VwGH 89/07/0154

VwGH89/07/01542.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Waldner, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 22. Mai 1989, Zl. Agrar 11-473/8/89, betreffend Bestand von agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten (mitbeteiligte Partei: O in L), zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §35 Abs1;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §99;
FlVfGG §35 Abs1;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Krnt 1979 §51 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §99;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin richtete ein mit 28. März 1988 datiertes Schreiben an die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB), vertrat dort die Ansicht, die Beschwerdeführerin habe von der Rechtsvorgängerin der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei deren gesamte Anteile an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken der Beschwerdeführerin gekauft, während grundbücherlich nur die Anteile an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft EZ 51 KG F, nicht jedoch an jener EZ 85 KG F berücksichtigt worden seien, und stellte den Antrag, die entsprechende Richtigstellung des Grundbuchstandes zu veranlassen. Der Mitbeteiligte sah keinen sachlich berechtigten Grund für eine Änderung von Grundbuchseintragungen. Mit Anbringen vom 10. Oktober 1988 verlangte die Beschwerdeführerin eine bescheidmäßige Erledigung ihrer Eingabe vom 28. März 1988.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 1988 entschied die ABB gemäß § 51 Abs. 2 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 - FLG 1979, LGBl. Nr. 64, es werde der IV. Anhang zum Regulierungsplan vom 3. August 1929 in zwei Punkten dahin ergänzt, daß zu den 6/35 Anteilen an der EZ 51 noch 6/35 Anteile an der EZ 85 als Kaufgegenstand hinzugefügt wurden, samt einer Zustellverfügung an das Grundbuchsgericht "mit Antrag nach Rechtskraft des Bescheides".

Aufgrund der Berufung des Mitbeteiligten änderte sodann der Landesagrarsenat beim Amt der Kärntner Landesregierung mit Erkenntnis vom 22. Mai 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß der Antrag der Beschwerdeführerin auf Richtigstellung des Grundbuchstandes zurückgewiesen wurde.

Begründend führte die Rechtsmittelbehörde aus:

"Eine genaue Überprüfung des vorliegenden Berufungsaktes sowie das Vorbringen der Parteien in der Verhandlung des Landesagrarsenates vom 22. Mai 1989 ergäben unter Berücksichtigung der maßgeblichen Bestimmungen des FLG 1979 nachstehendes Beurteilungsbild:

Unter Punkt 1. habe die Vollversammlung der N am 29. Juli 1984 im Rahmen einer außerordentlichen Vollversammlung den Beschluß gefaßt, "Frau ES ihre gesamten Nachbarschaftsanteile an der N zum Preis von S 1,900.000,-- abzukaufen". Zum Zeitpunkt dieser Beschlußfassung sei die Liegenschaft EZ 51 KG F im Eigentum der Agrargemeinschaft "N" und die Liegenschaft EZ 85 KG F im Eigentum der Agrargemeinschaft "O Alpe" gestanden. Sowohl an der Agrargemeinschaft "N" als auch an der Agrargemeinschaft "O Alpe" seien zum genannten Zeitpunkt die Liegenschaften EZ 34 - 42 KG F mit Anteilsrechten an den angeführten Agrargemeinschaften beanteilt gewesen, wobei die Anteilshöhe der einzelnen an den Gemeinschaften beanteilten Liegenschaften miteinander korrespondiert hätten. Die Regelung der Verwaltung dieser Gemeinschaftsbesitzungen sei unter § 5 des Planes über die Regulierung der Gemeinschaftsbesitzungen der N und der "O Alpe" erfolgt, welcher Plan zu Z. 58661/13-VI mit Sitzungsbeschluß des Landesagrarsenates vom 15. November 1929 bestätigt worden sei. Mit Übereinkommen vom 5. September 1984, welches beim Amtstag der ABB in S in Anwesenheit des seinerzeitigen Obmannes der N und der Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten abgeschlossen worden sei, habe letztere die mit ihrer Liegenschaft EZ 36 KG F verbundenen

6/35 Miteigentumsanteile an der N - EZ 51 KG F - an die N um den Kaufpreis von S 1,900.000,-- verkauft. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes S als Grundbuchsgericht sei zunächst sowohl in EZ 36 KG F als auch in EZ 51 KG F die Anmerkung der Einleitung des Regelungsverfahrens hinsichtlich der

6/35 Miteigentumsanteile an der N und mit Beschluß desselben Gerichtes sodann in EZ 36 KG F sowohl die Löschung der Ersichtlichmachung des Miteigentumsrechtes von 6/35 Anteilen an der EZ 51 KG F als auch die Löschung der Anmerkung der Einleitung des Regelungsverfahrens sowie gleichzeitig in EZ 51 KG F - im Eigentum der Agrargemeinschaft "N" - bei den 6/35 Anteilen der EZ 36 KG F die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Agrargemeinschaft "N" durch Herabsetzung des Anteilsrechtsnenners von 35 auf 29 und schließlich ebenfalls die Löschung der Anmerkung der Einleitung des Regelungsverfahrens bewilligt worden.

