VwGH 90/13/0033

VwGH90/13/003330.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom 7. November 1989, GZ. 6/3-3107/85-06, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1977 bis 1980 und betreffend Umsatzsteuer 1975 bis 1982 sowie Einkommensteuer 1977 bis 1982,

Normen

EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §4 Abs1;
GewStG §1 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §4 Abs1;
GewStG §1 Abs1;

 

Spruch:

1.) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1977 bis 1980 zurückgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1977 bis 1982 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Absolventin einer Meisterklasse Klavier an einer Hochschule für Musik. Im Beschwerdezeitraum 1975 bis 1982 war sie als Klavierlehrerin tätig. Daneben erzielte sie - außer für eine unterrichtende Tätigkeit an der Musikakademie der künstlerischen Volkshochschule - auch Einnahmen für Auftritte als Konzertpianistin (1975 S 3.000,--, 1981 S 600,-- und 1982 S 3.000,--).

Im Zuge einer hinsichtlich der Veranlagungsjahre 1977 bis 1980 vorgenommenen Betriebsprüfung gab die Beschwerdeführerin im Jahre 1981 niederschriftlich zur Nutzung der - von ihr zu 75 vH als betrieblich behandelten - Räumlichkeiten an ihrer Wohnanschrift in W., F.-Gasse 60/18, an, das "Studio" bestehe aus zwei Räumen von je 21,4 m2. In einem der beiden Räume befänden sich das Klavier sowie diverse Geräte und Einrichtungsgegenstände. Im anderen Raum befänden sich zwei Instrumente (eine Gitarre und ein Banjo), Notenständer und ein Kassettenrecorder ohne Radio. In beiden Räumen fänden ein- bis zweimal pro Woche Proben eines - im Jahre 1980 als Verein konstituierten - Musikensembles statt. Die Proben dauerten jeweils drei bis fünf Stunden. In vereinzelten Fällen unterrichte die Beschwerdeführerin Schülerinnen auch in ihrer Wohnung. Den musikpädagogischen Unterricht führe sie in der Schule der Dominikanerinnen, W, S.-Gasse 17, durch.

Eine informierte Vertreterin dieser Schule gab als Auskunftsperson an, die Beschwerdeführerin sei während der Schulzeit als Klavierlehrerin tätig. Seitens der Schule werde der Beschwerdeführerin ein bestimmtes Klavierzimmer zur Verfügung gestellt, dessen Ausstattung Eigentum des Ordens sei.

Nach Aufhebung der vom ursprünglich einschreitenden Finanzamt erlassenen Abgabenbescheide durch die belangte Behörde erließ das Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk in Wien schließlich Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1977 bis 1980 und hinsichtlich Einkommensteuer 1977 bis 1979, weiters betreffend Umsatzsteuer 1975 bis 1982 sowie Einkommensteuer 1977 bis 1982.

Mit Schriftsatz vom 8. Jänner 1985 erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen "die Steuerbescheide (USt 1975 bis incl. 1980, ESt 1977 bis incl. 1980)". Mit einem Schriftsatz vom 21. Juli 1984 wurde Berufung gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1981 und 1982 erhoben.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurden die Berufungen abgewiesen. Die angefochtenen Abgabenbescheide wurden abgeändert.

In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin erzielten Umsätze weder die Bestimmungen des § 6 Z. 11 UStG 1972 über eine Steuerbefreiung noch des § 10 Abs. 2 Z. 8 UStG 1972 betreffend einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden seien.

Weiters ging die belangte Behörde davon aus, zwischen der Tätigkeit einer Konzertpianistin und der einer Klavierlehrerin bestehe kein derartiger Zusammenhang, daß von einem einheitlichen Betrieb gesprochen werden könne. Die Beschwerdeführerin habe bereits ab dem Jahre 1973 die Tätigkeit als Pianistin nicht mehr in Gewinnerzielungsabsicht, sondern als Liebhaberei ausgeübt.

Abweichend von der Vorgangsweise der Abgabenbehörde erster Instanz schätzte die belangte Behörde die Aufwendungen für Literatur, Noten, Schallplatten, Tonbänder sowie für das Klavier (AfA, Klaviersaiten, Miete, Transport, Stimmen) mit 40 vH des Gesamtaufwandes. Den Aufwand für die Wohnung in W., F.-Gasse 60, behandelte die belangte Behörde zur Gänze als nichtabzugsfähigen Aufwand der Lebensführung. Weiters wurden Aufwendungen für die Eintragung im Telefonbuch nicht als Betriebsausgaben anerkannt.

Schließlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1977, 1978 und 1979 gegeben waren.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

  1. 1a. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1977 bis 1980

Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch beschwert, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht über ihre Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1977 bis 1980 entschieden hat. Vielmehr hat die belangte Behörde lediglich anmerkungsweise - der Aktenlage nach zutreffend - festgehalten, daß eine diesbezügliche Anfechtung nicht erfolgt ist. Mangels Berufung ist aber der Instanzenzug betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1977 bis 1980 nicht erschöpft, sodaß die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

  1. 1b. Sonstige Wiederaufnahme der Verfahren

Die sonstige Wiederaufnahme der Verfahren bildet keinen Beschwerdepunkt.

