VwGH 91/16/0036

VwGH91/16/003627.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der WN gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 15. Jänner 1991, GZ. R-Sch-6/1/1-GA 7-M/90, betreffend Zollabrechnung gemäß § 80 ZollG für einen eingeführten Personenkraftwagen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §26;
ZollG 1988 §93 Abs2 lita Z1;
ZollG 1988 §93 Abs4;
BAO §26;
ZollG 1988 §93 Abs2 lita Z1;
ZollG 1988 §93 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsbürgerin und seit 1967 mit dem Kaufmann HN, der ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, verheiratet. Beide waren nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens im maßgebenden Zeitpunkt (Jänner 1985) seit 30. Mai 1980 mit ordentlichem Wohnsitz in A nnnn X, Z-Berg Nr. 12, sowie seit 7. Juni 1983 bei B in Berlin 31, Y-Straße 35a, als Untermieter polizeilich gemeldet. Sie hatte am 9. Jänner 1985 bei der Mercedes-Leasing GmbH, Betriebsstätte Berlin, einen gebrauchten Personenkraftwagen der Marke Mercedes-Benz, Type (201) "190-E", geleast und dieses für sie in der Bundesrepublik Deutschland unter dem behördlichen Kennzeichen B-DE nn zum Verkehr zugelassene Fahrzeug bei einer ihrer in den darauf folgenden Tagen im Jänner 1985 erfolgten Einreise nach Österreich unter Inanspruchnahme des sogenannten formlosen Vormerkverfahrens benützt.

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Hauptzollamt Salzburg - im Zusammenhang mit einem von ihm als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin wegen der Finanzvergehen des Schmuggels und der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 1 und 2 FinStrG eingeleiteten Finanzstrafverfahren (§ 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1979, BGBl. Nr. 509/1979, idF des BGBl. Nr. 418/1981, zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes) - mit Bescheid vom 16. Juni 1987 bezüglich dieses im Jänner 1985 im formlosen Vormerkverfahren in das Zollgebiet eingebrachten Personenkraftwagens gemäß § 80 ZollG die Zollabrechnung durchgeführt und ausgesprochen, daß für die Beschwerdeführerin als Vormerknehmerin gemäß § 177 Abs. 3 lit. e iVm § 3 Abs. 2 ZollG die Einfuhrumsatzsteuerschuld in Höhe von 73.926 S unbedingt und fällig geworden sei.

