VwGH 90/13/0068

VwGH90/13/006825.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der S-GmbH in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 31.1.1990, GZ. GA 5-1562/3/90, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1151;
AVG §45 Abs1;
AVG §46 impl;
BAO §166;
EStG 1972 §22 Abs1 Z2;
EStG 1972 §67 Abs3;
EStG 1972 §67 Abs6;
GmbHG §15;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ABGB §1151;
AVG §45 Abs1;
AVG §46 impl;
BAO §166;
EStG 1972 §22 Abs1 Z2;
EStG 1972 §67 Abs3;
EStG 1972 §67 Abs6;
GmbHG §15;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 28. August 1983 kündigte Dkfm. Dolores C., die damalige Geschäftsführerin der beschwerdeführenden GmbH, das Dienstverhältnis mit Gerhard L. mit Wirkung vom 31. März 1984. Im Kündigungsschreiben wurde bemerkt, daß die Geschäftsführerin - die zusammen mit der Verlassenschaft nach ihrem verstorbenen Ehegatten über alle Geschäftsanteile der GmbH verfügte - den Betrieb der GmbH nach dem Ableben ihres Ehegatten nicht fortsetzen möchte.

Mit Abtretungsvertrag vom 18. April 1984 wurden sämtliche Stammeinlagen der GmbH von Dkfm. Dolores C. bzw. der Verlassenschaft nach deren Ehegatten abgetreten, wobei Gerhard L. Geschäftsanteile im Ausmaß von 10 v.H. des Stammkapitals übernahm. Mit einer Vertragsurkunde gleichfalls vom 18. April 1984 wurde Gerhard L. zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Am 17. Juli 1985 wurde schließlich ein schriftlicher Dienstvertrag zwischen der GmbH und Gerhard L. als "Prokurist, angestellter Techniker" abgeschlossen.

Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung wurde vom Prüfer die Auffassung vertreten, daß die an Gerhard L. zum 31. März 1984 geleistete Abfertigungszahlung nicht nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 begünstigt sei, weil das Dienstverhältnis nicht aufgelöst worden sei. Mit Haftungs- und Zahlungsbescheid wurden der Beschwerdeführerin Lohnsteuer im Haftungsweg sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Auffassung vertreten, daß eine ununterbrochene Weiterführung des Dienstverhältnisses zu Gerhard L. nicht vorgelegen sei. Der Geschäftsführervertrag vom 18. April 1984 sei seinem Inhalt nach eindeutig ein Werkvertrag. Für dieses Vertragsverhältnis sei das GmbH-Gesetz und nicht das Angestelltengesetz anzuwenden gewesen. Über die Arbeitszeit seien überhaupt keine bindenden Vereinbarungen getroffen worden. Gerhard L. habe lediglich seinen Bezug durch ein entsprechendes finanzielles Ergebnis der GmbH rechtfertigen müssen. Die entscheidenden Kriterien eines Dienstverhältnisses, nämlich Weisungsgebundenheit, organisatorische Eingliederung in den Betrieb, Zeitvereinbarung und wirtschaftliche Abhängigkeit seien nicht gegeben gewesen. Es habe auch in der Folge weder die Gesellschafterversammlung noch ein Gesellschafter Einfluß auf die Zeiteinteilung oder die Tätigkeit des Gerhard L. genommen. Zwischen den beiden Dienstverhältnissen bestehe eine deutliche Zeitspanne von 15 Monaten. Es könne daher nicht eine ununterbrochene Fortsetzung des Dienstverhältnisses unterstellt werden. Hinsichtlich der einzelnen Merkmale des mit Gerhard L. auf Grund des "Geschäftsführervertrages" vom 18. April 1984 bestehenden Rechtsverhältnisses wurde in der Berufungsschrift die Einvernahme der Zeugen Gerhard L., Leopoldine L., Peter H. und Leopoldine H. beantragt.

Auf einen Vorhalt der belangten Behörde wurde in einer Eingabe vom 19. Jänner 1990 ausgeführt, zum 31. März 1984 seien alle Vertragsverhältnisse aufgelöst worden, weil die Gesellschaft liquidiert werden sollte. Die Gründe hiefür seien mangelnde Ertragsaussichten, hohe Passiva und die allfällige Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung gewesen. Erst im April 1984 sei darüber gesprochen worden, ob die GmbH durch ehemalige Mitarbeiter fortgesetzt werden könnte. Dkfm. Dolores C. sei gebeten worden, die Liquidation nicht fortzusetzen. Weder zum Kündigungszeitpunkt noch zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung sei eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit Gerhard L. zugesagt worden. Die Einvernahme von

Dkfm. Dolores C. als Zeugin wurde beantragt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid betreffend "Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 1. Jänner 1984 bis zum 31. Dezember 1987" (gemeint: betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie betreffend Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag) wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin die Auffassung, daß schon vor dem 31. März 1984 die Absicht, die Anteile der GmbH zu veräußern - wodurch ein Fortbestehen der GmbH gesichert worden sei - bestanden habe. Da Gerhard L. selbst Anteile an der GmbH erworben habe, habe für ihn bei Fortsetzung der GmbH kein Zweifel bestehen können, daß auch eine Zusicherung des Fortbestehens seines Dienstverhältnisses vorgelegen sei. Die Frage, ob es sich bei dem am 18. April 1984 geschlossenen Geschäftsführervertrag um einen Werkvertrag oder einen Dienstvertrag gehandelt habe, könne dahingestellt bleiben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im § 67 Abs. 3 EStG 1972 ist eine Lohnsteuerbegünstigung für Abfertigungen enthalten, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt. Unter Abfertigung ist nach dem dritten Satz dieser Gesetzesbestimmung unter anderem die einmalige Entschädigung zu verstehen, die einem Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder auf Grund eines Kollektivvertrages vom Arbeitgeber zu leisten ist. Abs. 6 des § 67 EStG 1972 enthält eine Begünstigung für sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie z.B. freiwillige Abfertigungen).