2. Umsatzsteuer 1975 und 1976

In der Beschwerde wird ausdrücklich eingeräumt, daß die Anwendung des Steuersatzes im Sinne des § 10 Abs. 1 UStG 1972 auf die Umsätze der Jahre 1975 bis 1982 nicht bekämpft wird. Damit enthält aber die Beschwerde hinsichtlich Umsatzsteuer 1975 und 1976 keine Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit, zumal die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die von der Beschwerdeführerin für diese beiden Jahre angegebenen Vorsteuerbeträge anerkannt hat. Die Beschwerde erweist sich somit hinsichtlich Umsatzsteuer 1975 und 1976 als unbegründet (vgl. § 42 Abs. 1 VwGG).

3. Umsatz- und Einkommensteuer 1977 bis 1982

Die Beschwerdeführerin wendet sich unter dem Gesichtspunkt der Ermittlung von Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1977 bis 1982 zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach die Tätigkeit als Konzertpianistin einerseits und als Klavierlehrerin andererseits keinen einheitlichen "Betrieb" (Beruf) bilde. Für die Frage, ob unterschiedliche Aktivitäten eines Steuerpflichtigen einen einheitlichen Betrieb (eine einheitliche Berufsausübung) bilden oder nicht, ist in erster Linie die Verkehrsauffassung maßgeblich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1989, 88/14/0230, mit weiteren Hinweisen). Mehrere gleichartige, organisch nebeneinander stehende Betriebe in der Hand desselben Unternehmers sind in aller Regel als einheitlicher Betrieb anzusehen, da die Vermutung dafür spricht, daß die gleichartigen Betriebe deshalb in einer Hand vereinigt sind, weil sie sich gegenseitig stützen und ergänzen (vgl. Jirkuff,

Der einheitliche Gewerbebetrieb, ÖStZB 1977, 258, unter Hinweis auf den ehemaligen deutschen Reichfinanzhof, Urteil vom 28. September 1938, VI 611/38, RStBl. S. 1117). Diese Betrachtung erscheint vor allem dann unbedenklich, wenn - wie im Beschwerdefall - aus jeder Tätigkeit Einkünfte derselben Einkunftsart erzielt werden.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß einheitliche Voraussetzung für die Ausübung sowohl der unterrichtenden Tätigkeit als auch der künstlerischen Tätigkeit die Ausbildung der Beschwerdeführerin an der Meisterklasse einer Musikhochschule gewesen ist. Weiters wurden von der Beschwerdeführerin dieselben Wirtschaftsgüter zur Ausübung beider in Rede stehenden Tätigkeiten genutzt, insbesondere das Klavier, aber auch Notenmaterial und Literatur. Auch der in der Beschwerde erhobene Einwand, daß die künstlerische Tätigkeit der Werbung für die unterrichtende Tätigkeit diente, erscheint berechtigt; wenngleich die Beschwerdeführerin vorwiegend Schülerinnen einer bestimmten Schule unterrichtete, so kann ein "Werbeeffekt" von Konzerten nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal ein gleichartiger Unterricht an Schülerinnen dieser Schule nach dem Ermittlungsergebnis auch von anderen Personen erteilt worden ist. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände stellt aber die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Konzertpianistin einerseits und als Klavierlehrerin anderseits einen einheitlichen Betrieb (eine einheitliche Berufsausübung) dar.

Da also eine einheitliche Berufsausübung anzunehmen war, war auch die Auffassung der belangten Behörde verfehlt, wonach die Tätigkeit als Pianistin als Liebhaberei anzusehen war. Eine solche Beurteilung, ob eine Tätigkeit als Einkunftsquelle im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG 1972 in Betracht kommt, kann sich grundsätzlich nur auf den eine Einheit darstellenden Betrieb (Beruf) beziehen.

Da die belangte Behörde diese ihre unrichtige Auffassung über das Vorliegen von Liebhaberei in bezug auf die Tätigkeit als Konzertpianistin der Schätzung des jeweils betrieblich veranlaßten Teiles von Aufwendungen zugrunde gelegt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen bzw. auf Grund der Ergebnisse des umfangreichen Ermittlungsverfahrens zu beurteilen haben, in welchem Ausmaß die einzelnen Wirtschaftsgüter (Klavier, Literatur, Notenmaterial, etc.) sowie die Räumlichkeiten in W., F.-Gasse 60, tatsächlich betrieblich genutzt wurden. Im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Schätzung eines Anteils der betrieblichen Nutzung von Wirtschaftsgütern im Ausmaß von 40 vH wird im übrigen zur Klarstellung bemerkt, daß nur solche beweglichen Wirtschaftsgüter notwendiges Betriebsvermögen sind, die ÜBERWIEGEND betrieblich genutzt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1981, 81/13/0046, 81/13/0048).

Soweit der angefochtene Bescheid Umsatz- und Einkommensteuer 1976 bis 1982 betraf, war er somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dabei umfaßt der Ersatz von Stempelgebühren neben den Eingaben- und Vollmachtsgebühren Beilagengebühren nur für die angeschlossene Berufungsentscheidung, nicht aber die Gebühr für weitere, für die Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilagen.

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