a;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;
VwRallg;
MEG 1950 §13 Abs2 Z8;
MEG 1950 §15 Z2;
MEG 1950 §38 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2a;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. April 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 5. September 1990 um 2.15 Uhr in Innsbruck, Ing. Entzel-Straße-Dreiheiligenstraßen-Museumstraße bis Nr. 30 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 1. Oktober 1991, B 832/91-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde hätte sich zum Beweis seiner angeblichen Alkoholisierung anderer Beweismittel als des Ergebnisses des Alkomattestes bedienen müssen, da Teile des § 5 StVO 1960 vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden und daher zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr in Geltung gestanden seien.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. März 1991, G 274-283/90-13, G 322/90-9, G 46-51/91-5, den zweiten Satz des Abs. 4a ("Im Falle einer Untersuchung der Atemluft nach Abs. 2a lit. b hat eine Vorführung nach Abs. 4 zu unterbleiben.") sowie die Wortfolge "von 0,4 bis 0,5 mg/l" in Abs. 4b des § 5 der Straßenverkehrsordnung 1960 als verfassungswidrig aufgehoben und gleichzeitig ausgesprochen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, in denen vor dem 27. Februar 1991,

10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde.

Nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.

Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung liegt vor dem Inkrafttreten der Aufhebung der angeführten Teile des § 5 StVO 1960; der Fall des Beschwerdeführers war auch nicht Anlaßfall zur Aufhebung. Die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde nicht vor dem 27. Februar 1991 eingebracht. § 5 StVO 1960 ist daher auf den Beschwerdeführer in der vor Aufhebung des zweiten Satzes des Abs. 4a und der Wortfolge "von 0,4 bis 0,5 mg/l" in Abs. 4b geltenden Fassung anzuwenden.

Unberechtigt ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, die Bezeichnung des Tatortes mit "Innsbruck,

Ing. Entzel-Straße - Dreiheiligenstraße - Museumstraße bis Nr. 30" sei zu unbestimmt, da weder die Fahrtrichtung präzisiert sei noch festgehalten werde, daß er die angeführten Straßenzüge nicht zur Gänze durchfahren habe.

Ein der Begehung des Deliktes nach § 5 Abs. 1 StVO Beschuldigter kann durch die Tatortumschreibung mit Nennung eines auch längeren in einem Ortsgebiet gelegenen Straßenzuges - den er nur zum Teil befahren haben mag - nicht in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt werden. Gerade bei einem solchen Delikt, das über längere Strecken begangen werden kann, darf das Erfordernis der Konkretisierung des Tatortes nicht isoliert gesehen werden, sondern ist in Verbindung mit der Tatzeitangabe zu betrachten. Dadurch besteht keine Gefahr der Doppelbestrafung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1989, Zl. 88/02/0186 u. a.).

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist auch nicht darin zu erblicken, daß die belangte Behörde den Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz dahingehend abänderte, daß die Strafe auf § 99 Abs. 1 lit. a StVO gestützt wird, während die Erstbehörde § 99 Abs. 3 lit. a StVO herangezogen hatte. Die Berufungsbehörde ist berechtigt, eine andere rechtliche Beurteilung vorzunehmen als die Unterbehörde.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde auf Grund der Zeugenaussage des Meldungslegers davon ausgehen, daß dieser in Besitz einer gültigen Ermächtigungsurkunde zur Untersuchung der Atemluft mit einem Atemalkoholmeßgerät war und daß er auch über die besondere Schulung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO in Verbindung mit § 3 der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 12. März 1987 über Atemalkoholmeßgeräte, BGBl. Nr. 106/1987 idgF, verfügte.

Hingegen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht, wenn er bemängelt, daß trotz der von ihm im Verwaltungsstrafverfahren erhobenen Einwände gegen die Funktionstüchtigkeit des Alkomaten und seiner Anträge, festzustellen, ob und wann das verwendete Gerät geeicht worden sei, die belangte Behörde keine entsprechenden Feststellungen bezüglich einer gültigen Eichung getroffen habe.

Nach § 13 Abs. 2 Z. 8 des Maß- und Eichgesetzes in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 742/1988 unterliegen Meßgeräte zur Bestimmung des Gehaltes von Alkohol in der Atemluft der Eichpflicht, wobei die Nacheichfrist gemäß § 15 Z. 2 leg. cit. zwei Jahre beträgt.

Die belangte Behörde hat keinerlei Feststellungen über das Vorliegen einer gültigen Eichung getroffen. In der Beilage zur Anzeige vom 5. September 1990 findet sich zwar folgende Angabe:

"Zeitpunkt der letzten amtlichen Überprüfung/Kalibrierung:

25.1.1990"; der Meldungsleger hat in seiner Zeugenaussage angegeben, die letzte Überprüfung des verwendeten Gerätes sei laut Beilage am 25. Jänner 1990 erfolgt. Angaben über eine "amtliche Überprüfung/Kalibrierung" sagen aber nichts darüber aus, ob das Gerät eine gültige Eichung aufwies. Der Begriff "Kalibrierung" ist im technischen Sprachgebrauch nicht identisch mit einer Eichung im Sinne des Maß- und Eichgesetzes. Weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch dem sonstigen Akteninhalt läßt sich ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß die verwendeten Begriffe (amtliche Überprüfung/Kalibrierung) lediglich ein Vergreifen im Ausdruck darstellten und in Wirklichkeit eine gültige Eichung vorgelegen sei.

Dadurch, daß die Behörde keine Feststellungen über das Vorliegen einer gültigen Eichung getroffen hat, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da neben dem Schriftsatzaufwand eine gesonderte Umsatzsteuervergütung nicht vorgesehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1983, Zl. 83/07/0182) und an Stempelgebühr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich S 240,-- für den ergänzenden Schriftsatz erforderlich waren.

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