VwGH 90/05/0110

VwGH90/05/011027.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatpräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der J in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Erledigung eines Devolutionsantrages in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
AVG §9;
BauO Krnt 1992 §21 Abs1;
BauRallg;
HGB §13;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
WEG 1975 §12 Abs1;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
AVG §9;
BauO Krnt 1992 §21 Abs1;
BauRallg;
HGB §13;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
WEG 1975 §12 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG und § 73 AVG wird die Berufung der Beschwerdeführerin vom 27. Oktober 1988 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 21. Mai 1987, Zl. 1 B 18429/83, als unzulässig zurückgewiesen.

Die Landeshauptstadt Klagenfurt hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf der Liegenschaft EZ nnn des Grundbuches über die Katastralgemeinde S, K-Straße 68, welche seit 27. Juli 1978 der "X" X-GmbH gehörte, befindet sich ein Mehrfamilienhaus; am 3. Jänner 1983 wurde unter COZ 4 dieser Grundbuchseinlage die vorbehaltene Verpfändung gemäß § 24a Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes angemerkt.

Am 10. Mai 1983 beantragten Mag. H und Dipl. Ing. P, die Wohnungseigentumsbewerber hinsichtlich der Wohnungen Top 10 und Top 11 im zweiten Obergeschoß dieses Hauses, die Bewilligung der "Verwendungsänderung" von Dachflächen, damit diese Flächen als Dachterrasse genützt werden könnten. Eine schriftliche Zustimmungserklärung der "X" X-GmbH, vom 1. Juni 1983 wurde anläßlich der Bauverhandlung vom 4. August 1983 "vorläufig" zurückgezogen. Am 22. August 1986 wurde dem Baupolizeiamt Klagenfurt eine Liste vorgelegt, in der alle

11 Wohnungseigentumsbewerber aufgezählt sind und um Zustimmung zu dieser Bauführung gebeten wurden; die Liste weist neben den Unterschriften der beiden Bauwerber sieben weitere Unterschriften, nicht aber die Unterschrift der dort aufgezählten Beschwerdeführerin auf. Am 10. November bzw. 27. November 1986 erweiterten die Bauwerber ihr Ansuchen um die Bewilligung einer Loggia-Verglasung. Der vorgelegte Grundbuchsauszug vom 6. Februar 1987 wies nach wie vor die "X" X-GmbH, als Liegenschaftseigentümerin aus. Die Ladung zur Bauverhandlung vom 21. Mai 1987 erging an die "X" X-GmbH, als Grundeigentümerin; ein Vertreter dieser Gesellschaft erschien dort, erhob keine Einwendungen und übernahm den Baubewilligungsbescheid.

Mit dem mit 21. Mai 1987 erlassenen Bescheid bewilligte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt den Loggiaverbau und die Änderung der Verwendung von "Dachfläche in Dachterrasse". Es wurden einige Auflagen vorgeschrieben. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin auf ihren Antrag am 13. Oktober 1988 zugestellt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte sie vor, anläßlich der Bescheiderlassung sei der Baubehörde bekannt gewesen, daß die Beschwerdeführerin ein Anwartschaftsrecht besitze und "außerbücherliche" Eigentümerin sei. Ihre Interessen würden durch die Benützung der Terrasse erheblich beeinträchtigt werden. Eigentümerin der Liegenschaft sei im Zeitpunkt der Bescheiderlassung die "X" X-GmbH WIEN und nicht Klagenfurt gewesen. Die "X" X-GmbH W sei dem gegenständlichen Verfahren nicht beigezogen worden. Die "Baurechtsbehörde" habe also nicht nur die Beschwerdeführerin übergangen, sondern auch die grundbücherliche Eigentümerin, die sicher niemals zugestimmt hätte, weil das eine Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der Beschwerdeführerin bedeutet hätte. Es werde daher Abänderung dahingehend beantragt, daß die Baubewilligung für die Änderung der Verwendung "Dachfläche in Dachterrasse" nicht erteilt werde; hilfsweise wurde Aufhebung begehrt.

Am 10. Oktober 1989 beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 73 AVG die Entscheidung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt, da über ihre Berufung vom 27. Oktober 1988 nicht entschieden worden sei.

Die schon am 27. April 1990 zur hg. Zl. 90/05/0109 eingebrachte Säumnisbeschwerde wurde von der Beschwerdeführerin offenbar wegen eines in der Sachverhaltsangabe unrichtig angegebenen Datums am 16. Mai 1990 zurückgezogen, sodaß mit hg. Beschluß vom 12. Juni 1990 die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt wurde.

In der vorliegenden Säumnisbeschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, daß auch der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt über ihre Berufung nicht entschieden habe.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt legte mit

einer Stellungnahme die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 AVG haben die Behörden über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen; nach Ablauf dieser Frist geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Jede Partei des Verwaltungsverfahrens hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages oder der Berufung vorliegen. In diesem Fall hat sie den Anspruch auf Erlassung eines Bescheides über die Zurückweisung ihres Antrages oder ihrer Berufung. Auch IM STREIT UM PARTEISTELLUNG und Antragsbefugnis besteht, insoweit diese zur Entscheidung stehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht. Beschwerdeberechtigt gemäß Art. 132 B-VG ist demnach auch ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann (hg. Beschluß vom 15. Dezember 1977, Zl. 934 und 1223/72, verstärkter Senat, Slg. N.F. Nr. 9.458/A).