Die im § 67 Abs. 3 und 6 EStG 1972 genannten Bezüge gehören gemäß § 41 Abs. 4 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 nicht zur Grundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen.

Die genannten Begünstigungsvorschriften sind nur in den Fällen der Auflösung des Dienstverhältnisses anwendbar. Treffen zwei unmittelbar aneinander anschließende Dienstverhältnisse zusammen und wurde bei Beendigung des früheren Dienstverhältnisses der Abfertigungsanspruch beachtet oder geltend gemacht, dann sind ein beendetes Dienstverhältnis und ein neu eingegangenes Dienstverhältnis anzunehmen. Ausnahmen davon sind dort angebracht, wo die unmittelbare, im wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen oder vom Arbeitgeber zugesagt wurde (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1988, 87/13/0178, und vom 7. Februar 1990, 89/13/0033).

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid darauf gestützt, im Hinblick auf den Zeitpunkt des Abtretungsvertrages

(18. April 1984) sei davon auszugehen, daß bereits vor der Beendigung des gegenständlichen Dienstverhältnisses mit Gerhard L. (31. März 1984) eine Einigung zwischen den sodann eingetretenen Gesellschaftern über die Fortsetzung der GmbH erfolgt sei. Abgesehen davon, daß im Abgabenverfahren von der Beschwerdeführerin ausdrücklich behauptet worden ist, daß die Fortsetzung der GmbH erst im April 1984 vereinbart worden sei, konnte die Behörde für ihre Annahme einer bereits vor dem 1. April 1984 erfolgten - gemeint offenbar: mündlichen - Vereinbarung über die Fortsetzung der GmbH keine im Abgabenverfahren ermittelten Tatumstände anführen. Die weitere Folgerung der Behörde, im Hinblick auf die Absicht der Fortsetzung der GmbH habe (im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses) kein Zweifel darüber bestehen können, daß auch eine Zusicherung des Fortbestehens seines Dienstverhältnisses vorgelegen sei, ist keineswegs schlüssig. Dabei ist insbesondere auch zu bedenken, daß - wie von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zur Gegenschrift der belangten Behörde zutreffend hervorgehoben wurde - im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses noch Dkfm. Dolores C. über die Geschäftsanteile der GmbH verfügen konnte, während der Geschäftsführervertrag bereits von den Übernehmern der Gesellschaftsanteile abgeschlossen worden ist.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, die beantragten Beweisaufnahmen zum Thema der Fortsetzung der GmbH sowie des Inhaltes des Geschäftsführervertrages vorzunehmen, ohne im angefochtenen Bescheid auch nur darzustellen, aus welchen Gründen sie diesen Beweisanträgen nicht Folge geleistet hat. Auf derartige vom Beweisthema erfaßten Beweise darf dabei die Behörde nur dann verzichten, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließen, oder wenn diese nach Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren oder von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewißheit zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen; wenn die Beweise also nicht wesentlich sein können (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 1989, 88/16/0218, 0224). Da diese Voraussetzungen für die Unterlassung der beantragten Beweisaufnahmen im Beschwerdefall nicht vorgelegen sind, hat die belangte Behörde auch damit Verfahrensvorschriften verletzt, deren Einhaltung zu einem anderen Bescheid hätten führen können.

Schließlich wurde von der belangten Behörde auch nicht näher dargestellt, warum ihrer Meinung nach sich eine Auseinandersetzung mit dem am 18. April 1984 abgeschlossenen "Geschäftsführervertrag" erübrigte. Zur Klarstellung ist dabei darauf zu verweisen, daß das Rechtsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH - unabhängig davon, ob er an der GmbH wesentlich beteiligt ist oder nicht - keineswegs immer durch einen Dienstvertrag im Sinne der §§ 1151 ff ABGB geregelt sein muß; der Bestellung zum Geschäftsführer kann auch ein sogenannter freier Dienstvertrag, ein Werkvertrag oder ein Auftragsverhältnis zugrunde liegen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. September 1990, 90/14/0188, und vom 19. Dezember 1990, 87/13/0072). Davon geht erkennbar u. a. auch § 25 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 aus. Auf dem Boden ihrer Meinung, daß durch den Geschäftsführervertrag vom 18. April 1984 das frühere Dienstverhältnis unverändert fortgesetzt worden ist, hätte die belangte Behörde näher begründen müssen, welche in einem mängelfreien Verfahren festgestellten Sachverhaltselemente für die Annahme eines Dienstverhältnisses ab April 1984 maßgeblich sind. Da die Behörde eine derartige Begründung unterlassen hat, hat sie auch insoweit den angefochtenen Bescheid mit einem maßgeblichen Verfahrensmangel belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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