Die rechtliche Wertung dieses Sachverhaltes unter Zugrundelegung des Antrages der Agrargemeinschaft "N" vom 28. März 1988 durch die Behörde erster Instanz habe zu einer Entscheidung der ABB geführt, mit welcher diese den Vertragswillen einer der Vertragsparteien, nämlich der Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten, nachträglich durch die Darlegung ersetzt habe, daß auch die 6/35 Miteigentumsanteile an der EZ 85 KG F neben den 6/35 Anteilen an der EZ 51 KG F einen zusätzlich weiteren Kaufgegenstand darstellten. Damit setze sich die ABB aber in Widerspruch zum Inhalt des § 51 Abs. 2 FLG 1979. Dem vorliegenden Verwaltungsakt sei zu entnehmen, daß die Eingabe der N vom 28. März 1988 darauf abgezielt habe, eine Richtigstellung des Grundbuchstandes betreffend die Liegenschaft EZ 85 KG F durch die ABB zu erwirken. Verfehlterweise habe sich dieser Antrag auf Richtigstellung des Grundbuches aber an die ABB gerichtet, obwohl die hiefür zuständige Einbringungsstelle das Bezirksgericht S sei. In diesem Lichte betrachtet wäre also der Antrag der N auf Grund des Fehlens der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag vom 28. März 1988 zurückzuweisen gewesen.

Es sei aber auch an dieser Stelle die ergänzende Feststellung zu treffen, daß es sich bei der N (Eigentümerin der Liegenschaft EZ 51 KG F) und der "O Alpe" (Eigentümerin der Liegenschaft EZ 85 KG F) um zwei verschiedene Agrargemeinschaften handle. Es treffe zwar zu, daß hier wie dort - vor der grundbücherlichen Durchführung des Übereinkommens vom 5. September 1984 - derselbe Mitgliederkreis mit der gleichen Anteilshöhe bestanden habe, doch könne dies und die Tatsache, daß zumindest in der Vergangenheit die Behandlung der wirtschaftlichen Angelegenheiten in ein und derselben Vollversammlung stattgefunden habe, nichts an der rechtlichen Selbständigkeit jeder dieser Gemeinschaften ändern. Ebensowenig könne der Rechtsansicht der ABB gefolgt werden, wenn diese ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Streitigkeit zwischen der N bzw. der "O Alpe" einerseits und dem Mitbeteiligten (bzw. seiner Rechtsvorgängerin) andererseits über den Inhalt eines zwischen ihnen abgeschlossenen Kaufvertrages auf die Bestimmung des § 51 Abs. 2 FLG 1979 stütze, welche für die Zuständigkeit der Agrarbehörde das Vorhandensein einer Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis voraussetze. Als Ergebnis des vor dem Landesagrarsenat durchgeführten Ermittlungsverfahrens trete nämlich zutage, daß die Liegenschaft EZ 36 KG F, im derzeitigen Eigentum des Mitbeteiligten, als Mitglied der Agrargemeinschaft "N" zweifelsfrei ausgeschieden sei. Anders verhalte es sich in bezug auf die Agrargemeinschaft "O Alpe", EZ 85 KG F, bei welcher die Liegenschaft EZ 36 KG F nach wie vor als mit 6/35 Anteilen beanteiltes Mitglied aufscheine. Daß aber die Agrargemeinschaft "O Alpe" einen Antrag auf Streitentscheidung gestellt habe, sei dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Insgesamt sehe sich der Landesagrarsenat zur Feststellung veranlaßt, daß es außerhalb der Zuständigkeit der ABB liege, den zumindest mangelhaft dokumentierten Vertragswillen eines der beiden Vertragspartner rechtsgestaltend durch einen behördlichen Akt zu ersetzen. Gleichermaßen könne aber auch eine Zuständigkeit der ABB zur Entscheidung über einen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchstandes nicht erblickt werden, weshalb insgesamt der erstinstanzliche Bescheid in der im Spruch bezeichneten Weise abzuändern gewesen sei.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf meritorische Entscheidung über ihren Antrag verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch der Mitbeteiligte erwiderte in einer Gegenäußerung auf das Beschwerdevorbringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Antragslegitimation der Beschwerdeführerin mit der Begründung verneint, es handle sich im Gegenstand nicht um eine Streitigkeit nach § 51 Abs. 2 FLG 1979, sondern um eine Angelegenheit, für die das Bezirksgericht S zuständig sei und die überhaupt nicht die Beschwerdeführerin, sondern eine Agrargemeinschaft mit der Bezeichnung "O Alpe" als Eigentümerin der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft EZ 85 KG F betreffe, die ihrerseits aber gar keinen einschlägigen Antrag gestellt habe.

Die Beschwerdeführerin hat indessen, was die Art ihres Begehrens betraf, nicht einen Antrag auf unmittelbare Richtigstellung des Grundbuches, sondern, wie dem Text der Eingabe vom 28. März 1988 zu entnehmen ist, auf Veranlassung einer solchen durch die ABB auf Grund eines behaupteten Rechtsgeschäftes, an der die Beschwerdeführerin beteiligt gewesen sei, eingebracht. Die Agrarbehörde wurde offensichtlich deshalb als Adressatin dieses Verlangens gewählt, weil von ihr auch der entsprechende Grundbuchsantrag ("Antragstellerin: Agrarbezirksbehörde Villach") betreffend die Anteilsrechtsveränderung in bezug auf die agrargemeinschaftliche Liegenschaft EZ 51 KG F beim besagten Bezirksgericht eingebracht worden war (vgl. § 110 Abs. 1 FLG 1979). Ausgehend von der - strittigen - Annahme der Beschwerdeführerin, die rechtsgeschäftliche Grundlage für besagten Grundbuchsantrag hätte auch die Einbeziehung der (von der Beschwerdeführerin für sich in Anspruch genommenen) agrargemeinschaftlichen Liegenschaft EZ 85 KG F gerechtfertigt, war es angebracht, zunächst die ABB mit der Angelegenheit zu befassen. Ein Antrag auf eine Streitentscheidung (§ 51 Abs. 2 FLG 1979) wurde dagegen nicht gestellt; die Beschwerdeführerin ging mit ihrer Anschauung, die gesamten, also auch die Anteile der Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten an der letztgenannten Liegenschaft wären an sie (die Beschwerdeführerin) verkauft worden und nicht mehr aufrecht, in bezug auf den Mitbeteiligten (bzw. dessen Rechtsvorgängerin) zudem gar nicht von einem bestehenden Gemeinschaftsverhältnis (§ 51 Abs. 2 FLG 1979) aus. Da nun der Mitbeteiligte den Standpunkt der Beschwerdeführerin nicht teilte, waren bestimmte agrargemeinschaftliche Anteilsrechte überhaupt in Frage gestellt, weshalb die Agrarbehörde gemäß § 99 FLG 1979 eine Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand der fraglichen Anteilsrechte zu treffen hatte; dies allerdings der Beschwerdeführerin gegenüber nur dann, wenn es sich um solche Anteilsrechte handelte, die eine zur Beschwerdeführerin gehörige agrargemeinschaftliche Liegenschaft betrafen. Nur insoweit hatte die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine - aus ihrem nicht rechtskundig formulierten Antrag abzuleitende - bescheidmäßige Erledigung in der Sache, mit welcher freilich zivilrechtliche Fragen nur im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung unter dem Gesichtspunkt der agrarbehördlichen Bewilligungsbedürftigkeit der Absonderung von Anteilsrechten gemäß § 49 Abs. 3 bis 5 FLG 1979 sowie einer Abänderung des Regelungsplanes (durch korrespondierende Herabsetzung des Anteilsrechtenenners) gemäß § 95 desselben Gesetzes beantwortet werden dürften.

Was nun zuletzt die Frage anlangt, ob eine solche Legitimation der Beschwerdeführerin gegeben war, hat die belangte Behörde ihre Anschauung, es lägen in Wahrheit zwei Agrargemeinschaften vor - nämlich die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 51 KG F und eine weitere Agrargemeinschaft mit der Bezeichnung "O Alpe" als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 85 KG F (um welche es im vorliegenden Fall geht) - im angefochtenen Erkenntnis positiv nicht weiter begründet, sondern lediglich negativ bemerkt, daß der gleiche Mitgliederkreis mit der gleichen Anteilshöhe (nämlich vor der Durchführung des in Rede stehenden Übereinkommens) sowie die Behandlung der wirtschaftlichen Angelegenheiten in ein und derselben Vollversammlung an der - stets bloß behaupteten - rechtlichen Selbständigkeit jeder der beiden Gemeinschaften nichts zu ändern vermöge. Der Plan über die Regulierung der betroffenen Gemeinschaftsbesitzungen vom 3. August 1929, Zl. 1269, samt Anhängen ist aber insofern nicht in einer Weise eindeutig, die eine unzureichende Begründung als unwesentlich erscheinen lassen könnte. Auch noch in dem im Verwaltungsakt liegenden Grundbuchsauszug vom 5. Juli 1988 schien als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 85 KG F die Agrargemeinschaft N auf. Infolge dieses rechtserheblichen Verfahrensmangels erweist sich die Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin als ungerechtfertigt.

Das angefochtene Erkenntnis war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des gestellten, den Schriftsatzaufwand in der maßgebenden Höhe bereits bei Beschwerdeerhebung unterschreitenden Antrages (vgl. dazu die Rechtsprechung bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 693).

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