Im vorliegenden Fall hat der gemäß § 76 Abs. 1 des Statuts der Landeshauptstadt Klagenfurt, LGBl. Nr. 58/1967, zur Entscheidung über diese Berufung zuständige Stadtsenat nicht entschieden; zufolge Parteienantrages wurde der Gemeinderat als oberstes Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches (§ 30 des Stadtstatuts) zur Entscheidung über die Berufung zuständig. Da auch der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt seiner Entscheidungspflicht innerhalb der Frist des § 27 VwGG nicht nachkam, liegen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde vor.

Bei Behandlung der vorliegenden Berufung ist die Prozeßvoraussetzung zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin Parteistellung zukommt, andernfalls die Berufung der Nichtpartei als unzulässig im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG zurückzuweisen ist. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG kann nämlich nur eine Partei berufen; wer Partei ist, ist aufgrund der Verweisung im § 8 AVG nach den von den Verwaltungsbehörden in der jeweiligen Verwaltungsangelegenheit anzuwendenden Rechtsvorschriften zu beurteilen (Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 118). Gemäß § 21 (1) der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 64/1992, ist im Verfahren nach den §§ 14 bis 17 leg. cit. u.a. dem Eigentümer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung stehen den Parteien gegen einen Baubewilligungsbescheid die Berufung und die Vorstellung nach den gemeinderechtlichen Vorschriften zu. Käufer oder Wohnungseigentumsbewerber sind in der erschöpfenden Aufzählung des § 21 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1992 jedenfalls nicht angeführt.

Die Beschwerdeführerin hat sich selbst in ihrem Schreiben vom 8. Jänner 1989 als "außerbücherliche" Eigentümerin bezeichnet. Aus diesem Schreiben geht aber vor allem hervor, daß der Kaufvertrag über die Wohnung erst am 16. Juni 1987 - also nachdem die Rechtsmittelfrist gegen den Baubewilligungsbescheid schon abgelaufen war - unterfertigt wurde. Eine weitere Untersuchung ihrer sachenrechtlichen Stellung zum Zeitpunkt des Ablaufes dieser Frist ist daher entbehrlich.

An dieser Stelle sei bemerkt, daß gemäß § 12 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 das Wohnungseigentum durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben wird. Der Wohnungseigentumsbewerber ist kein "außerbücherlicher Eigentümer" (siehe die Aufzählung der Fälle der Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes bei Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II9, 106); eine besondere Stellung gewährt ihm das Gesetz nur gegenüber dem Wohnungseigentumsorganisator, nicht aber gegenüber Dritten (vgl. Würth in Rummel, Kommentar zum ABGB II2, Rz 1 zu § 23 WEG). Jedenfalls kann die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall aus ihrer sachenrechtlichen Beziehung zur Eigentumswohnung eine Parteistellung nach der hier anzuwendenden Kärntner Bauordnung nicht ableiten (vgl. auch das zur Wiener Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/05/0170).

In ihrer Berufung hat die Beschwerdeführerin aber auch behauptet, daß gar nicht der Eigentümer ("X" X-GmbH Wien), sondern ein Dritter ("X" X-GmbH Klagenfurt) am Bauverfahren teilgenommen hätte. Die Frage, ob der Rechtsnachfolger eines übergangenen, also gesetzwidrig nicht beigezogenen Grundstückseigentümers diesen Umstand geltend machen kann, muß aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nicht gelöst werden.

Im übrigen liegt die von der Beschwerdeführerin behauptete Personenverschiedenheit zwischen "X" X-GmbH W und "X" X-GmbH K nicht vor, sondern handelt es sich um ein und dieselbe juristische Person. Es bestand bis 11. März 1987 (Protokollierungsdatum) die beim Handelsgericht Wien protokollierte Gesellschaft "X" X-GmbH mit Zweigniederlassungen u. a. in Klagenfurt; die Zweigniederlassung war schon vor dem Zeitpunkt der vorliegenden Baubewilligung und ist heute noch beim Landesgericht Klagenfurt protokolliert. Haupt- und Zweigniederlassungen sind nur organisatorische Formen eines einzigen Unternehmens. Träger der Rechte und Pflichten ist bei beiden das Gesamtunternehmen, nicht aber die einzelne Niederlassung; auch registrierte Zweigniederlassungen einer Handelsgeschäfte betreibenden Gesellschaft haben keine eigene Rechtspersönlichkeit; Rechtsträger ist in allen diesen Fällen der Kaufmann oder die Gesellschaft selbst (Friedl-Schinko in Straube, HGB, § 13 Rz 4; in der damals geltenden Fassung). Da somit die "X" X-GmbH Wien und die "X" X-GmbH Klagenfurt rechtlich ident sind, war jedenfalls der Grundeigentümer bei der Bauverhandlung vertreten, und damit wurde der Bestimmung des § 21 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1992 genüge getan. Die Beschwerdeführerin muß sich die im § 51 leg. cit. festgelegte dingliche Bescheidwirkung entgegenhalten lassen und es liegt keine gesetzliche Grundlage für eine Anerkennung als "übergangene Partei" vor. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG war ihre Berufung daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Umsatzsteuer mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand abgegolten, weshalb das diesbezügliche Mehbegehren abzuweisen war.

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