VwGH 83/14/0123

VwGH83/14/012316.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Dorner, über die Beschwerde 1. der KB, 2. der SF, beide in S, sowie 3. der DW in H, alle vertreten durch Dr. Karl Hempel, Rechtsanwalt in Wien I, Parkring 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 2. Mai 1983, Zl. 11/21/6-BK/Ka-1982, betreffend Einkommensteuer 1973, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §2;
EStG 1972 §28;
EStG 1972 §32 Z1 lita;
EStG 1972 §2;
EStG 1972 §28;
EStG 1972 §32 Z1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind Erben nach KW (in der Folge als Erblasserin bezeichnet). Die Erstbeschwerdeführerin ist die Tochter der Erblasserin, die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sind die Kinder der verstorbenen zweiten Tochter der Erblasserin.

Mit einem im Jahr 1946 abgeschlossenen Schenkungsvertrag schenkte die Erblasserin der Erstbeschwerdeführerin und der damals noch lebenden zweiten Tochter mehrere Grundstücke, wobei jedoch die auf den Grundstücken befindlichen Gebäude und Anlagen aller Art ausdrücklich von der Schenkung ausgenommen wurden. Außerdem behielt sich die Erblasserin an sämtlichen geschenkten

Grundstücken "zu zwei Drittel ... Anteilen derselben" das

lebenslange Fruchtgenußrecht vor und verpflichtete ihre Töchter, die Grundstücke ohne ihre Zustimmung weder zu veräußern noch zu belasten. Sowohl das Fruchtgenußrecht als auch das Belastungs- und Veräußerungsverbot wurden grundbücherlich einverleibt.

In der Folge schlossen die Erblasserin und ihre Töchter bzw. ihre Enkelkinder mit einer Ges.m.b.H., an der sie als (beherrschende) Gesellschafter beteiligt waren, Pacht- und Abbauverträge betreffend Sand- und Schottervorkommen in den vom Fruchtgenußrecht betroffenen Grundstücken sowie in Grundstücken, die nach wie vor im Alleineigentum der Erblasserin standen. Vereinbart wurden ein fester Pachtzins und ein Abbauzins, der pro Kubikmeter abgebauten Materials bemessen war. Beide Entgeltskomponenten wurden im Verhältnis zwei Drittel (Erblasserin) zu einem Sechstel (Erstbeschwerdeführerin) und einem Sechstel (Zweit- und Drittbeschwerdeführerin) aufgeteilt.

Im Zuge der Planung und Errichtung einer Autobahn kam es zu Verkaufsverhandlungen zwischen der Erblasserin, den Beschwerdeführerinnen und der Ges.m.b.H. einerseits und der Republik Österreich andererseits. In einer Vereinbarung vom 16. Oktober 1972 (im Verwaltungsverfahren als "Vorvertrag" bezeichnet) wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Von den für den Bau der Autobahn beanspruchten Grundstücksflächen entfielen 57.303 m2 auf Grundstücke der Erblasserin, 101.014 m2 auf Grundstücke der Erstbeschwerdeführerin und 122.420 m2 auf Grundstücke der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin. In diesen Flächen war eine Fläche im Ausmaß von 34.827 m2 nicht enthalten, in der ein Schleifsandvorkommen festgestellt worden war. Während bezüglich der anderen Grundstücksflächen ein Quadratmeterpreis von S 50,-- vereinbart wurde (das ergab eine gesamte Ablösesumme von S 14,036.850,--), wurde als Entschädigungssumme für das Schleifsandvorkommen einschließlich der betreffenden Grundstücksflächen ein Betrag von S 5,950.000,-- und für das bereits abgebaute Material ein solcher von S 200.000,-- (zusammen daher S 6,150.000,--) vorgesehen. Weiters wurden noch Entschädigungen für Baulichkeiten vereinbart.