Die Finanzlandesdirektion für Salzburg als Abgabenbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. Jänner 1991 der Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie die Annahme, sie habe ebenso wie ihr Ehegatte den gewöhnlichen Wohnsitz iSd § 93 Abs. 4 ZollG in X, deshalb als unrichtig qualifizierte, weil sie auf Grund ehelicher Zerwürfnisse im Jahre 1984 die Absicht gehabt habe, sich von ihrem Ehegatten zu trennen und deshalb in Berlin eine eigene berufliche Existenz als Handelsvertreter für Textilien aufgebaut habe, keine Folge. Zur Begründung führte die Rechtsmittelinstanz nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der maßgebenden Rechtslage, soweit für die Beschwerde von Relevanz, aus, die Beschwerdeführerin pflichte somit der im erstinstanzlichen Abgabenbescheid zum Ausdruck gekommenen Feststellung der Abgabenbehörde, der gewöhnliche Wohnsitz der Beschwerdeführerin befinde sich im Zollgebiet, insoweit zu, daß dies bis in das Jahr 1984 hinein der Fall gewesen sei. Für 1985 (und die Jahre danach) treffe dies nicht mehr zu. Ob diese Ansicht der Beschwerdeführerin begründet sei, gebe die Antwort auf die Frage, ob sich durch die Arbeitsaufnahme der Beschwerdeführerin am Ort außerhalb ihres Wohnsitzes in X ihre Lebensverhältnisse wie auch die persönlichen Beziehungen derart geändert haben, daß von einem Mittelpunkt der Lebensverhältnisse am Ort in X nicht mehr gesprochen werden könne. Im Zusammenhang dazu sei vorerst auf die Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat des Hauptzollamtes Salzburg am 28. März 1988 hinzuweisen. Damals habe die Beschwerdeführerin erklärt und dies stimme auch mit dem Berufungsvorbringen überein, daß sie 1984 Schwierigkeiten mit ihrem Mann gehabt habe und beide damals die Ehe trennen wollten. Aus diesem Grunde sei sie 1984 nach Berlin gezogen, habe sich dort selbständig gemacht und auch einen Gewerbeschein beantragt. Das Arbeitsgebiet sei der süddeutsche Raum gewesen. Wenn sie in Berlin gewesen sei, habe sie die Zweizimmerwohnung des B benützt. Der Genannte habe seine mit eigenen Möbeln ausgestattete Wohnung nicht benützt, weil er bei einer Freundin gewohnt habe. Zu den Wohnsitzverhältnissen der Vorjahre sei also der Umstand hinzugetreten, daß die Beschwerdeführerin, weil sie ab Ende 1984 eine Reisetätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und zwar im Raum Bayern bis nach Hof, nahe der Grenze zur ehemaligen DDR aufgenommen habe, nun auch die genannte Wohnung in Berlin zum Nächtigen benutzt habe. Die Beschwerdeführerin habe Ende 1984 die Tätigkeit einer selbständig Handelsreisenden der Textilbranche aufgenommen. Ihr Arbeitsgebiet sei Berlin und der Raum Bayern bis Hof gewesen. Unter solchen Umständen sei es verständlich, daß sie von der ihr theoretisch schon seit Mitte 1983 gegebenen Möglichkeit auf Benützung der dem B, einer mit der Familie der Beschwerdeführerin langjährig freundschaftlich verbundenen Person, gehörenden Wohnung in Berlin nunmehr praktisch Gebrauch gemacht habe. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Ehegatten bereits - aus welchen Gründen könne dahingestellt bleiben - seit dem 23. Juli 1983 (richtig wohl: 7. Juni 1983) an dieser Adresse polizeilich gemeldet. Solcherart könne aus der durch die aufgenommene Reisetätigkeit bedingten Nutzung der Wohnung allein keineswegs notwendig eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin abgeleitet werden. Zu dem Berufungseinwand, die Beschwerdeführerin habe seit Ende 1984 Schwierigkeiten mit ihrem Ehegatten gehabt, weshalb sie im Jahre 1984 nach Berlin gezogen sei und wieder zu arbeiten begonnen habe sei zu bemerken, daß nicht der "Umzug" die Arbeitsaufnahme bedingt habe, sondern erst sich durch die Aufnahme der Reisetätigkeit als Handelsvertreterin die Notwendigkeit ergeben habe, auch in Berlin eine Wohnung zu benützen. Dies zeige sich auch daran, daß die Beschwerdeführerin einen "Umzug" - darunter werde im allgemeinen die Errichtung eines neuen Wohnsitzes unter Auflassung des bisherigen Wohnsitzes verstanden - gar nicht vorgenommen habe. Objektiv betrachtet habe sich durch die Arbeitsaufnahme und die (behaupteten) Eheschwierigkeiten an den jahrelang vorgelegenen Wohnsitzverhältnissen der Eheleute im Zollgebiet gar nichts geändert. Schon vor dieser Zeit hätten die Eheleute N nicht Tag für Tag gemeinsam am Familienwohnsitz gewohnt, weil der Ehegatte der Beschwerdeführerin selbst Reisender sei und auf Grund der Größe des von ihm zu betreuenden (bereisten) Gebietes nicht jeden Abend nach Hause gekommen sei. Mit den mehrmals behaupteten Eheschwierigkeiten will die Beschwerdeführerin offensichtlich ihre bislang zugegebene enge Bindung zum Wohnsitz in X ab diesem Zeitpunkt als nicht mehr bzw. zumindest minimal bestehend darstellen. Dem schließe sich die belangte Behörde nicht an. Aus den Aktenunterlagen sei zu ersehen, daß die in Rede stehenden Eheschwierigkeiten offenbar recht kurz bestanden hätten und daher nicht überzubewerten seien. Das Haus in X stehe jeweils zur Hälfte im Eigentum der Eheleute Schultz. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe kein einziges Mal zum Ausdruck gebracht, daß er wegen der behaupteten Eheschwierigkeiten oder auch aus sonstigem Grunde aus dem Haus habe ausziehen wollen bzw. auch tatsächlich ausgezogen sei. Auch die Beschwerdeführerin habe solches in letzter Konsequenz nicht getan. Geradezu das Gegenteil sei der Fall. Ende des Jahres 1984 hätten die beiden Eheleute mit dem Hinweis "wir haben 1979 ein Haus gekauft in X und wohnen dort ständig" einen (weiteren) Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes für den Aufenthalt in Österreich an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gestellt. Die Beschwerdeführerin habe auch ihr inländisches Kraftfahrzeug weiter bis Mitte 1985 benützt, obgleich ihr von Anfang 1985 an der streitverfangene Personenkraftwagen zur Vergügung gestanden sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Leasingvertrag vom 9. Jänner 1985 hinzuweisen. Darin ermächtige die Beschwerdeführerin die Mercedes-Leasing GmbH die jeweils fälligen Zahlungen aus dem Vertragsverhältnis bei der "Volksbank Bad Reichenhall" mittels Lastschrift einzuziehen. Aus dieser Tatsache werde ganz klar ersichtlich, daß sich in den äußeren Lebensverhältnissen der Beschwerdeführerin eigentlich nicht viel geändert haben könne. Ein weiterer Hinweis dafür gehe aus der niederschriftlichen Aussage des B beim Zollfahndungsamt Berlin vom 28. Jänner 1986 hervor. Darnach habe sich der Genannte 1984 in der Bundesrepublik Deutschland ein Segelboot gekauft, welches er im Jahre 1985 nach Österreich gebracht und im Wohnhaus der "Familie N" eingestellt habe. Weiters habe der Genannte wörtlich folgendes ausgesagt: "Von Herrn N und seiner Ehefrau wurde das Boot gelegentlich mit meinem Einverständnis genützt." Heute betrachtet sei festzustellen, daß es in der Folge auch tatsächlich zu keiner Trennung der Ehe gekommen sei. Wie bereits oben dargelegt worden sei, so führte die belangte Behörde abschließend aus, sei die Absicht der Beschwerdeführerin, ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Berlin zu haben, weil sie dort ihren beruflichen Wirkungsbereich habe, nicht von Bedeutung. Wie schon ausgeführt worden sei, gebe § 93 Abs. 4 erster Satz ZollG für die Auffindung des "Mittelpunkt der Lebensverhältnisse" den persönlichen Bindungen den Vorrang vor den beruflichen oder geschäftlichen Beziehungen einer Person. Von persönlichen Bindungen am Arbeitsort im Zollausland könne im vorliegenden Falle gar keine Rede sein, im Gegenteil, am Ort in X hielten sich die Ehegatten gemeinsam auf und hier habe auch der Sohn G seine Ferien verbracht. Hier seien auch Besuche empfangen und mit den Nachbarn ein gutes Einvernehmen gepflegt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, das streitverfangene Beförderungsmittel im formlosen Vormerkverkehr in das Zollgebiet einbringen zu dürfen und daher die vorgeschriebene Einfuhrumsatzsteuer nicht entrichten zu müssen. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, die belangte Behörde versuche im Rahmen der Beweiswürdigung nachzuweisen, daß es zu einer Verlegung ihres Wohnsitzes nicht gekommen sei. Diese Beweiswürdigung gipfle in der Feststellung, daß, objektiv betrachtet, sich durch die Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik Deutschland an den jahrelang vorgelegenen Wohnsitzverhältnissen der Eheleute N im Zollgebiet nichts geändert hätte. Diese Begründung übersehe, daß es bei intakter Ehe nicht darauf ankomme, ob die Eheleute jeden Abend zusammen seien oder nicht, sondern darauf, ob die Eheleute gemeinsam einen Wohnsitz haben, an dem sie sich immer wieder, auch nach berufsbedingter Abwesenheit, treffen und den sie gemeinsam als ihren Wohnsitz akzeptieren. Die belangte Behörde übersehe, daß es ja die ehelichen Zerwürfnisse gewesen seien, die die Beschwerdeführerin dazu veranlaßt hätten, im Jahre 1984 wiederum eine berufliche Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. Dazu komme noch, daß die Beschwerdeführerin bereits während des anhängigen Verfahrens ihren Wohnsitz von Berlin nach Bad Reichenhall verlegt habe. Sie wohne dort ständig und betreibe ein Geschäft. Ihr Haushalt in Österreich sei zwischenzeitig überhaupt aufgelöst und die Liegenschaft in X verkauft worden. Wenn die belangte Behörde richtig feststelle, daß für den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse nicht die berufliche, sondern die persönliche Bindung den Vorrang habe, so sei dies auf den Beschwerdefall bezogen in den Jahren 1984 und 1985 Berlin gewesen, weil die persönlichen Beziehungen auf Grund der ehelichen Zerwürfnisse die Aufrechterhaltung ihres Wohnsitzes in X nicht gestattet hätten.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 67 Abs. 3 lit. a ZollG ist der Eingangsvormerkverkehr auch zulässig für ausländische (unverzollte) Beförderungsmittel samt Zugehör zur vorübergehenden Einbringung in das Zollgebiet. Gemäß § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG ist die Eingangsvormerkbehandlung von ausländischen unverzollten Beförderungsmitteln zum eigenen Gebrauch unter anderem dann zulässig, wenn der Halter und der Benützer des Beförderungsmittels seinen gewöhnlichen Wohnsitz oder seinen Sitz im Zollausland hat. Nach der Vorschrift des § 93 Abs. 7 leg. cit. iVm § 11 ZollG-DVO 1972 dürfen Beförderungsmittel unter anderem bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG OHNE Ausstellung eines Vormerkscheines und ohne Leistung einer Sicherstellung zu vorübergehenden Fahrten in das Zollgebiet eingebracht oder den begünstigten Personen zum selben Zweck voraus- oder nachgesandt werden (formloses Vormerkverfahren). Gemäß § 177 Abs. 3 lit. d ZollG wird die gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle für den Vormerknehmer zunächst bedingt entstandene Zollschuld im Zeitpunkt der Verwendung vorgemerkter Waren entgegen den für den betreffenden Vormerkverkehr geltenden Bestimmungen unbedingt.

Nach der Legaldefinition des § 93 Abs. 4 erster Satz ZollG ist unter mehreren Wohnsitzen einer Person als GEWÖHNLICHER Wohnsitz derjenige anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat und der den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse darstellt.

Eine Person kann, wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, in einem bestimmten Zeitpunkt zwar mehrere Wohnsitze (vgl. § 26 Abs. 1 BAO), jedoch nur EINEN Mittelpunkt der Lebensverhältnisse iSd § 93 Abs. 4 ZollG haben.

Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Feber 1970, Zl. 1001/69).

Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß im REGELFALL nach den Erfahrungen des Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort bestehen, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt, daß also der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt allerdings im Regelfall die Führung eines GEMEINSAMEN HAUSHALTES sowie als weiteren Umstand das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 83/16/0177, Slg. Nr. 6006/F, sowie die darin zitierte Vorjudikatur; ferner die Erkenntnisse vom 27. Oktober 1988, Zl. 88/16/0068 und vom 15. März 1989, Zl. 88/16/0229). Der Familienwohnsitz ist also nur bei gemeinsamer Haushaltsführung von ausschlaggebender Bedeutung, also nicht bei getrennten Haushalten.

Bei von der Familie GETRENNTER HAUSHALTSFÜHRUNG kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch auf den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektive und subjektive Beziehung zu diesem an (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1979, Zlen. 2365/78, 2051/79, Slg. Nr. 5401/F, und vom 20. Juni 1990, Zl. 90/16/0032).

Hat eine Person ihren gewöhnlichen Wohnsitz iSd § 93 Abs. 4 ZollG im Zollgebiet, so kann für ein ausländisches unverzolltes Beförderungsmittel das formlose Vormerkverfahren mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG nicht in Anspruch genommen werden.

Gemäß dem zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides erhobenen § 177 Abs. 3 lit. e ZollG wird die gemäß § 177 Abs. 1 leg. cit. für den Vormerknehmer bedingt entstandene Zollschuld unbedingt im Zeitpunkt der Ausfolgung der Waren, wenn die Waren infolge unrichtiger oder unvollständiger Angaben zum Vormerkverkehr zugelassen wurden.

Die Beschwerdeführerin greift mit ihrer Rechtsrüge zu Recht die Beweiswürdigung der belangten Behörde an. Es kommt nämlich im Beschwerdefalle gerade jenen, schon lange in der Vergangenheit liegenden Sachverhaltselementen, die sich auf den Monat Jänner 1985 beziehen, rechtserhebliche Bedeutung zu.

Die diesbezügliche Entscheidung der Abgabenbehörden ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach dem Gesamtbild unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu treffen. Eine abschließende Entscheidung setzt einen umfassend aufgeklärten Sachverhalt voraus. Hieran fehlt es gegenwärtig hinsichtlich der Vorgänge, die im Jahre 1984 zur Auflösung des gemeinsam in X geführten Haushalts und zur Aufnahme der Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin in Berlin geführt haben. So steht nicht fest, ob die Beschwerdeführerin überhaupt im fraglichen Zeitraum nach X zurückgekehrt ist. Im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen wären ergänzende Ermittlungen (z.B. Fahrtenbuch, Zeugeneinvernahmen etc.) darüber angezeigt gewesen, auf welchen Ort sich die beruflichen und gesellschaftlichen Kontakte der Beschwerdeführerin konzentrierten. Diese Tatsachenfeststellungen werden im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

Diese Feststellungsmängel hindern den Verwaltungsgerichtshof daran, die inhaltliche Rechtsmäßigkeit des Bescheides iSd § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu überprüfen. Daraus ergibt sich, daß einerseits infolge fehlender Sachverhaltsfeststellung der angefochtene Bescheid ergänzungsbedürftig geblieben ist, anderseits die belangte Behörde Verfahrensvorschriften über die Begründungspflicht außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren ist abzuweisen, weil neben dem für Schriftsatzaufwand allein vorgesehenen Pauschbetrag ein Zuspruch für Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist. Der Ersatz der Stempelgebühren war mit 420 S (je 120 S für drei Ausfertigungen der Beschwerde sowie 60 S für die Kopie des angefochtenen Bescheides) zu bestimmen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte