Normen
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauO Stmk 1968 §69;
BauO Stmk 1968 §73 Abs2;
BauRallg;
VVG §4 Abs1;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauO Stmk 1968 §69;
BauO Stmk 1968 §73 Abs2;
BauRallg;
VVG §4 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 861 KG W mit der Anschrift G, P-Straße.
Im Zuge einer am 20. und 21. Oktober 1986 vom Baupolizeiamt der Landeshauptstadt Graz durchgeführten Erhebung wurde festgestellt, daß auf dem Grundstück Nr. nn1, EZ 861, KG W, drei Leichtwände, wie sie für WC-Anlagen vorgesehen seien, errichtet und sechs Türstöcke eingebaut wurden.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. November 1987 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung der Auftrag erteilt, die auf der Liegenschaft Grundstück Nr. nn1, EZ 861, KG W, konsenslos errichteten Bauwerksteile binnen drei Wochen abzutragen bzw. den konsensmäßigen Verwendungszweck wieder herzustellen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Spruch sei zu ungenau gefaßt, um eine taugliche Grundlage für eine Vollstreckung zu sein. Er spreche ganz allgemein von "konsenslos errichteten Bauwerksteilen" sowie vom "konsensmäßigen Verwendungszweck", ohne im einzelnen klar abzugrenzen, um welche Bauwerksteile bzw. welchen Verwendungszweck es hier gehe. Es handle sich im Gegenstand um ein nahezu 100 Jahre altes Gebäude, welches im Laufe der Jahrzehnte diversesten Zwecken diente, ohne daß es Beanstandungen seitens der Baubehörde gegeben hätte. Es sei daher vom Vorliegen eines vermuteten Konsenses auszugehen.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 17. März 1988 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Stadtsenates vom 16. November 1987 abgewiesen, gleichzeitig wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, daß er lautete:
"Frau E, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr.R, wird gemäß § 73 Abs. 2 der Steierm. Bauordnung 1968 idgF der Auftrag erteilt, die auf der Liegenschaft Grst Nr nn1, beide EZ 861, KG W, konsenslos errichteten Bauwerksteile (Einbau einer WC-Anlage) binnen 3 Wochen abzutragen und gleichzeitig den konsensmäßigen Verwendungszweck wieder herzustellen."
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1990, Zl. 88/06/0075, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 13. September 1990 hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz über die vorliegende Berufung neuerlich entschieden und dieser gemäß § 66 Abs. 4 AVG wiederum keine Folge gegeben, dies unter gleichzeitiger Neuformulierung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides wie im Berufungsbescheid vom 17. März 1988.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Vorliegen eines vermuteten Konsenses. Ausgangslage der Betrachtung sei der - unwidersprochen gebliebene - Umstand, daß das Objekt vor annähernd 100 Jahren errichtet worden sei. Die belangte Behörde gehe zwar der Begründung ihres Bescheides zufolge davon aus, daß es baubehördliche Bewilligungen für die Errichtung eines Verkaufsobjektes, den Zubau eines Geschäftslokales, den Zubau eines Trockenabortes sowie für den Umbau eines Magazingebäudes und den Einbau einer Wohnung mit Kanzlei gebe, es sei aber nicht davon die Rede, daß die (ursprüngliche) Baubewilligung für das Objekt selbst gefunden worden sei. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß Akten verlorengegangen seien. Im Gegenstand sei es lediglich zur Sanierung einer (alten) WC-Anlage gekommen. In diesem Objekt habe es seit jeher zwei WC-Anlagen gegeben. Was die behauptete konsenswidrige Änderung des Verwendungszweckes anbelange, sei davon auszugehen, daß eine baubehördliche Bewilligungspflicht nur dann gegeben sei, wenn die Änderung eine im § 57 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung genannte belastende Einwirkung haben könne. Es sei bereits während des Verwaltungsverfahrens dargelegt worden, daß das Objekt mannigfaltigen Betriebszwecken, ausgehend von einem Pulvermagazin bis zu Fabrikations- und Handelszwecken gedient habe. Es sei fraglos, daß der Betrieb eines Clublokales weniger brandgefährlich als der eines (konsentierten) Pulvermagazins sei. Dazu komme, daß der Auftrag auf "Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes" bei der Fülle der offensichtlich konsensgemäß gewesenen Verwendungszwecke zu undeutlich sei. Überdies entbehre ein Bescheidbefehl einen bestimmten "Verwendungszweck wieder herzustellen" jeder Rechtsgrundlage.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der aufgrund Art. II Abs. 2 LGBl. Nr. 14/1989 noch anzuwendenden Fassung vor dieser Novelle lautete:
"Die Strafe befreit nicht von der Verpflichtung, Abweichungen von den baurechtlichen Vorschriften zu beheben, die in den Bescheiden der Baubehörden enthaltenen Anordnungen und Auflagen auszuführen und vorschriftwidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, zu beseitigen. Bei Bauarbeiten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, ist die Baueinstellung zu verfügen."