Die Kaufpreise bzw. Entschädigungssummen sollten wie folgt aufgeteilt werden:

1) Die Kaufpreise für die eingelösten Grundstücke sollten dem jeweiligen Grundeigentümer zustehen;

2) der Entschädigungsbetrag für Schleifsandvorkommen und bereits abgebautes Material sollte auf die Grundeigentümer im Verhältnis 4 (Erblasserin) zu 1 (Erstbeschwerdeführerin) zu 1 (Zweit- und Drittbeschwerdeführerin) verteilt werden;

3) als Entschädigung für Baulichkeiten sollten der Erblasserin S 577.115,-- und der Ges.m.b.H. S 822.275,-- bezahlt werden.

Im Jahre 1973 wurden schließlich zwischen der Republik Österreich einerseits und den einzelnen Eigentümern andererseits getrennte Kaufverträge abgeschlossen. Der mit der Erblasserin abgeschlossene Kaufvertrag hatte im wesentlichen folgenden Inhalt:

Die Verkäuferin verkauft und übergibt an die Republik Österreich Teilflächen verschiedener Parzellen im Gesamtausmaß von

71.832 m2 "mit allen Rechten und Pflichten, wie die Verkäuferin diese Grundstücke bzw. diese Teilgrundstücke bisher besessen und benützt hat oder zu besitzen und benützen berechtigt war, sowie mit allen Bestandteilen und Zubehör und allen damit im Zusammenhang stehenden Rechten um den beiderseits vereinbarten Gesamtkaufpreis von S 8,268.715,-- ... Hievon entfallen auf Gebäude S 577.115,-- ...".

Im Zuge einer für die Jahre 1973 bis 1977 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer durch Anfrage beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung fest, daß der oben genannte Kaufpreis sich wie folgt zusammensetzte:

"a)

Grundpreis71.832 m2 a S 50,--

  

S

3,591.600,--

b)

Ertragsentgang für Schleifsandvorkommen350.00 m3 a S = 17,--Entschädigung für lagerndes Material

S SS

5,950.000,-- 200.000,--6,150.000,--

  
 

davon 4/6

  

S

4,100.000,--

c)

Anteilsmäßige Entschädigung für Baulichkeiten

  

SS

5.77.115,-- 8,268.715,--"

      

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

ausschließlich über die Frage, ob der Betrag von S 4,100.000,--

als Ersatz für entgehende Einnahmen im Sinne des § 32 Z. 1 lit. a

EStG anzusehen ist und der Einkommensteuer unterliegt (=

Auffassung der belangten Behörde) oder ob dies nicht zutrifft (=

Auffassung der Beschwerdeführerinnen).

Die Beschwerdeführerinnen begründen ihre Rechtsansicht im wesentlichen wie folgt:

Die Entschädigung unterliege deswegen nicht der Einkommensteuer, weil es sich um die Veräußerung einer Einkunftsquelle handle. Als solche sei das Schleifsandvorkommen anzusehen, welches der Erblasserin (ebenso wie die Grundstücke selbst) als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen sei. Die Erblasserin habe sich nämlich nicht nur das Fruchtgenußrecht an den betreffenden Liegenschaften vorbehalten - dies würde für sich allein noch kein wirtschaftliches Eigentum der Erblasserin begründen -, sondern es sei darüber hinaus ein grundbücherlich einverleibtes Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Erblasserin vorgesehen worden, sodaß die Liegenschaften nur mit ihrer Zustimmung veräußert (belastet) werden könnten. Weiters habe sich die Erblasserin das Eigentumsrecht an den auf den Liegenschaften befindlichen Gebäuden vorbehalten. Diese Umstände sprächen dafür, die Erblasserin als wirtschaftliche Eigentümerin der seinerzeit den Töchtern geschenkten Liegenschaften und daher auch am Schleifsandvorkommen anzusehen.

Aber selbst wenn man dieser rechtlichen Beurteilung nicht folgen wollte, so liege dennoch die Veräußerung einer Einkunftsquelle vor, weil auch im abgefundenen Fruchtgenußrecht am Schleifsandvorkommen eine Einkunftsquelle zu erblicken sei.

Eine Entschädigung für entgehende Einnahmen im Sinne des § 32 Z. 1 lit. a EStG liege deswegen nicht vor, weil derartige Entschädigungen den Ersatz eines Schadens voraussetzten, der ohne oder gegen den Willen des Geschädigten eingetreten sei, was aber auf einen Kaufvertrag nicht zutreffe.

Demgegenüber vertritt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Auffassung, daß die Erblasserin nicht als wirtschaftliche Eigentümerin, sondern nur als Fruchtgenußberechtigte jener Liegenschaften anzusehen sei, in denen sich das streitgegenständliche Schleifsandvorkommen befinde. Da das Fruchtgenußrecht grundbücherlich einverleibt worden sei, habe es gegen jeden zivilrechtlichen Eigentümer Wirkungen entfaltet; dem Veräußerungs- und Belastungsverbot komme daher in bezug auf das Fruchtgenußrecht keine Bedeutung zu. Vielmehr müsse angenommen werden, daß es im Zusammenhang mit den Gebäuden und Anlagen stehe, an denen sich die Erblasserin anläßlich der Schenkung der Liegenschaften das Eigentumsrecht vorbehalten habe - ein Vorbehalt, der grundbücherlich nicht einverleibt worden sei.

Gegen die Annahme wirtschaftlichen Eigentums spreche auch, daß die Erblasserin über die Liegenschaften keineswegs die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausüben könnte. Ihr Fruchtgenußrecht habe nur zwei Drittel der Erträge betroffen; außerdem habe sie im Jahr 1959 ausdrücklich auf die agrarischen Nutzungsrechte verzichtet und ihr Nutzungsrecht auf die Nutzung der Bodensubstanzen beschränkt. Schließlich spreche gegen die Annahme wirtschaftlichen Eigentums, daß die Erblasserin nie die Absetzung für Substanzverringerung in Anspruch genommen habe. Diese sei vielmehr bei ihren Töchtern bzw. Enkelkindern als Liegenschaftseigentümer berücksichtigt worden.

Aber auch dem Argument, die Entschädigung sei in eventu als Entgelt für die Aufgabe des Fruchtgenußrechtes und damit als Entgelt für die Aufgabe (den Verlust) einer Einkunftsquelle anzusehen, könne nicht gefolgt werden. Dies deshalb, weil ja das Fruchtgenußrecht nicht zur Gänze erloschen sei, sondern die Republik Österreich nur eine Entschädigung für einen Teil des zu erwartenden Ertragsausfalles bezahlt habe.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die Erblasserin (wirtschaftliche) Eigentümerin sämtlicher veräußerter Liegenschaften war, oder ob sie bezüglich jener Grundstücke, in denen sich das Schleifsandvorkommen befand, für das die streitgegenständliche Entschädigung bezahlt wurde, lediglich die Stellung einer Fruchtgenußberechtigten hatte. Dies aus folgenden Überlegungen:

Mit § 32 Z. 1 lit. a EStG wird keine eigene (zusätzliche) Einkunftsart geschaffen, sondern es werden den einzelnen Einkunftsarten auch solche Tatbestände zugeordnet, die ihrem Wesen nach nicht ohne weiteres von ihnen erfaßt würden (vgl. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Tz 2 zu § 32, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Entschädigungen im Sinne des § 32 Z. 1 lit. a EStG unterliegen daher nur dann der Einkommensteuer, wenn sie unter eine der sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 EStG) subsumiert werden können. Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß nur eine Subsumtion unter die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Betracht kommt. Wird im Rahmen dieser Einkunftsart die Einkunftsquelle selbst übertragen, so unterliegt ein hiefür vereinnahmtes Entgelt nicht der Einkommensteuer, es sei denn, die Veräußerung erfolgte gegen Leibrente im Sinne des § 29 Z. 1 EStG oder es wären die Voraussetzungen für die Erfassung als Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 EStG gegeben. Die beiden letztgenannten Möglichkeiten scheiden im Beschwerdefall aus.

