VwGH 89/14/0094

VwGH89/14/009420.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der H in I, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom 7. März 1989, Zl 31.274-3/88, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §32 Z1 lita;
BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §32 Z1 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt in der Form eines protokollierten Einzelunternehmens einen Kinderbuchverlag.

Für das Streitjahr erklärte sie eine Versicherungsentschädigung von 1,9 Mio S abzüglich eines Brandschadens von 900.000 S, somit 1 Mio S, als außerordentlichen Ertrag und beantragte, auf den nach Ausgleich mit dem laufenden Verlust verbleibenden Gewinn gemäß § 37 Abs 2 EStG 1972 den "Hälftesteuersatz" anzuwenden.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, "der für den Brandschaden beantragte Hälftesteuersatz gem § 37 EStG konnte nicht anerkannt werden".

In der Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, im Jahr 1986 sei in jenem Lager, in dem sie den größten Teil ihres Lagerbestandes untergebracht habe, ein Brand ausgebrochen, wodurch sämtliche Bücher vernichtet bzw unbrauchbar gemacht worden seien. Die Entschädigung der Versicherung habe 1,9 Mio S betragen. Der über den Buchwert des untergegangenen Lagerbestandes hinausgehende Mehrbetrag von 1 Mio S sei von der Versicherung vor allem deshalb geleistet worden, weil durch den Untergang des gesamten Lagerbestandes eine Geschäftsbeeinträchtigung für mehrere Jahre gegeben gewesen sei. Dies hänge damit zusammen, daß die einzelnen Auflagen nur sukzessive nachgedruckt werden könnten und daher für das bereits vor der Tür stehende Weihnachtsgeschäft noch nicht zur Verfügung gestanden seien. Da der "Normalumsatz" des Streitjahres im Durchschnitt der letzten Jahre liege, sei schon aus der Höhe der Versicherungsleistung erkennbar, daß diese ein Äquivalent für eine mehrjährige Betriebsbeeinträchtigung, somit eine Ersatzleistung darstelle, was in Verbindung mit § 32 Z 1 EStG 1972 zur Anwendung der Tarifbegünstigung nach § 37 EStG 1972 führen müsse.

In einem Schreiben des Leiters des Lagers an die Beschwerdeführerin vom 29. April 1986 wurde der durch den Brand am 12. April 1986 verursachte Schaden mit rund 3 Mio S angegeben. Diesem Schreiben war eine Aufstellung über Stückzahl, Einzelpreis und Gesamtsumme der vernichteten bzw unverkäuflichen Bücher angeschlossen. In einem aktenkundigen Schreiben an die Versicherung vom 19. Februar 1988 hielt die Beschwerdeführerin fest, im Zuge der Abwicklung des Schadensfalles sei vergleichsweise vereinbart worden, die Versicherung bezahle zum Zweck der Wiederherstellung (Nachdruck) der beschädigten Bücher einen Betrag von 1,9 Mio S und übernehme die involvierten Buchbestände zur allfälligen Verwertung als Altpapier oder zur Vernichtung. Der Nachdruck der Bücher werde von der Beschwerdeführerin vorgenommen und aus der Versicherungszahlung beglichen.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin vor, mit der Versicherungsentschädigung sei lediglich ein Vermögensschaden abgegolten worden. Es sei nur deshalb ein Teil der Versicherungsentschädigung ertragswirksam geworden, weil die durch den Brand vernichteten bzw beschädigten Bücher in der Bilanz des Kinderbuchverlages zu niedrig - unter ihrem Teilwert - bewertet worden seien. Ein etwaiger Schaden aus Einnahmenausfällen sei demnach - wenn überhaupt - nur mittelbar und nicht unmittelbar, wie dies in Lehre und Rechtsprechung für Entschädigungen im Sinn des § 32 Z 1 EStG 1972 verlangt werde, durch die Versicherungsleistung ausgeglichen worden.

Diesen Ausführungen erwiderte die Beschwerdeführerin im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, die Unmittelbarkeit zwischen Einkommensverlust und Schadenersatz bestehe in ihrem Fall darin, daß durch den Brand nicht Anlagevermögen, sondern Umlaufvermögen, das unmittelbar der Umsatzerzielung diene, vernichtet worden sei. Die Schadensfeststellung und Bewertung desselben durch die Versicherung sei ein Akt sui generis und für steuerliche Schlußfolgerungen in keiner Weise geeignet. Es gehöre zu den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß die Zahlungsbereitschaft der Versicherungen von vornherein gering sei. Die Lagerbewertung sei nach den in ganz Österreich geltenden Richtlinien des Fachverbandes erfolgt und diese Vorgangsweise sei, abgesehen von einer kleinen Modifizierung, bisher vom Finanzamt anerkannt worden.

Aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde über eine telefonische Rücksprache mit dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin geht hervor, die Verhandlungen zwischen der Beschwerdeführerin und der Versicherung seien mündlich geführt worden, weswegen keine weiteren Korrespondenzen über die Schadensabwicklung vorgelegt werden könnten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Begehren der Beschwerdeführerin, auf ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb den "Hälftesteuersatz" anzuwenden, mit der Begründung ab, der im Sinn des § 32 Z 1 lit a EStG 1972 erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Versicherungsentschädigung und einem durch den Entfall von Einnahmen aufgetretenen Schaden sei nicht gegeben. Die Versicherungsentschädigung habe vielmehr der Abdeckung des Vermögensschadens der Beschwerdeführerin gedient, was auch daraus hervorgehe, daß der gesamte Entschädigungsbetrag für die Wiederherstellung des Lagerbestandes habe aufgewendet werden müssen. Ertragswirksam sei ein Teil der Versicherungsentschädigung nur deshalb geworden, weil der Lagerbestand offensichtlich unter den Anschaffungs- bzw Wiederbeschaffungskosten bewertet worden sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführerin ist zunächst insoweit zuzustimmen, als für den Entschädigungsbegriff des § 32 Z 1 lit a EStG 1972 nicht die Bezeichnung durch den Geschädigten oder den Ersatzpflichtigen, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt - von der Beschwerdeführerin als "objektiver Sachverhalt" bezeichnet - entscheidend ist (vgl die hg Erkenntnisse vom 19. Februar 1985, 84/14/0107, und vom 19. September 1989, 89/14/0107). Genau davon ist aber auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgegangen, wenn sie festgestellt hat, aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin an die Versicherung vom 19. Februar 1988 und dem des Leiters des Lagers an die Beschwerdeführerin vom 29. April 1986 gehe hervor, daß der von der Versicherung bezahlte Betrag von 1,9 Mio S zur Wiederbeschaffung der vernichteten Lagerbestände gewährt und auch dafür verwendet worden sei und daher nicht gleichzeitig eine Entschädigung für künftig entgehende Einnahmen sein könne. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe die subjektive Widmung der Versicherung hinsichtlich der Entschädigung herangezogen, entspricht somit nicht den Tatsachen.

Der belangten Behörde kann aber auch insoweit nicht entgegengetreten werden, als sie den von der Versicherung ermittelten Schadenswert offenbar als Teilwert des vernichteten bzw beschädigten Lagerbestandes im Zeitpunkt des Schadenseintrittes angesehen hat. Wenn die Beschwerdeführerin im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ausgeführt hat, es gehöre zu den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß die Zahlungsbereitschaft der Versicherungen von vornherein gering sei, kann nicht davon ausgegangen werden, eine Versicherung ersetze nach Eintritt eines Brandschadens mehr als den Wert des untergegangenen Vermögens, außer sie hätte sich ausdrücklich dazu verpflichtet. Unterlagen, aus denen eine derartige Verpflichtung der Versicherung hervorgeht, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgelegt. Ebensowenig gibt es einen Hinweis für eine freiwillige Mehrleistung der Versicherung.

Den Ausführungen in der Beschwerde, der Verlust des Lagerbestandes führe zwangsläufig stets auch zu einem Entfall künftiger Erträge, ist zwar zuzustimmen. Entscheidend ist jedoch, daß zwischen der geleisteten Entschädigung und dem durch den Entfall der Einnahmen eingetretenen Schaden - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nur ein mittelbarer Zusammenhang besteht. Die Versicherungsentschädigung wurde nämlich nicht als Ersatz für entgangene bzw entgehende Einnahmen, sondern für den Verlust des Lagerbestandes geleistet. Insofern ist der vorliegende Fall durchaus mit jenen Sachverhalten, die den hg Erkenntnissen vom 14. Oktober 1981, 13/3087/79, und vom 16. September 1986, 83/14/0123, zugrunde liegen, vergleichbar; auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Da der angefochtene Bescheid somit nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

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