Bei Vorliegen von Abweichungen von baurechtlichen Vorschriften und Vorliegen von vorschriftswidrigen Bauten, für die eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt wurde, statuierte § 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung die Verpflichtung, diese zu beheben bzw. zu beseitigen (vgl. diesbezüglich die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1980, Zl. 1232/78, sowie vom 19. September 1985, Zlen. 82/06/0074, 82/06/0075, BauSlg. Nr. 500). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem zuletzt genannten Erkenntnis ausführte, ist im Falle einer konsenslosen Bauführung nach § 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung vorzugehen und die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes aufzutragen. Diese Auslegung des § 73 Abs. 2 BO rechtfertigt sowohl einen Auftrag, bauliche Anlagen, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und auch zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einer Bewilligung bedurften, zu beseitigen, als auch einen Auftrag, bei Vorliegen einer Änderung des Verwendungszweckes, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein könnte, wodurch die Notwendigkeit der Bewilligung der Baubehörde gemäß § 57 Abs. 1 lit. c leg. cit. gegeben war, diese zu unterbinden.
Mit dem Fragenkomplex der Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit sog. alter Bestände hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auseinandergesetzt. Zusammengefaßt geht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dahin, daß dann, wenn hinsichtlich eines nachweislich seit Jahrzehnten bestehenden Gebäudes Unterlagen über eine seinerzeitige Baubewilligung nicht mehr auffindbar sind, andererseits aber feststeht, daß baubehördliche Beanstandungen aus dem Grund, weil ein Konsens fehle, niemals stattgefunden haben, die Vermutung dafür spricht, daß das Gebäude in seiner derzeitigen Gestalt aufgrund einer nach der im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschrift erteilten Baubewilligung errichtet worden ist, es sei denn, daß Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorliegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Juni 1957, Slg. N.F. Nr. 4.364/A).
Die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungs- und Archivakten enthalten zwar keine "ursprüngliche" Baubewilligung für das gegenständliche Objekt, jedoch mehrere Baubewilligungen aus der Zeit ab 1953. Abgesehen von Baubewilligungen, die sich zwar auf dieselbe Grundparzelle, aber auf ein anderes Objekt (ein ebenerdiges Verkaufsobjekt mit Pultdach) beziehen, erliegt im Akt ein das verfahrensgegenständliche Objekt betreffender Baubewilligungsbescheid vom 15. Oktober 1954, samt einem, einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan. Mit diesem Bescheid wurde die Baubewilligung für den Umbau eines Magazingebäudes zu einem Futtermittelwerk und den Einbau einer Wohnung mit Kanzleiräumen erteilt. Anläßlich der, diesem Baubewilligungsbescheid vorangegangenen mündlichen Verhandlung vom 11. März 1954 wurde festgestellt, daß ein bauordnungsgemäßes Klosett derzeit nicht vorhanden sei. Im Plan ist ein teilweise unterkellertes Gebäude, mit einem ca. 29,50 m langen und 14,50 m breiten Erdgeschoß und einem nicht ausgebauten Dachboden unter einem Satteldach dargestellt, wobei der Altbestand grau, neue Wände rot eingezeichnet sind. Dieses Gebäude weist nur ein einziges WC, nämlich im Erdgeschoß, abgetrennt vom Bad, westlich des Stiegenhauses auf. Der WC-Raum wurde erst auf Grund dieser Baubewilligung durch Einziehen einer neuen, im Plan rot eingezeichneten, Mauer geschaffen. Abgesehen von den Baubewilligungsbescheiden weisen die vorgelegten Archivakten noch einen, an die Beschwerdeführerin ergangenen feuerpolizeilichen Auftrag vom 31. Juli 1970, der mit Berufungsbescheid vom 22. April 1971 behoben wurde, auf. Hinweise dafür, daß die vorgelegten Verwaltungsakten seit 1953 unvollständig seien, sind nicht erkennbar.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß eine Baubewilligung einschließlich Plan vom 15. Oktober 1954 vorliegt, in der sowohl die damals bewilligten Umbauten (rot) als auch der Altbestand (grau) eingetragen waren, und im Akt auch noch weitere behördliche Erledigungen (Auftrag aus 1970 und Berufungsbescheid aus 1971) dokumentiert sind, liegt kein Grund zur Annahme vor, daß die Archivakten seit 1953 unvollständig seien.Bei Berücksichtigung der in der Verhandlung vom 11. März 1954 in Übereinstimmung mit den damaligen Planunterlagen getroffenen Feststellung, wonach bis dahin kein bauordnungsgemäßes WC vorhanden war, durfte die Behörde daher zutreffend davon ausgehen, daß im gesamten verfahrensgegenständlichen Objekt nur ein WC, nämlich westlich des Stiegenhauses im Erdgeschoß, als konsentiert anzusehen sei. Die Errichtung einer weiteren WC-Anlage nach 1954 unterlag aber jedenfalls der baubehördlichen Bewilligungspflicht.
Dennoch belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, soweit sich dieser auf die Entfernung der WC-Anlage bezog, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes: Ein baupolizeilicher Auftrag muß so bestimmt sein, daß sein Spruch Titel einer Vollstreckungsverfügung sein kann (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1951, Slg. N.F. Nr. 2.356/A, vom 26. Februar 1986, Zl. 1850/76 sowie vom 23. Oktober 1984, Zl. 84/05/0063, BauSlg. Nr. 323 u.a.). Nun kann aber weder dem Spruch noch der Begründung des angefochtenen Bescheides noch dem gesamten vorgelegten Verwaltungsakt entnommen werden, welche WC-Anlage zu entfernen sei. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der ursprüngliche Konsens des Hauses fehlt und bestenfalls auf Grund des Studiums der alten Baupläne aus dem Jahre 1954 ermittelt werden könnte, WO (nämlich nur westlich des Stiegenhauses im Erdgeschoß) eine konsentierte WC-Anlage besteht - von der die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, daß sie an einer "ganz anderen Stelle" liege - erweist sich der baupolizeiliche Abbruchauftrag deshalb als nicht hinreichend bestimmt, weil aus ihm in Ermangelung einer genauen örtlichen Bezeichnung das Abbruchobjekt nicht zweifelsfrei hervorgeht.
Hinsichtlich des Auftrages, "den konsensgemäßen Verwendungszweck wieder herzustellen", zieht wohl - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - schon die Änderung des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben die Bewilligungspflicht gemäß § 57 Abs. 1 lit. c BO nach sich, wenn sie auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein KÖNNEN; wobei es nicht darauf ankommt, daß die Änderung des Verwendungszweckes von NACHTEILIGEM Einfluß ist, es genügt, daß die abstrakte Möglichkeit eines Einflusses besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zlen. 89/06/0050, 0145 und 0200). Stellt doch der Betrieb eines Clublokales, in dem mehrere Billardtische aufgestellt wurden, und in dem auch Getränke verabreicht werden, andere Anforderungen an die Sicherheit, den Brandschutz und die gesundheitlichen Verhältnisse als ein Geschäftslokal oder ein Futtermittelwerk neben einer Wohnung mit Kanzlei, sodaß jedenfalls eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes erfolgte.
Der vorliegende Auftrag aber ist aus folgenden Gründen rechtswidrig: Aus der Bewilligungspflicht qualifizierter Änderungen des Verwendungszweckes in Verbindung mit § 73 Abs. 2 BO ergibt sich zwar gerade noch die Möglichkeit, zur Durchsetzung des Verbotes einer nicht bewilligten, aber bewilligungsbedürftigen Änderung des Verwendungszweckes die konsenswidrige Benützung zu untersagen. Ein (positiver) AUFTRAG zu einer bestimmten Benutzung ist dem Baurecht jedoch grundsätzlich fremd. Darüber hinaus wäre der Auftrag nicht einmal hinreichend bestimmt. Ist doch die belangte Behörde der Begründung ihres Bescheides zufolge davon ausgegangen, daß für das gegenständliche Grundstück nur Bewilligungen für die Errichtung eines Verkaufsobjektes, den Zubau eines Geschäftslokales und den Zubau eines Trockenabortes sowie eine Baubewilligung für den Umbau eines Magazingebäudes zu einem Futtermittelwerk und einen Einbau einer Wohnung mit Kanzlei vorliegen. Abgesehen davon, daß sie damit verkennt, daß sich diese Bewilligungen auf zwei verschiedene Objekte beziehen, nämlich die ersten drei Bewilligungen auf das ebenerdige Verkaufsobjekt mit Pultdach und die zuletzt genannte Baubewilligung auf das ca. 29,50 m x 14,50 m große ebenerdige Gebäude mit Satteldach, wurde in dem angefochtenen Bescheid nicht klargestellt, welchen Verwendungszweck die belangte Behörde für das gegenständliche Objekt als den maßgeblichen und konsentierten angesehen hat, zu dessen Einhaltung die Beschwerdeführerin verpflichtet werden sollte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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