Der Veräußerung einer Einkunftsquelle, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, ist eine Entschädigung für den Verlust der Einkunftsquelle gleichzusetzen (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Tz 24 zu § 28). In beiden Fällen handelt es sich nämlich um eine bloße Vermögensumschichtung, die vom Tatbestand der Vermietung und Verpachtung, unter die nur bestimmte Vermögenserträge fallen, nicht umfaßt wird.

Nach Lehre und Rechtsprechung stellt ein Fruchtgenußrecht einkommensteuerlich regelmäßig eine Einkunftsquelle des Fruchtgenußberechtigten dar (siehe Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., Tz 14 zu § 2 und die dort zitierte Judikatur). Dies bestreitet die belangte Behörde im Beschwerdefall auch nicht. Sie vertritt aber die Auffassung, daß von der Veräußerung einer Einkunftsquelle bzw. von einer Entschädigung für den Verlust einer Einkunftsquelle deswegen nicht gesprochen werden könne, weil der Erblasserin das Fruchtgenußrecht nicht entzogen worden sei. Vielmehr sei die Entschädigung nur für den Entgang eines Teiles der Fruchtgenußerträge bezahlt worden.

Dem kann der Gerichtshof nicht zustimmen. Steht einer Person das Fruchtgenußrecht an mehreren Liegenschaften zu und wird ein Teil der Liegenschaften mit der Wirkung veräußert, daß auch das Fruchtgenußrecht an den veräußerten Liegenschaftsteilen erlischt, dann erfährt die fruchtgenußberechtigte Person mit der Minderung ihres Fruchtgenußrechtes eine Minderung ihres Vermögens. Es ist dabei gleichgültig, ob ein solcher Vorgang als Abspaltung eines Teiles des bisher einheitlichen Fruchtgenußrechtes an mehreren Liegenschaften und als Verlust des abgespaltenen Fruchtgenußrechtes beurteilt wird, oder ob bloß von einer Wertminderung des einheitlichen Fruchtgenußrechtes auszugehen ist. Wie nämlich der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1981, Zl. 13/3087/79, im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Entschädigungen für Wertminderungen einer Einkunftsquelle ausgesprochen hat, macht der Umstand, daß die Wertminderung eines ertragbringenden Vermögens regelmäßig mit der Minderung bzw. dem Entgang künftiger Erträge verbunden ist, eine Entschädigung für die Vermögenseinbuße noch nicht zu einer Entschädigung als Ersatz für künftighin entgehende Einnahmen im Sinne des § 32 Z. 1 EStG. Vielmehr setzt die Subsumtion einer Entschädigung unter die genannte Bestimmung den Ausgleich eines durch den Ausfall von Einnahmen unmittelbar verursachten Schadens voraus. Im Beschwerdefall wurde die Erblasserin aber nicht unmittelbar für den Verlust eines bereits bestehenden oder konkret zu erwartenden Anspruches auf Einnahmen aus ihrem Fruchtgenußrecht gegenüber der zum Abbau des Schleifsandvorkommens berechtigten Ges.m.b.H. entschädigt, sondern dafür, daß sie ihr Fruchtgenußrecht an jenen Liegenschaften bzw. Liegenschaftsteilen endgültig einbüßte, in denen das Schleifsandvorkommen lag.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat und die Entschädigung für die Aufgabe bzw. Einschränkung (= Wertminderung) des Fruchtgenußrechtes der Erblasserin zu Unrecht als Entschädigung für entgehende Einnahmen im Sinne des § 32 Z. 1 lit. a EStG der Einkommensteuer unterzogen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Wien, am 16. September 1986

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte